#mm: Tipps für Schlüsse

Das Ende von Trainings, Schulungen und Seminaren gestalten

Schlüsse von Seminare & Co. sind eine Schlüsselstelle im Lernprozess. Sie entscheiden auch darüber, ob Teilnehmer*innen voller Tatendrang und ermutigt aus dem Seminarraum gehen oder nach einem Webinar vom Rechner aufstehen. Wir haben Tipps und Anregungen zusammengetragen: Wie mache ich den Sack zu?

Die zentrale Frage: Was will ich mit dem Schluss erreichen?

Es gibt unzählig viele schöne Methoden für den Abschluss. Denken wir allein an das Blitzlicht, bei dem am Ende alle noch einmal kurz zu Wort kommen und das den Vorteil hat, zeitlich gut kalkulierbar zu sein. Da kann ich fragen: „Was ist für dich das Wichtigste, das Du mitnimmst?“ oder als Feedback für die nächste Auflage dieses Seminars: „Was soll ich beibehalten, was soll ich ändern?“ Oder: „Was steht auf deiner persönlichen to-do-Liste ganz oben?“

Ich muss mir also vor der methodischen Planung darüber klar werden, was ich mit dem Schluss für ein ganz konkretes Seminar und die spezielle Zielgruppe erreichen will. Das kann in verschiedene Richtungen gehen. Folgende Liste ist lang und doch unvollständig:

  • Lernprozess und/oder Lerninhalte reflektieren
  • Die Kernbotschaft noch einmal absetzen
  • Die Umsetzung anschieben
  • Lernerfolg überprüfen
  • Lernerfolge feiern
  • Lerninhalte verankern
  • Emotionale Anker setzen
  • Als Lernende individuell Schwerpunkte setzen
  • Maßnahmen für Einzelne/eine Gruppe vereinbaren und planen
  • Offene Fragen sammeln und klären
  • Lernende vernetzen
  • Follow ups planen
  • Wiederholen und zusammenfassen
  • Feedback geben, Feedback bekommen
  • Abschied nehmen

Den Einstieg in ein Seminar planen wir meist recht genau. Wir legen Wert auf die Strukturierung und Visualisierung der Inhalte und bemühen uns, den Lernprozess interaktiv zu gestalten. Der Abschluss verdient dieselbe „didaktische Zuwendung“. Das fängt schon bei der Zeit an. Gerade in Seminaren und Workshops, die gut laufen, „schmilzt“ manchmal das Zeitpolster für die Schlussphase. Da liegt es an uns als Trainer*innen, den Zeitwächter zu spielen, damit für den Schluss ausreichend Zeit bleibt.

Der Schluss des Seminars als Anfang der Umsetzung

Ein gängiges Bild für den Schluss: Der Sack wird zugebunden. Genau betrachtet wird damit eine Problematik von Schlusssituationen dargestellt: Aus einem fest zugebundenen Sack kommt nichts mehr heraus und es passiert danach nichts.
Stellen wir uns ein eintägiges Seminar zum Thema „Tipps für Schlüsse“ vor: Wir arbeiten die Problematik gründlich auf. Wir geben viele Tipps, wir sammeln und visualisieren Erfahrungen. Am Ende sind die Pinnwände voll. Wir nehmen Abschied voneinander. Wir gehen mit dem positiven Gefühl auseinander, viel geschafft und viel gelernt zu haben. Ein runder Tag mit einem runden Schluss. Zurück im rauen Alltag wartet Arbeit auf alle, die beim Seminar dabei waren. Die „Tipps für Schlüsse“ wandern im Kopf nach hinten und mit jedem Tag mehr sind sie ein Stück weiter entfernt und schließlich vergessen. So schaut das in der Praxis oft aus.

Was können wir tun, damit das Ende des Seminars der Anfang der Umsetzung wird? Wie kann das konkret bei unserem Beispielthema aussehen?

  • Fülle reduzieren: Eine Liste mit 15 möglichen Funktionen von Seminarschlüssen (siehe oben) ist ein Transferkiller. (Man sollte, man könnte, es ginge aber auch…) Besser: Suche dir für deine nächste Veranstaltung aus der Liste die eine passende Funktion aus!
  • Ganz konkrete Vorbereitung: Was musst du für den Schluss deiner nächsten Schulung im Detail tun und vorbereiten? Mach das gleich, später kommst du nicht mehr dazu.  

Emotionale Anker am Ende!

Ich bin gerne dabei, wenn der Abschluss von Lehrgängen und Ausbildungen gefeiert wird. Da kommen keine neuen Lerninhalte dazu, aber es werden emotionale Anker gesetzt. Wenn solche Zertifikatsverleihungen nicht in Förmlichkeiten ersticken, verstärken sie für alle – Teilnehmer*innen wie Referent*innen – das positive Gefühl, etwas geschafft zu haben. Auch kürzeren Lerneinheiten wie Workshops und Trainings tut ein emotionaler Anker am Ende gut. Sorge für gute Stimmung am Ende einer Lehrveranstaltung! Gute Erfahrungen haben wir mit Diashows gemacht, die Bilder aus dem Arbeitsprozess zeigen. Musik am Ende als Rausschmeißer ist auch gut, wenn es zum Inhalt passt, wie in unserem Solidaritätsseminar mit einer der vielen Fassungen von „Vorwärts und nicht vergessen!“ Ich wiederhole mich: Auch emotionale Anker brauchen Zeit! Für einen guten Schluss verzichte ich auch auf ein Stück Inhalt.

Auch einzelne Lernschritte brauchen einen Schluss!

Bei Präsentationstrainings fällt mir immer wieder auf, dass auch bei gut vorbereiteten Präsentationen das Ende improvisiert ist. Die Zuhörer*innen können oft nicht erkennen, wann Schluss ist. Oder es kommt die Floskel „Gibt es noch Fragen?“. Im Klartext heißt das meistens: Ich bin jetzt fertig und möchte jetzt aufhören. Plant auch bei kurzen Inputs und Vorträgen einen Schluss! Das kann eine Wiederholung sein („Ich fasse noch einmal kurz zusammen…“, eine Akzentuierung („Einen Punkt möchte ich abschließend noch einmal betonen…“), eine Murmelgruppe („Tauscht euch bitte zu zweit/dritt kurz aus, was das für eure Arbeit bedeutet…“) oder ein Blitzlicht. Bei mehrteiligen oder mehrtägigen Veranstaltungen gibt es auch einen Schluss nach einem Teil oder Tag. Und auch da stellt sich die Frage: Was will ich erreichen? Brauche ich ein Steuerungs-Feedback? Will ich, dass jede*r Teilnehmer*in allein für sich den Tag noch einmal Revue passieren lässt?

Meine Lieblingsschlüsse

Ich habe für eine Veröffentlichung meine Lieblingsschlüsse aufgeschrieben. Die oben erwähnte Diashow gehört dazu, ausgeschnittene Teile aus Visualisierungen, das Lügenblitzlicht und anderes mehr.

Zwei neue Lieblingsschlüsse möchte ich ergänzen:

Der Anfang einer ABC-Liste
  • „Think – Pair – Share“ hier an unserem Beispielthema:
    Think (alleine): Überlege, wie du im nächsten Seminar den Schluss gestaltest!
    Pair: Geht zu zweit raus und erzählt euch gegenseitig, wie euer nächster Schluss aussieht!
    Share: Beschreibt anschließend im Plenum einen der Schlüsse, über die ihr gesprochen habt.
  • Die ABC-Liste (frei nach Vera Birkenbihl): Die Trainer*in hat Flipchartblätter mit dem Alphabet vorbereitet. Immer zwei bis maximal vier Leute bekommen am Ende eines Seminars so ein Blatt: „Zu welchem Buchstaben findet ihr Inhalte und Erfahrungen aus dem Seminar?“ Da war ich am Anfang sehr skeptisch, aber dann begeistert, wie effektiv und schnell damit ein Seminar zusammengefasst wird. Dieser Schluss dient der Verankerung, Transferanschub ist das noch keiner.
  • 3:3:3 ist ein Lieblingsschluss-Ritual von Michael Ziereis, das er von Anna Langheiter abgeschaut hat. So geht’s: Alle schreiben dreimal die Nummer drei auf ein Blatt. Dann ergänzen sie die drei Ziffern mit „Stunden“, „Wochen“ und „Monate“ und schreiben dazu, was sie sich in Bezug auf das Training in diesen drei Zeiten vornehmen.
Im Eifer des Gefechts und weil wir uns scheuen, auch einmal etwas wegzulassen, wird dieser Grundsatz oft missachtet.

Zur Vertiefung

  • Dokumentation eines Transfer-Seminars mit Ideen für den Schluss: Seminar Praxistransfer
  • Methoden für jede Seminarphase und darin speziell die Seiten 14 und 15 der Methodenliste
  • Und für alle, die noch tiefer einsteigen wollen, ein Klassiker: Geißler, Karlheinz A.: Schlusssituationen. Die Suche nach dem guten Ende. Beltz-Verlag, Weinheim, 4. Auflage 2005

Autor: Ulli Lipp

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