Mach mal PAUSE …..

Über die unterschätzteste Phase eines Seminars!

Zwischen der Vormittags- und der Nachmittagseinheit ist…Richtig. Die Mittagspause! Ihre Funktion scheint ja ganz klar: Der Hunger ruft, ab zum Mittagessen…

In Pausen passiert eigentlich noch viel mehr – von uns Trainer*innen wird das aber meist nicht so richtig wahrgenommen. Ein guter Grund, diese „Zeit dazwischen“ mal näher unter die Lupe zu nehmen!

Und weil derzeit ein großer Teil unserer Bildungsarbeit im e-Learning-Modus abläuft und dieses Format wohl auch in Zukunft nicht wieder ganz verschwinden wird, gibt es auch einen speziellen Beitrag über Pausen online 🙂

Wozu eigentlich Pausen???

Pause ist…

… Zeit für Erholung und Regeneration

Man kennt das ja: Das Seminar beginnt, man lernt neue Leute kennen, das Thema interessiert einen, alles ist spannend und interessant und – anstrengend. Nach einiger Zeit nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab, man sehnt sich nach frischer Luft oder einer Tasse Kaffee, muss auf die Toilette oder will einfach mal von diesem Sessel aufstehen…

… Zeit zum Setzen lassen

Informationen prasseln auf einen ein, man überlegt: Wie ist das eigentlich bei mir im Gremium? Was davon könnte ich in meinem Team umsetzen? Unterschiedliche Meinungen in der Seminargruppe werden kundgetan. Interessant, dass man das auch anders sehen kann… Aber irgendwann reicht’s, man muss das Gehörte und Erlebte mal einordnen, reflektieren, sickern lassen. Vielleicht will man seine Notizen sortieren und ergänzen, sich mit dieser Teilnehmerin vertiefend austauschen oder mit einem anderen noch diskutieren…

… Zeit für Austausch, Klatsch und Tratsch

Genau, diskutieren. Diskutiert wird ja grundsätzlich auch während des Seminars, aber so richtig zur Sache geht’s dann doch erst mit einer Tasse Kaffee in der Hand, leger im Pausenbereich herumstehend. Insofern ist gruppendynamisch die Pause vermutlich die interessanteste Phase des Seminars: Hier werden Freundschaften geschlossen und aufgefrischt, hier wird genetzwerkt, hier werden Erfahrungen und Gerüchte ausgetauscht und die wirklich wichtigen Dinge besprochen.

Pausen gestalten?

Pausen sind Zeiten zur freien Verfügung, je nach Bedürfnissen und Interessen unserer Teilnehmer*innen. Von daher scheint die Idee, als Referent*in die Pausen auch noch gestalten zu wollen auf den ersten Blick abwegig. Wir können aber die Funktionen von Pausen (siehe oben „Wozu eigentlich Pausen?“) unterstützen. Das sind oft Kleinigkeiten.

Beispiele

  • Frischluft und Bewegung: „Wir treffen uns nach der Pause um 10.45 draußen im Garten des Bildungszentrums!“ Dort kann es mit einer Bewegungsübung oder einer Aufstellung oder einer Gruppenarbeit im Stehen weitergehen und zumindest ein Teil der Teilnehmer*innen genießt auch gleich die Pause im Freien.
  • Setzen lassen, Praxistransfer anschieben: „Wir haben noch fünf Minuten bis zur Pause. Da könnt ihr eure Gedanken oder Notizen sortieren.“ Oder nach der Pause ein Blitzlicht: „Das geht mir von der Lerneinheit vor der Pause noch im Kopf rum ….“
  • Austausch und Kennenlernen: Sucht euch für die Pause jemanden, den ihr noch nicht kennt.
  • Selbst gestaltete „Freecards“ bei den Getränken und Snacks bzw. Pausenstehtischen auslegen. Als Gesprächsanreiz, Merkanker zum Mitnehmen …
Selbstgemachte Freecards, die in Pausen einfach nur daliegen.

Das sind dezente, aber bewährte Gestaltungsideen, die den Teilnehmer*innen immer noch genug Freiheit lassen, Pausen auch ganz anders zu verbringen. Und im Online-Modus bekommt das Thematisieren und Gestalten von Pausen besonderes Gewicht, damit unsere Teilnehmer*innen nicht „tatenlos“ vor den Rechnern sitzen bleiben.

Pausenbeauftragte
Pausenbeauftragte*r ist ein Job für Teilnehmer*innen in einem Seminar ohne feste Pausenzeiten oder auch, damit vereinbarte Pausenzeiten eingehalten werden. Den bekommt jemand (Freiwillige vor!) am Beginn der Veranstaltung oder des Tages. Die Aufgabe: Rühr dich, wenn du das Gefühl hast: Jetzt ist Zeit für eine Pause!
Das entlastet uns Referent*innen enorm. Wir haben nämlich durch unseren Adrenalinüberschuss kein „richtiges“ Gefühl, wann eine Pause angesagt ist.

Pausenzeiten & Pausendauer

Argumente für feste Pausenzeiten: Gerade längere Lehrgänge und Ausbildungen haben in der Regel festgelegte und unveränderliche Pausenzeiten. Das hat viele Vorteile: Feste Zeiten strukturieren den Tag und den Lernprozess. Lernende wissen: In 10 Minuten ist Pause, bis dahin muss ich mich noch konzentrieren. Solange halte ich noch aus! Für uns Referent*innen ist klar: Ich habe nur noch zehn Minuten, dann muss ich einschließlich Verankerung fertig sein. Unsere Tipps: Wenn es Pausenrituale gibt, nur im begründeten Notfall antasten! Bloß nicht in die Pause hineinarbeiten. Jeder Versuch, Inhalte nach Beginn der Pause zu vermitteln oder zu vertiefen, ist zum Scheitern verurteilt. Der Off-Knopf ist da schon gedrückt.

Argumente für variable Pausen:

  • Pausen nach Bedarf (Pause, wenn die Lernenergie spürbar sinkt und es im Raum stickig wird, wenn eine Diskussion sehr hitzig ist, wenn wir als Referent*in eine Auszeit brauchen…)
  • Alle sind aktiv und engagiert dabei. Eine Pause unterbräche den Flow!
  • Ein Lerninhalt wird abgeschlossen, dann kommt die Pause!
  • Pausenzeiten werden antizyklisch den Stoßzeiten in der Cafeteria, den Wetterbedingungen (Hitzeperiode) oder anderen Faktoren angepasst.

Es gibt Argumente für feste wie für variable Pausenzeiten. In manchen Veranstaltungen mischen wir beide Varianten. Die Mittagspausenzeiten sind fix. Die Pausen während der Vormittags- und Nachmittagseinheiten variabel.

Auch das sind Referent*innen-Aufgaben:

  • Sorgt dafür, dass Frischluft in den Raum kommt.
  • Habt einen Blick auf die Pausenverpflegung, wenn sie angeboten wird: Ist sie zu Beginn der Pause auch da? Ausreichend? Zuckerorgie? Getränke oder nur Kaffee? Wenn nichts angeboten wird, wie kommen deine Teilnehmer*innen zumindest an etwas zum Trinken?
  • Steht jemand auffällig abseits?
  • Pünktlich wieder anfangen, auch ohne auf Zuspätkommende zu warten.
  • Den Start nach längeren Pausen (z.B. mittags) gestalten: Energizer, Anknüpfen, Blitzlicht…

Pausen, die nicht Pausen heißen

Eine Pause ist „die zeitlich begrenzte Unterbrechung eines Vorgangs“ , definiert das schlaue Wikipedia. Solche Unterbrechungen des Vorgangs Lehren und Lernen gibt es in Schulungen und Seminaren viele, die auch gar nicht Pause heißen müssen. Erzwungene Unterbrechungen, wenn gerade der Beamer ausfällt, und gewollte. Dazu gehört die ganze Gruppe der Energizer. Bei Energieabfall unterbrechen wir das Lernen und machen eine Bewegungs- oder Konzentrationsübung. Jede Kolleg*in sollte mindestens fünf solcher Energizer auf Lager haben, die bewährt sind und auch nichts Unmögliches verlangen wie: „Jede/Jeder nimmt eine andere Person Huckepack und…“ Einer unserer Lieblings-Energizer ist der rollende Euro. Es ist ganz praktisch, solche Energizer zu haben, die unabhängig sind vom jeweiligen Lerninhalt, wie der rollende Euro. Für das Lernen im Seminar ist natürlich ein Themenbezug besser. So haben wir Im Seminar „Solidarität“ gezielt Kooperationsübungen als Energizer eingesetzt.

Der rollende Euro auf der Plane und die Turmbauübung – zwei Energizer

Ortswechsel: Für einen Lernschritt, wo es passt, ins Freie gehen. Gruppenarbeitsergebnisse in den Räumen präsentieren lassen, wo die Gruppen gearbeitet haben. Auch die Wege dorthin und zurück sind Pausen. Teilnehmer*innen bewegen sich, tauschen sich auf dem Weg aus. Das ist aber keine verlorene Zeit, im Gegenteil, damit unterstützen wir das Lernen.

Musik und Videos: Wir haben auch im Solidaritätsseminar immer wieder eine „Pause“ eingestreut, jeweils eine andere Version des Solidaritätslieds (meist als Musik-Video) abgespielt und danach kurz Eindrücke eingesammelt. Auch dadurch wird der Ablauf kurz unterbrochen, ohne das Thema zu verlassen. Der Lernprozess wird strukturiert, weil wir das Lied immer zwischen verschiedenen inhaltlichen Blöcken eingebaut haben. Erstaunlich am dritten Tag die Frage: „Gibt es heute kein Lied?“ Hier eine Version des Solidaritätslieds .

Was tun wir Referent*innen während der Pause?

Eigentlich könnten wir uns vierteilen. Die Pause mit den Teilnehmer*innen verbringen. Den Schulungsraum für die nächste Einheit vorbereiten. Uns mit Kolleg*innen absprechen. Die nächsten Lerninhalte noch einmal durchgehen. Nein! Wir schauen auf uns selbst und tun am besten das, was uns im Moment gut tut. Ich muss nicht mit den Teilnehmer*innen zum Essen gehen, wenn mir nach einer halben Stunde Ruhe ist. Ich muss mich auch nicht unbedingt darum kümmern, dass die Kaffekanne aufgefüllt wird, wenn mir nach Frischluft ist und ich gerne zehn Minuten draußen bin. Pausen in der Schulung sind auch unsere Pausen.

Pausen und Arbeiter*innenbewegung

Als Gewerkschafterin und Gewerkschafter denken wir beim Stichwort Pause natürlich nicht nur an die Pausen, die wir unseren Teilnehmer*innen in Schulungen gönnen, sondern auch an die Auseinandersetzungen um die Pausen in der Arbeitswelt. Die deutsche Gewerkschaft ver.di hat eine Kleine Geschichte der Pause veröffentlicht. Vom Bayerischen Rundfunk gibt es einen Podcast zum Thema Pause machen – Leerlauf mit Sinn.

Autor*innen: Pia Lichtblau und Ulli Lipp

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Ein Gedanke zu „Mach mal PAUSE …..

  1. Rosi Hebenstreit

    Genialer Beitrag!
    Ich nehme viel mit von euren Hinweisen und Empfehlungen: zB den/die Pausenbeauftrage/n
    Pause ist Zeit für Erholung, Setzen lassen und Energie sammeln. Ich weiß es eigentlich und trotzdem vergesse ich immer wieder darauf. Ab heute habe ich das mehr im Fokus. Vielen Dank euch!!

    Antworten

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