Ich blicke bereits auf einige Jahre Erfahrung als Trainerin in den Gewerkschaftsschulen zurück. Jede*r kennt die ersten Schritte, lange PPT-Präsentationen, die Angst, Fragen nicht beantworten zu können, etc… Ein Mix aus Erfahrung und Weiterbildung, darunter in der Referent*innenakademie (REFAK), im Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) und im Internationalen Trainingszentrum der ILO (ITCILO), ermöglichten es mir, mich ständig zu verbessern und sogar selbst Einschulungen für TrainerInnen im Bereich EU-Politik anzubieten. Und dann kam Corona…
Vorbereitung und Durchführung
Die gesamte Bildungslandschaft, ob im Kinder- und Jugend oder im Erwachsenenbereich, sieht sich durch die Corona-Situation mit großen Herausforderungen konfrontiert. Als Trainerin habe ich die Umstellung auf digitale Formate als Chance ergriffen und mich gefragt, wie ich die Inhalte und Methoden aus meinen bewährten Seminardesigns in ein digitales Format übertragen kann. Dabei war es mir wichtig, nicht zu einem 100%-Frontalvortrag mit PPT-Präsentation zurückzukehren. Wie schaffe ich es also, meine Einstiegsmethode in ein digitales Format umzuwandeln? Ich habe recherchiert und mir schon eine gute Basis an digitalen Kompetenzen angeeignet, um diese später in den Gewerkschaftsschulen im Burgenland und in Kärnten zu testen. Eines vorweg: Im Burgenland wurden wir alle ins kalte Wasser geworfen, denn es war sowohl eine Premiere für mich als auch für die Teilnehmer*innen. Bestimmt würden heute manche digitalen Tools besser funktionieren. Mentimeter hat z.B. als Einstiegsmethode nicht wirklich funktioniert.
Eine etwas veränderte Version der Methode EU-Institutionen richtig einordnen habe ich über Padlet ausprobiert. Solche Lernchecks funktionieren am besten, wenn die Teilnehmer*innen selbst ihr Wissen aufschreiben. Nur hat sich keiner getraut, etwas zu schreiben. Waren die Teilnehmer*innen gehemmt? Überfordert? Die Lösung wurde schnell gefunden, als ich angeboten habe, für sie auf Zuruf mitzuschreiben bzw. gezielt Teilnehmer*innen aufgerufen habe (Tipp: die Teilnehmer*innen-Liste vorher anfordern…).
Nachdem die Gewerkschaftsschüler*innen erfahren, wie die EU funktioniert, geht es mir darum, aktuelle Problemfelder aufzuzeigen und die Teilnehmer*innen in den Kontext zu stellen, als Arbeitnehmerorganisation für ihre Interessen auf europäischer Ebene zu kämpfen. Dafür habe ich eine Methode entwickelt, die ich mit Padlet und breakout rooms auf BigBlueButton bzw. auf MS Teams mit zusätzlichen Räumen in die digitale Welt übertragen habe. Es geht wie im face-to-face Seminarsetting um den richtigen Methodenmix: Die verschiedenen Lerntypen sollen berücksichtigt werden. Kleingruppenarbeit ist hier besonders interessant, um Beteiligung und Dynamik zu ermöglichen. Ein Vorteil in der Kleingruppe ist außerdem, dass – sofern vorhanden – die Kamera und auch das Mikrofon eingeschaltet sind. Hier gab es einige technische Schwierigkeiten mit BigBlueButton, so waren zwei TeilnehmerInnen sowohl im breakout room als auch im Plenum anwesend. Abgesehen davon erwiesen sich Kleingruppenübungen in einem digitalen Seminarsetting aber als sehr nützlich.
Nach dem Seminar
Mit einem Klick ist man/frau schon wieder allein vor dem PC und ziemlich ratlos. Warum hat dies nicht funktioniert? Habe ich meine Ziele erreicht? Habe ich alle Teilnehmer*innen erreicht? Letzteres muss ich klar mit Nein beantworten. Leider habe ich nicht alle erreicht und bin an einige Grenzen gestoßen:
- Internetverbindung: Einige Teilnehmer*innen hatten eine wirklich schlechte Internetverbindung, die Teilnahme war für sie nur sehr eingeschränkt möglich. Mehrere Telefonate mit Kolleg*innen in den Bundesländern bestätigten mir, dass sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Ein schwaches Internetpaket, um ein wenig nach der Arbeit zu surfen, ist für den Online-Unterricht nicht geeignet. Von einer stabilen Leitung können manche Regionen nur träumen. Wenn gleich mehrere Familienmitglieder gleichzeitig online sind, ist die Leitung schnell überlastet. Manche Teilnehmer*innen haben Internetanschluss nur über das Handy, andere verfügen zuhause überhaupt nicht über Internetzugang – diese Personen nehmen dann gar nicht mehr teil.
- Geräte: Personen, die zuhause weder einen Laptop noch eine Stand-PC zur Verfügung haben, verwenden oft ihr Smartphone, um teilnehmen zu können. Manche können auf diese Art nur zuhören, nicht reden. Zusätzliche digitale Tools wie Mentimeter oder Padlet überlasten das ganze System bzw. schließen immer wieder Teilnehmer*innen aus. Für die Gewerkschaftsschulen aus Kärnten habe ich mich dann entschlossen, die Chatfunktion zu verwenden und Padlet nur für die Kleingruppenarbeiten einzusetzen. Vor dem Seminar ist es deswegen ratsam, zu klären, welche Geräte die Teilnehmer*innen zur Verfügung und welche digitalen Tools sie bereits verwendet haben. Auf diesen Erfahrungen aufzubauen erspart einiges an späterem Ärger – sowohl für die Trainer*innen als auch für die Teilnehmer*innen…
- Die TeilnehmerInnen: Ich habe mich öfters mit Gruppen und -dynamiken beschäftigt. Wie schaffe ich es, alle mit einzubeziehen, dass nicht immer die gleichen reden? Alle Tricks die man/frau auf Lager hat funktionieren in der digitalen Welt aber oft nicht. Man sieht aus verschiedensten Gründen nicht die Gesichter der Teilnehmer*innen (Video ausgeschaltet, nur diejenigen die sprechen sind sichtbar, etc.) und das macht es schwer, herauszufinden, ob ich alle mitgenommen habe. Dadurch, dass alle ihre Mikrophone auf stumm haben, fehlt die spontane Interaktion. Zusammengefasst sind also nur diejenigen, die aktiv sind und die ich sehe auch für mich als Trainerin greifbar. Ich verliere aber somit diejenigen, die etwas schüchtern sind, die weniger reden oder die einfach aus technischen Gründen kaum folgen können. Kleingruppenübungen bringen hierbei mehr Interaktion und sollten deswegen unbedingt eingebaut werden! Nur so kann gewährleistet werden, dass möglichst viele zu Wort kommen.
Weiter tüfteln, weiter ausprobieren, scheitern und es beim nächsten Mal besser machen. Das kann ich mir als Trainerin leisten, aber was heißt das grundsätzlich für die Gewerkschaftsschulen, wenn ein Teil nicht mehr folgen und teilhaben kann? Wenn wir einen Teil nicht mehr erreichen? Wie viele hauen den sprichwörtlichen Hut drauf?
Autorin: Isabelle Ourny (internationale Sekretärin, Trainerin zu (EU-)Politischen Themen in den Gewerkschaftsschulen und der BRAK)
Weitere Erfahrungen von Gewerkschaftsschulen im Online-Modus:
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Danke an Isabelle für das Teilen ihrer Erfahrungen. Ich bin Referent in den Gewerkschaftsschulen OÖ mit Schwerpunkt Veränderungsprozesse und Digitalisierung und kann die Vor- und Nachteile gut nachvollziehen.