Eine Checkliste mit Ermutigungspotential
Fragst du dich auch immer wieder, ob du als Trainer*in alles im Blick hast, was für die Gestaltung eines guten Lernprozesses wichtig ist? Im Detail betrachtet ist die Planung und Durchführung eines Seminars ein ziemlich komplexer Prozess.
Gerade Trainer*innen, die am Anfang ihrer Tätigkeit stehen, fühlen sich oft von der Fülle der Aufgaben, die mit der Vermittlung der Lerninhalte, der Gestaltung des Lernprozesses und dem Begleiten der Gruppe sowie der Einzelnen überfordert.
Deshalb habe ich den Versuch gestartet, alle Schritte der Seminarplanung und Durchführung aufzulisten. Das Produkt ist eine Checkliste mit (hoffentlich) Ermutigungspotential. Diese möchte ich im vorerst letzten Beitrag der zweiwöchigen #dimi Blogserie vorstellen. Wie es mit dem #dimi weitergeht, erfährst du am Ende dieses Beitrags.
Ehrlich gesagt bin ich selbst gar kein Checklisten-Typ. Ich schmunzle im Geheimen über Bekannte, die für jede Gelegenheit ihre Pack- und Einkaufsliste parat haben. Und ehrlich gesagt, schmunzle ich auch über mich, dass ich als Listenskeptikerin genau so eine Liste erstellt habe, nachdem ich nach längerer Recherche nichts Brauchbares im Netz finden konnte. Der Impuls dafür entstand in meinen Train-the-trainer Seminaren. Immer wieder fragten mich Teilnehmer*innen nach einem Instrumentarium, das ihnen helfen kann, auch die kleinen Schritte der Seminarplanung und -durchführung im Auge zu behalten.
Mit der Checkliste verfolge ich mehrere Ziele: Hauptzielgruppe sind Trainer*innen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit der Weitergabe von Wissen betraut werden, dabei aber oft ins kalte Wasser der Trainer*innenpraxis geschmissen werden. Dabei ist es mir wichtig, dass diese
- erkennen, dass die Seminarplanung ein umfassender Prozess ist und die Qualität des Lernprozesses von vielen Faktoren mitbestimmt wird. Die Checkliste bricht diesen Prozess auf viele kleine Überlegungen und Aufgaben herunter und macht die Begleitung von Lernprozessen somit leichter überschaubar.
- qualitätsvolle Lernprozesse gestalten können. Gerade in der Erwachsenenbildung wird Lernen sehr oft mit passivem Konsumieren von Powerpoint-Präsentationen gleichgesetzt. Die Checkliste sollte Trainer*innen aufrütteln und anregen, sich wichtige Fragen zu stellen, die die Qualität von Lernprozessen positiv beeinflussen können.
- mit genügend Sicherheit ans Werk gehen können: Für viele Trainer*innen ist das Halten eines Seminars eine Zusatzaufgabe, die mit Enthusiasmus und Freude gemacht wird, aber oft auch Unsicherheit mit sich bringt. Die Checkliste soll Trainer*innen Sicherheit geben, indem sie Fragen und Aufgaben von der Auftragsklärung bis zur Nachbereitung auf den Punkt bringt und Orientierung gibt.
Auch Lust auf Listen bekommen? …. da fällt mir gerade ein: Eine Liste führe ich mit Freude und Überzeugung: Meine To-Do-Liste.
Doch nun zur Checkliste der Seminarplanung: Diese beinhaltet sechs wesentliche Schritte – sie startet mit der Auftragsklärung und endet mit der Nachbereitung. Dazwischen geht es um die Grob- und Feinplanung, aber auch um alle Schritte, die unmittelbar vor dem Seminar oder während der Abhaltung beachtet werden sollen.
Schritt 1: Auftragsklärung
Klären des Kontextes der Bildungsveranstaltung
- Was ist der inhaltliche Schwerpunkt der Bildungsveranstaltung?
- Warum findet diese statt?
- Ist die Bildungsmaßnahme Teil eines umfangreichen Qualifizierungsprozesses?
- Wenn ja: Was sind die übergeordneten Ziele? Welche Maßnahmen sind vorangegangen, welche folgen?
- Was sind die Inhalte/Ziele der einzelnen (anderen) Seminare?
- Ist dieses oder ein ähnliches Seminar schon einmal abgehalten worden?
- Wenn ja: Wie waren Ziele, Ablauf, Inhalte und Resultate?
- Wer beauftragt das Seminar? Welche typischen „Gepflogenheiten“ und Umgangsformen gibt es in dieser Organisation?
Klären von Fragen zu den Lernenden
- Wie viele Lernende sind zu erwarten/angemeldet?
- Was bringen sie mit? Mit welchen Erwartungen kommen sie?
- Welche Vorkenntnisse und Vorerfahrungen haben die Lernenden?
- Was sind ihre aktuellen Aufgaben und Arbeitsfelder?
- Was wissen die Lernenden bereits über das Ziel des Seminars und die Trainer*innen?
- Welche Vorerfahrung haben die Lernerinnen und Lerner mit innovativen/interaktiven Lernmethoden?
- Was erwarten sich die Lernenden vom Besuch des Seminars?
- Nehmen die Lernenden freiwillig teil oder werden sie geschickt?
- Wie divers ist die Gruppe in Bezug auf Alter, berufliche Herkunft, Erfahrungen?
- Wie schaut die konkrete Zusammensetzung der Gruppe aus? Wie gut kennen sie sich?
- Welche informellen Rollen und Hierarchien gibt es in den Gruppen? (z.B. Vorgesetzte/r und Mitarbeiter*innen unter den Lernenden)
- Welche latenten und offenen Konflikte sind zu erwarten/könnten auftreten?
Schritt 2: Grobplanung
Seminar-Organisation:
- Wo genau wird das Seminar stattfinden?
- Sind die Räume inkl. Zusatzräume und Ausstattung für die methodische Umsetzung geeignet?
- Wer übernimmt die Seminarorganisation? (Anmeldung, Buchungen etc.)
- Welche Infrastruktur kann genutzt werden? (Kopierer, Kantine, Bibliothek)
- Wer verfasst die Ausschreibungstexte? Wo werden diese publik gemacht?
- Wie wird die Bildungsveranstaltung beworben?
- Welche Zeitvorgaben (Anmeldefristen) sind zu beachten?
- Was sind die vertraglichen Rahmenbedingungen für die Trainer*innen? (Honorar/ Stornobedingungen/Vorbereitungskosten?
Zuständigkeiten
- Wer ist die Ansprechpartner*in für inhaltliche Fragen?
- Wer ist die Ansprechpartner*in für organisatorische Fragen?
- Wer übernimmt Administration der Anmeldungen?
- Wer kann bei der Vorbereitung der Materialien (Kopien) unterstützen?
- Wer nimmt wann mit den Lernenden Kontakt auf?
- Kann ich selbst bereits vorab Kontakt mit den Teilnehmenden aufnehmen?
- Trainiere ich alleine oder im Team?
- Wenn ja: Wie gestalte ich die Zusammenarbeit im Team? (Rollenklärung und Erwartungen im Team klären)
Grobplanung
- Was sind die genauen Lernziele? Wie lassen sich diese konkretisieren? Was bedeuten diese für die Umsetzung des Seminars?
- Was sind die wichtigsten Lerninhalte? Decken sich diese mit meinem Fachwissen? Fühle ich mich sattelfest oder brauche ich Vertiefung/Unterstützung?
- Tragen die Lerninhalte zum Erreichen der Lernziele bei? Stimmen diese überein?
- Sind die Lernziele erreichbar?
- Ist es realistisch, die geplanten Inhalte im vorgegebenen Zeitrahmen zu vermitteln?
- Wo kann/darf ich reduzieren? Was ist besonders wichtig?
- Was sind die wichtigsten Themen? Gibt es bestehende Unterlagen?
- Wie kann ich diesen Themenüberblick in einen groben Zeitplan (ein Überthema pro Seminareinheit) übersetzen?
- Wie ist der logische Ablauf: Was kommt zuerst? Was später?
- Wo braucht es Raum für Wiederholung und Praxistransfer?
Schritt 3: Feinplanung
Planung der einzelnen Seminarsequenzen
- Wie leite ich das Thema ein? Kann ich die zentrale Botschaft in einer Geschichte vermitteln?
- Was sind die zentralen Inhalte? Wie mache ich diese sichtbar (z.B. Flipcharts)?
- Welches Vorwissen ist vorhanden? Kann ich Lernende zum Teilen ihres Vorwissens einladen?
- Wie kann ich am besten an das Vorwissen der Lernenden anknüpfen und dieses erweitern?
- Welche Methode/Werkzeuge fallen mir ein? (Brainstorming)
- Welche Methoden unterstützt die Vermittlung der Lerninhalte am besten?
- Wo platziere ich diese Methode im Seminarablauf?
- Welche Gruppenkonstellation ist für die jeweilige Einheit sinnvoll?
- Gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Lernenden (Tandems, Dreier-Gruppe, halbe Gruppe)?
- Soll die Gruppeneinteilung frei gewählt oder von mir vorgegeben werden?
- Wie abwechslungsreich sind die verwendeten Methoden in Hinblick auf das gesamte Seminar?
- Spreche ich unterschiedliche Lerntypen an?
- Gehe ich auf unterschiedliche Wissensniveaus ein?
- Wo plane ich Aktivierungen? Unterstütze ich bewegtes Lernen?
- Können alle Lernenden mitmachen? (z.B. bei Aktivierungen)
- Gibt es genügend Gelegenheit, das Gelernte auszuprobieren?
- Werden die Inhalte wiederholt? (z.B. Rückblick, Einstieg, …)
- Unterstützen die geplanten Methoden das Erreichen der Lernziele?
Schritt 4: Konkrete Vorbereitung
- Präsentationsmaterial vorbereiten (Flipcharts, Powerpoint)
- Arbeitsaufträge für Gruppenarbeiten etc. vorbereiten
- Arbeitsmaterialien erstellen (z.B. Fallbeispiele, Praxisbeispiele, Handouts)
- Raumstellungen überlegen und mit Organisationteam absprechen
- Gruppeneinteilungen für jede Einheit überlegen
- Kontakt zu Lernenden aufnehmen (Vorbereitung etc.?)
- Unterlagen ausdrucken
- Ev. Pausenversorgung
Schritt 5: Durchführung
Vor dem Eintreffen der Lernenden
- Sind alle Arbeitsunterlagen bereitgestellt?
- Sind die Tische und Stühle entsprechend der Planung arrangiert?
- Sind genügend Pin-Wände und Flip-Charts vorhanden?
- Funktionieren die Marker?
- Ist der Raum gelüftet?
- Funktioniert die Technik?
- Namensliste noch mal durchgehen und Namen einprägen
- Tagesablauf überfliegen
- Lernende willkommen heißen 🙂
Während des Seminars
- Wie geht es den Lernenden? Nehmen alle aktiv teil? Wenn nein: Was kann ich tun, um alle ins Boot zu holen? Wie kann ich Viel-Redner*innen bremsen?
- Was ist der rote Faden? Wann will ich Diskussionen fördern und zulassen, wann ist es besser, diese zu kanalisieren?
- Stimmt mein geplanter Ablauf mit den Bedürfnissen der Lernenden überein?
In den Pausen:
- Lüften
- Ev. wie geht es uns als Trainer*innen-Team?
- Gibt es Bedarf für Einzelgespräche mit Lernenden (z.B. inhaltlichen Fragen, Gruppendynamik)?
- Vorbereiten der Materialien für nächste Einheit
- Adaptieren des Raumes
- Sichtbarmachen von Ergebnissen der Lerneinheiten (Flipcharts aufhängen)
- Für eigenes Wohl sorgen!!!
Ende des Seminartages: (allein oder Trainer*innenteam)
- Reflexion: Was ist gut gelaufen? Was nicht so gut? Warum?
- Braucht es Änderungen? Wie können diese konkret aussehen?
- Konnten die Lernziele erreicht werden? Ist etwas zu kurz gekommen?
- Wo können noch Lücken gefüllt werden?
Schritt 6: Nachbereitung
- Interne Nachbesprechung oder Reflexion im Team
- Aktualisieren und Anpassen der Seminarplanung für weitere Durchführung
- Erstellen und Versenden des Flipchart-Protokolls
- Versprochene Zusatzmaterialien zur Verfügung stellen (z.B. Lernplattform)
- Versenden der Evaluierungsbögen
- Nachbesprechung mit Bildungexpert*innen und/oder Auftraggeber*innen
Ganz schön viele Fragen und Aufgaben, die eine qualitätsvoller Lernprozess mit sich bringt! Fallen dir noch weitere Schritte ein, die dir persönlich wichtig erscheinen? Dann lade ich dich herzlich ein, mir ein Kommentar zu hinterlassen!
Damit du die Checkliste gut verwenden kannst, findest du sie HIER auch noch als PDF zum Download!
Mit dem #dimi_16 endet die Intensivphase des didaktischen Mittwochs. Das ist auch ein guter Zeitpunkt, noch einmal kurz zurückzublicken. Im #dimi_01 stellte ich mich selbst und den #dimi vor und kündigte an, dass dieser auch als Train-the-trainer-Selbstlernkurs dienen kann. Wie ist es dir damit ergangen? Was hat dir – auch als regelmäßige Leser*in – gefallen und weitergeholfen? Ich würde mich sehr über einige Rückmeldungen und Kommentare freuen!
Mir persönlich hat das Schreiben sehr viel Spaß gemacht. Es war eine tolle Gelegenheit, meine Gedanken zu ordnen und zu überlegen, wie ich meine Erfahrungen auf den Punkt bringen und sowohl Erfahrene als auch Neuzugänge der Trainer*innen-Community zum Nachdenken anregen kann. Sehr gefreut haben mich die Mails, Nachrichten und Likes, die mich von interessierten Leser*innen erreicht haben.
Und nun gibt es nur noch zu sagen: Der #dimi wird nicht mehr in einem zweiwöchigen Abstand in deine Mailbox flattern. Ab jetzt gibt es den #dimi einmal im Quartal. Für spannende Themen ist schon gesorgt! Solltest auch du Ideen und Wünsche haben, freue ich mich aber immer über Anregungen.
Ich hoffe, du bist auch dann wieder als Leser*in dabei.
Checklist zum Download (PDF 134KB)
Zum Weiterlesen
Qualität ist kein Zufall von der REFAK
Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.
Autorin: Margret Steixner
Lust auf mehr? Zu allen Beiträgen der Serie kommst du HIER!
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