Mehr als nur Binnen-I
Stets für emotionale Debatten gut ist die Verwendung geschlechtergerechter Sprache immer noch umstritten – und das Binnen-I für manche Menschen immer noch ein Aufreger. Dass die Verwendung von Sprache allerdings einen Unterschied macht – und warum es neben Binnen-I auch andere Formen der gendersensiblen Sprache gibt, soll hier gezeigt werden.
Warum braucht es eine gendersensible Sprache?
Entnommen aus: Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (2014): Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache)
Sprache ist das wichtigste Ausdrucksmittel unserer Gesellschaft. Sie vermittelt Werte und Normen und beeinflusst unsere Wahrnehmung. Gleichzeitig ist Sprache auch ein Instrument der Machtausübung: Sie kann Menschen ein- oder ausschließen. Häufig werden männliche Formen verwendet, bei denen Frauen „mitgemeint“ sein sollen (beispielsweise Arbeitnehmer, Schüler, Studenten, etc.). Dieses „generische Maskulinum“ ist allerdings nur scheinbar neutral, da Frauen hier nur in geringerem Maße gedanklich einbezogen und repräsentiert werden.
Gendersensible Sprache kann hier einen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung leisten. Sie kann sowohl Frauen als auch Menschen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit in der Gesellschaft über den Sprachgebrauch sichtbar machen.
Reaktion der Kronen-Zeitung auf die Ankündigung seitens des Verteidigungsministeriums, das (ohnehin nicht verwendete) Binnen-I zu streichen. Quelle: Kronen-Zeitung 25.05.2018
Zwei Strategien für inklusive (oder nichtdiskriminierende) Sprache
Sprache (und Schrift) sollten eindeutig und nichtdiskriminierend verwendet werden. Aus Texten soll hervorgehen, wer gemeint ist. Sprache und Grammatik sollen daher auch zum Ziel haben, dass sich alle Geschlechter repräsentiert und angesprochen fühlen. Um geschlechtergerechte Sprache umzusetzen, gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Unterschieden werden kann dabei zwischen der Strategie des Neutralisierens und der des Sichtbarmachens.
Geschlechtsneutrale Formulierungen zielen darauf ab, Geschlecht unsichtbar zu machen.
Zum Beispiel: Studierende, Lehrende, Angestellte, Beschäftigte.
Strategien des Sichtbarmachens versuchen, die Vielfalt der Geschlechter zu zeigen.
Dabei können sowohl Frauen als auch Männer sichtbar gemacht werden:
- Mittels Doppelnennung: beispielsweise Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
- Binnen-I: ArbeitnehmerInnen
- Generisches Femininum: Ausschließlich die weibliche Form wird genannt. Frauen werden so auf besondere Weise sichtbar gemacht
Darüberhinausgehend können auch Menschen sichtbar gemacht werden, die sich dieser Zweigeschlechtlichkeit nicht zuordnen können oder wollen. Forschungen zu Inter- und Transgeschlechtlichkeit betonen die Vielzahl von Geschlechtern und stellen die Natürlichkeit der Zweigeschlechtlichkeit infrage. Auch dies kann sichtbar gemacht werden:
- Unterstrich/Gender-Gap: (z.B. Arbeitnehmer_innen)
Der Unterstrich vermeidet zweigeschlechtliche Schreibweisen. Die Leerstelle symbolisiert Raum für Menschen, die sich in einem System, das nur Frauen und Männer kennt, nicht wiederfinden. - Sternchen: (z.B. Referent*innen)
Das „Sternchen“ (auch Asterisk genannt) kommt aus der Computersprache und steht als Platzhalter für beliebige Buchstaben und Kombinationen. Das Sternchen symbolisiert so ebenfalls Raum für Menschen, die sich im zweigeschlechtlichen System nicht wiederfinden. Gleichzeitig symbolisiert das Sternchen im Gegensatz zum Unterstrich keine Leerstelle, sondern ein Bindeglied zwischen den Geschlechtern.
Übung zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch
Entnommen aus: Salto, Rolle, Pflicht und Kür. Gender Manual II, Verlag Pestalozzianum 2001, S 86
Formuliert elegantere Lösungsvorschläge für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch (und diskutiert, wo und warum andere Formulierungen notwendig sind):
- Arbeitnehmervertretung
- Jeder/jede Gesuchstellerin, der/die seine/ihre Adresse hinterlässt, erhält ein Antwortschreiben.
- Die Protokollführerinnen resp. Protokollführer haben geschlechtergerecht formuliert.
- Gute Lehrerinnen- und Lehrerberaterinnen und -berater sollten zuvor auch gute Schülerinnen- und Schülerbegleiterinnen- und begleiter gewesen sein.
- Hat ein Verfahrensbeteiligter oder eine Verfahrensbeteiligte einen Anwalt oder eine Anwältin, so erfolgen Zustellungen in der Regel an den Anwalt oder die Anwältin.
- Staatsmann
- Putzfrau
- Hausherr
- Otto Normalverbraucher
- Ansprechpartner
- Obdachloser
- Mannschaft
- der Herr des Hauses
- Mädchen für alles
- der Hintermann
Weitere Informationen
- Türkis Rosa Lila Villa: Queeres Community Zentrum
- Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich
- Courage: Beratungsstelle für gleichgeschlechtliche und transGender Lebensweisen
- LGBTIQ Beratung der Männerberatungsstelle
Weiterführende Literatur
- Grundlegende Hinweise zur geschlechtergerechten Umsetzung von Inhalten findet ihr auch in der Broschüre „Ich Tarzan – Du Jane?“ des ÖGB
- Marlen Bidwell-Steiner (2010): Macht Wort: Geschlecht? In: (Un)doing gender als gelebtes Unterrichtsprinzip. Sprache – Politik – Performanz. Wien.
- Friederike Braun, Susanne Oelkers, Karin Rogalski, Janine Bosak und Sabine Sczesny (2007):
„Aus Gründen der Verständlichkeit …“: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten. In: Psychologische Rundschau 58 - Steffen Kitty Hermann (2003): Performing the Gap – Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung. In: arranca! 2003, Nr.28, Aneignung
- Lann Hornscheidt (2013): Feministische Worte: ein Lern-, Denk- und Handlungsbuch zu Sprache und Diskriminierung, Gender Studies und feministischer Linguistik. Frankfurt.
- Karin Kusterle (2011): Die Macht von Sprachformen. Der Zusammenhang von Sprache, Denken und Genderwahr-nehmung. Frankfurt.
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