#dimi_13: Visualisieren

Warum Flipcharts & Co das Lernen einfacher machen

Bilder helfen, komplexes Wissen verständlich darzustellen und nachhaltiger zu verarbeiten. Diese Erkenntnis ist leicht nachvollziehbar und das Sprichwort: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ eine Volksweisheit. Doch was steht hinter dieser Einsicht? Dieser Frage möchte ich heute nachgehen.

Wahrscheinlich kommt dir beim Thema Visualisierung die tolle Blogserie #visdo von Lana Lauren in den Sinn und du fragst dich vielleicht: Wozu braucht der REFAK Blog nun noch einen Beitrag zum Visualisieren? Im Gegensatz zum #visdo geht es in diesem Blogbeitrag vorwiegend darum, zu verstehen, warum visuelle Darstellungen das Lernen und Verarbeiten von Wissen anregen. Welche unterschiedlichen Arten von Visualisierungen damit gemeint sein können und warum das klassische Tafelbild didaktisch voll Sinn macht. All das erfährst du in diesem Blogbeitrag.

Ich schlage vor, dass wir uns das Thema Visualisierungen von zwei Seiten anschauen:

  1. Von der Seite der Trainer*innen oder Lernbegleiter*innen. Dabei möchte ich der Frage nachgehen, warum es sinnvoll ist, Lerninhalte bildlich aufzubereiten. Ich werde unterschiedliche Möglichkeiten der Visualisierung vorstellen und Beispiele geben, wie du auch als „Zeichenmuffel“ die Kraft von Bildern nutzen kannst.
  2. Von der Seite der Lernenden. Hier geht es um die Frage, wie wir Lernende anregen können, Gehörtes für sich selbst in bildliche Botschaften zu packen und so Ordnung und Struktur zu schaffen, die das Verarbeiten von Lerninhalten vorantreiben und das Verankern von Wissen fördern.

Was soll ich denn noch alles können…

Dass Trainer*innen imstande sind, das was sie erklären auch noch ganz nebenbei auf einem Flipchart zu skizzieren, oder Nachfragen und Kommentare, die sie von den Lernenden in einer vertiefenden Diskussion zugespielt bekommen, aufzugreifen und flugs in eine verständliche graphische Darstellung zu verwandeln, gehört schon fast zum Standard des Trainer*innenprofils. Doch so einfach ist es nicht. Wissen bildlich darzustellen setzt voraus, dass ich Strukturen und Zusammenhänge selbst klar habe. In diesem Sinne ist das skizzenhafte Darstellen der Lerninhalte auch eine Mittel, zu überprüfen, ob mir selbst die didaktische Reduktion eines Themas gelingt. Ein einfacher Tipp dazu: Erstelle dir bereits in der Vorbereitung eine oder mehrere Skizzen zum aktuellen Seminarthema. Das bringt dir selbst Klarheit und Überblick und hilft dir, das Thema schlüssig zu erklären. Viele Menschen finden es auch einfacher, auf einem kleinen Format zu zeichnen. Im nächsten Schritt ist es ein Kinderspiel, diese Skizze auch im Seminarraum einzusetzen und auf ein Flipchart zu übertragen.  

Ohne Flipchart geht gar nichts

Das Flipchart gehört inzwischen zur Standardausrüstung eines zeitgemäßen Seminarraums und hat vielerorts die klassische Tafel oder das Whiteboard ersetzt. (Auch wenn ich nicht automatisch davon ausgehen sollte, dass dann auch Papier und funktionierende Stifte vorhanden sind.)

Dass Lehrende bildliche Darstellungen zum Erklären nutzen, ist aber schon seit dem frühen 19. Jahrhundert gängige Praxis. Die Idee, die hinter dem klassischen Tafelbild steht, ist, dass die Lerninhalte, die vermittelt werden, im Prozess des Erklärens schrittweise zu einem Bild geformt werden. Das Ziel ist, dass die Lernenden das Wissen leichter erfassen können. In der Erwachsenenbildung ist das Erstellen eines Flipcharts die gängigste Art und Weise Erklärungen bildlich zu begleiten. Hier erklärt Lana Lauren, wie eine Dokumentenkamera das direkte Umsetzen von Worten in Bildern im Online-Setting ermöglicht.  

Didaktisch gesehen ist dieses begleitende Zeichnen und Darstellen ein wesentlicher Schritt der Wissensvermittlung, der bei der Nutzung von PowerPoint-Präsentationen fast völlig verloren geht. Animationen, wie das Erscheinen einzelner Segmente oder Bullettpoints, versuchen, diesen verloren gegangenen Aspekt auszugleichen. Was dabei aber fehlt, ist der wichtige Nebeneffekt der Entschleunigung, der für die Verarbeitung der Inhalte nötig ist.

Wissen bildlich und prozesshaft zu vermitteln, ist eine Kunst, die gelernt sein will. Martin Haussmann nennt es: „mit dem Stift zu denken“. Im seinem Buch UZMO findest du dazu viele hilfreich Anleitungen, aber auch viele Erklärungen, warum Visualisierungen wirken. Die REFAK bietet neben dem schon erwähnten #visdo auch tolle Seminare dazu an. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich die Teilnahme an „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ keine Sekunde bereut habe.

Aber ich kann nicht zeichnen (und zeichnen und reden schon gar nicht…)

Nicht jede*r schafft es, neben dem Erklären des Fachthema auch noch nebenbei zu zeichnen oder wichtige Schlagwörter auf einem Flipchart festzuhalten. Ein einfacher Ausweg ist, wichtige und zentrale Darstellungen, wie beispielsweise Übersichtsgrafiken, bereits vor dem Seminar zu zeichnen und das fertige Flipchart ins Seminar mitzubringen. PowerPoint-Fans mögen anmerken: „Na, dann kann ich ja gleich eine Folie vorbereiten!“

Stimmt fast, aber nicht ganz. Der Vorteil eines vorbereiteten Flipcharts ist, dass zentrale Theorieelemente über den gesamten Lernprozess hinweg im Seminarraum sichtbar bleiben können. Eine wichtige Darstellung sollte deshalb auch nicht am Flipchartständer hängen bleiben, sondern gut sichtbar im Raum angebracht werden. Dies erleichtert es mir als Trainerin, immer wieder auf ein zentrales Modell, ein paar wichtige Theorien oder Fakten Bezug zu nehmen und Querverbindungen herzustellen. Das Schaffen von Querverbindungen kann auch durch eine gemeinsame Mindmap – oft auch Wissenslandkarte genannt – unterstützt werden. Diese kann auch über mehrere Einheiten hinweg entwickelt werden und die Befassung mit einem Themengebiet veranschaulichen.

Es muss nicht immer ein Flipchart sein

Kommen wir noch einmal auf den Aspekt des schrittweisen Erklärens zurück, der durch das synchrone Erstellen eines Flipcharts unterstützt wird. Eine einfache Art, diesen positiven Effekt zu nutzen, ist das Erstellen eines Modells auf einer Pinwand. Arbeite ich im Sesselkreis, nutze ich auch gerne die Kreismitte, um ein sogenanntes Bodenbild zu gestalten. Dazu kann ich (laminierte) Bilder oder Icons nutzen, die ich

  • vorbereiten (zeichnen, oder auch Text ausdrucken und dann verschönern…)
  • wiederverwenden (damit sich das Lamininieren auch lohnt)
  • leicht transportieren kann (was mir als Radfahrerin immer besonders wichtig ist)

Diese Art von Visualisierungen tragen gleichermaßen zum Verstehen bei. Ein Vorteil ist, dass Anmerkungen der Lernenden einfach auf Moderationskarten festgehalten werden und in das Bild integriert werden können. Das Gefühl des gemeinsamen Erarbeitens und Verstehens wird gestärkt. In manchen Fällen macht es Sinn, die Lernenden einzuladen, sich direkt einem Segment des Bodenbildes zuzuordnen – z.B., wenn ich in meinen Seminaren die Lernstile nach Kolb (siehe #dimi_11) erkläre, bitte ich die Lernenden, sich direkt dorthin zu stellen, wo sie sich am besten verorten können. So wird ein Bodenbild zu einer soziometrischen Aufstellung, bei der Tendenzen in der Gruppe oder auch eigene Meinungen zum Thema sichtbar gemacht und für eine Diskussion genutzt werden.

Upcyling

Eine weitere Form der Visualisierung ist das Nutzen von realen Gegenständen. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist dieser Vortrag von Hans Rosling. Mach dir selbst ein Bild von seiner analogen Vortragstechnologie.

Ein Blick in die Spielzeugkiste lässt das Trainer*innenherz höherschlagen. Vieles kann verwendet werden. Zur Darstellung von trockenen Zahlen und Statistiken eignen sich Legosteine und im Grunde alles, woraus man Türme bauen kann. Willst du die Lernenden aktiv einbeziehen, kannst du aus Prozentzahlen einfach Schätzfragen ableiten, die die Lernenden allein oder in Gruppen beantworten können. Fade Statistiken in Legotürme umzuwandeln macht nicht nur Spaß, sondern erleichtert das Verankern von wichtigen Größenverhältnissen, wie z.B. Verteilung von Steuergeldern.

Und was ist mit den Lernenden?

Befassen wir uns mit dem Thema Visualisierungen, sollten wir die Lernenden nicht aus dem Auge verlieren. Noch effektiver als das begleitende Visualisieren ist es, wenn die Lernenden ihr Wissen selbst bildlich festhalten. Dieser Prozess wird in der Sprache der Visualisierer*innen als SketchNotes bezeichnet. Gemeint ist damit, dass wir das, was wir hören, in Bildvokabeln übersetzen und für uns selbst in eine Wissensskizze verwandeln. SketchNotes sind einfach gesagt „visuelle Notizen“. Mehr dazu kannst du im #visdo_11 nachlesen.

Der Vorteil zum „normalen“ Mitschreiben ist dabei, dass durch das bildliche Verarbeiten Zusammenhänge besser sichtbar werden, aber auch beide Gehirnhälften stärker aktiviert werden und so das umfassende Verankern des Wissens gefördert wird. Ebenso wie es für uns als Trainer*innen nicht immer einfach ist, parallel zu reden und zu zeichnen, kann es auch für die Lernenden eine Herausforderung sein, gleichzeitig zuzuhören und zu zeichnen. Eine einfache Möglichkeit ist die zeitliche Entkoppelung und die Anregung am Schluss einer Lerneinheit, das Gehörte in ein Bild zu packen.

Halte ich Zeichnen für eine zu große Anforderung, so erfüllt auch eine Mindmap einen ähnlichen Zweck. Beim Visualisieren geht es meist um das Schaffen von Ordnungen im Sinne von Haupt- und Nebenthemen. Eine einfache und niederschwellige Möglichkeit, „Visuals“ einzubinden, ist das Erstellen von Collagen. Aus alten Zeitungen und Magazinen kann eine Bild erstellt werden, das die wichtigsten Lerninhalte und Erkenntnisse repräsentiert. In diesem #mm kannst du mehr dazu lesen.

Kritzelst du schon…

cc: Margret Steixner

Kritzelst du auch gerne, während du telefonierst oder in einer Besprechung sitzt? Kritzeln ist eine tolle Möglichkeit, Lust am Zeichnen und Freude am Visualisieren zu finden. Denn beim Visualisieren ist es so ähnlich wie mit einer Sprache: Ohne Dranbleiben geht gar nichts. Vielleicht hast du ja Lust darauf bekommen und wünscht dir zu Weihnachten ein paar schöne Stifte dafür. Mir gefallen die „Hautfarbenstifte für alle“ besonders gut.

In diesem Sinne: Eine geruhsame Weihnachtszeit und einen guten Rutsch…

Ideen, die Lust machen auf Zeichnen und Visualisieren…

  • Ralf Appelt, der auch an der REFAK trainiert, bietet auf seiner Website ein gutes Material zum Download.
  • Nadine Rossa, die Autorin der Buchserie: „Sketchnotes“ bietet auch tolle Online-Kurse, die Lust machen auf visuelle Notizen.
  • Haußmann, Martin (2018): UZMO – denken mit dem Stift. Visuell präsentieren, dokumentieren und erkunden: das Praxisbuch zur bikablo-Visualisierungstechnik. 6. Auflage. München: Redline Verlag.
  • Hausmann, Martin; Scholz, Holger (2014): Bikablo 2.0. Visuelles Wörterbuch – neue Bilder für Training, Meeting und Learning: new visuals for training, meeting and learning = Bikablo 2.0. 7. udgave. Köln: Kommunikationslotsen.
  • Rachow, Axel; Sauer, Johannes (2019): Der Flipchart-Coach. Profi-Tipps zum Visualisieren und Präsentieren am Flipchart. 9. Aufl. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH (managerSeminare).

Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.

Autorin: Margret Steixner

Lust auf mehr? Zu allen Beiträgen der Serie kommst du HIER!

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