Know How für die Bildungsplanung
08.11.2021 – 09.11.2021
Trainer: Wolfgang Gruber
Planspiele sind eine tolle Methode, um Teilnehmer:innen aktiv ein komplexes Thema näherzubringen, die Handlungsfähigkeit zu stärken und den Transfer in die Praxis zu gewährleisten. Gleichzeitig gibt es bei der Organisation von Planspielen vieles zu beachten, damit diese auch gelingen. Das haben wir uns in diesem Seminar genauer angeschaut und ausprobiert.
Planspiel vs. Rollenspiel.
Zu Beginn des Seminars klärten wir das Verhältnis von Plan- und Rollenspielen: ihre Besonderheiten und Gemeinsamkeiten.
Planspiele verfügen über drei notwendige Kernkomponenten:
1. ein zu simulierendes System
2. ein Regelwerk/ Rahmen
3. diskursive Rollenspielkomponenten
Planspiele haben demnach immer diskursive Rollenspielelemente inkludiert, Rollenspiele können aber theoretisch auch ohne Punkt 1 und Punkt 2 auskommen.
Was ist ein Planspiel?
Ein Planspiel ist in der Regel eine Methode zum Abbilden von komplexen realen Systemen, in denen die verschiedenen darin agierenden Rollen (Stakeholder) miteinander in Diskurs treten. Dazu sind auch etliche Varianten, wie fiktive Szenarien von bekannten historischen Begebenheiten, bzw. Zukunftsszenarios möglich oder auch die Arbeit mit vorgefertigten Szenarien (Drehbuch bzw. aktionsorientiert) oder diskursabhängigen Szenarien. Planspiele zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass sie weniger auf die passgenaue Ausführung der Rollen (Stakeholder) fokussieren, sondern mehr auf die reale Annäherung an das simulierte System. Für Planspiele sind das zu simulierende System als Ganzes, das Regelwerk und die diskursive Rollenspielkomponente prägend. Der Aufwand bei der Vorbereitung der Rollen und der Selbstrecherche der TeilnehmerInnen fließt in das Design des Planspiels mit ein.
Ziele eines Planspiels.
Die Ziele eines Planspiels sind immer in Einklang mit den Learning Outcomes zu sehen und dementsprechend müssen diese bei der Konzeption im Vordergrund stehen. In der Regel werden sowohl inhaltliche, als auch überfachliche Ziele erreicht. Vor allem bei der Vorbereitung der Rollen (insofern Zeit dafür bei den Teilnehmenden im Vorfeld vorgesehen ist), können vielfältige Wirkungen erzielt werden. Grundsätzlich kann den TeilnehmerInnen mit einem Planspiel ermöglicht werden, ein möglichst praxisrelevantes Szenario zu gestalten (Grad der Gestaltung ist von den zeitlichen Möglichkeiten abhängig) und zu erleben. Die Auswertung des Planspiels erfolgt im sogenannten Debriefing und dort werden alle wesentlichen Teile der Durchführung des Planspiels besprochen, reflektiert und im Sinne eines Reality Checks behandelt und kritisch evaluiert.
Wofür können Planspiele eingesetzt werden?
Teilnehmende sollen durch die Simulation der praxisrelevanten Situation die Möglichkeit bekommen einen Perspektivenwechsel nachzuvollziehen, indem sie auch Rollen einnehmen/ selbst recherchieren, die in ihrem Berufsalltag zwar wichtig sind, aber nicht in ihrer unmittelbaren Ausbildung erfasst sind. Teilnehmende trainieren die zielgruppenspezifische Ansprache in einem sicheren Umfeld. Die Analysefähigkeit von Strukturen und Mechanismen von komplexen Systemen wird durch die Erfahrung eines Planspiels gestärkt. Am Ende sind jedoch auch hier die Learning Outcomes der wichtigste Faktor.
Diese Besonderheiten eines Planspiels wurden im Seminar anhand des SOZAK Praxisfall deutlich. Zwei Entwickler:innen und Trainer:innen des Praxisfalls erläuterten Entwicklung und Umsetzung dieses einwöchigen Planspiels und insbesondere, was sie bzgl. der Organisation von Planspielen dabei gelernt haben.
Experten und Planspieltrainer des Bereichs Arbeitswelt& Schule der Arbeiterkammer Wien stellten kürzere Planspiel-Formate zum Thema „Wirtschaft“, „Sozialstaat“ vor, die sie mit Schulklassen in zwei bis fünf Stunden umsetzen.
Der Referent ging unter anderem auf ein Beispiel aus der eigenen Praxis ein: Die Simulation von Verhandlungen bei den Vereinten Nationen (UN), die seit 2013 jährlich an zwei Tagen an den Originalschauplätzen in der UNO City in Wien stattfinden. Hier ein kleines Video dazu:
Nach der Darstellung und Diskussion von bestehenden Praxisbeispielen am ersten Seminartag, wurde die Gesamtgruppe in mehrere thematisch passende Blöcke aufgeteilt und beschäftigte sich mit der konkreten Planung eigener Planspiele.
Für die Organisation eines gelungenen Planspiels sind folgende zehn Punkte besonders zu beachten:
- Plane genügend Zeit für Debriefing (Auswertung der beobachteten Vorgänge und Interaktionen) und Evaluierung (qualitative Erhebung und Weiterentwicklung der Ergebnisse)! Meistens wird genügend Zeit für die Durchführung, aber nicht die notwendige Nachbesprechung eingeplant, ohne der die Lernergebnisse nicht nachhaltig gesichert werden können.
- Die realitätsnahe Situation hinter dem zu spielenden System kann wesentlich besser erreicht werden, wenn zusätzliche atmosphärische Komponenten eingeplant werden (Veranstaltungsort, Teilnehmer:innen, externe Gäste, Kleidung, usw…). Alles was hilft das System greifbarer zu gestalten sollte zumindest in Betracht gezogen werden.
- Versuche die Welt außerhalb des „Seminarraums“ mit einzubeziehen (Veranstaltungsort, Gäste,…) und beziehe dich inhaltlich auf tatsächliche aktuelle Herausforderungen. Dies wird den Realitätsgrad die Relevanz des zu simulierenden Systems weiter stärken und letzten Endes die Teilnehmer:innen zusätzlich motivieren.
- Überlege wieviel Zeit für das Planspiel zur Verfügung steht. Dies stellt eine wichtige Basisentscheidung dar, da sie bestimmt, wieviel Zeit Teilnehmer:innen im Selbststudium zur Verfügung haben und/oder wieviel sie in die Vorbereitung von Rollenbeschreibungen legen müssen. Bedenke dabei immer, dass selbst erarbeitete Rollen, zwar mehr Zeit brauchen, aber den Lerneffekt bei den Teilnehmer:innen vergrößern.
- Jedes zu simulierende System besitzt einen gewissen Komplexitätsgrad. Als Planspielentwickler:in bestimmst du, wie real das Szenario ist und welche Komponenten mit einbezogen werden. Dies betrifft selbstverständlich auch, ob und welche zusätzliche Teilnehmer:innen von außen für eine Steigerung der Realitätsdichte des Systems herangezogen werden können.
- Denke daran Planspiele nicht als singuläre Maßnahme zu planen, sondern eingebettet in einen größeren Lernprozess bzw. Gesamtkontext, da sie erst in dieser Einbettung ihre gesamte Wirkmächtigkeit entfalten können.
- Auch bei der (oft notwendigen) Integration von Expert:innen ist es wichtig, dass die Planspieltrainer:innen als Lernbegleiter agieren (ebenso die Expert:innen) und die Teilnehmer:innen in ihrem eigenen Tempo und gemeinsam lernen.
- Machen sie sich schon in der Vorbereitungsphase Gedanken über die diskursiven Rollenspielelemente (Embodiment = Verkörperung des zu spielenden Charakters, Immersion = Hineinziehen in das System, Bleeding = hervorrufen von Emotionen…) und gestalte einen entsprechenden Rahmen dazu. Für eine sehr ausführliche Darstellung verweise ich hierzu gerne auf die Dissertation meiner Kollegin Katrin Anne Geneuss „Die waren ja mittendrin!“ Ganzheitliches Lernen im Rollenspiel EduLARP. Grundlagen – Wirkungen – Einsatz im Deutschunterricht“ https://edoc.ub.uni-muenchen.de/24863/7/Geneuss_Katrin.pdf
- Führe beispielsweise eine SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats) des zu simulierenden Systems durch. Es können natürlich auch eine andere Formen der strategischen Analyse verwendet werden (Umweltanalyse, usw.), wobei das Ziel immer darin bestehen sollte, dass sie das System in seiner ganzen Tiefe und Komplexität darstellen können und dann Elemente daraus nehmen können für das Planspiel.
- Bereite die Teilnehmer:innen nach Möglichkeit auch in Hinblick auf Verhandlungsstrategien vor und bespreche die wichtigsten Zugänge dazu, damit diese adäquat angewendet werden können (BATNA, MLATNA, usw…). Dazu hilft ein Blick auf diese Grafik:
Der Referent hofft auf eine zahlreiche Anwendung der Methodik Planspiel in weiterer Folge und persönlich freut sich über weitere Kommentare und Verständnisfragen.
Autor: Wolfgang Gruber
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