Qualitätvolle Lernmaterialien entwickeln, teilen und nutzen
Wissensvermittlung profitiert von der gezielten Aufbereitung der Lerninhalte. Doch wie entwickle ich als Trainer*in gute Lernmaterialien, die das Erreichen der Lernziele unterstützen und vorantreiben? Welche Ressourcen darf ich verwenden und wie kann ich sie verändern und an meine Zielgruppe anpassen, ohne dabei Urheberrechte zu verletzen?
Dieser Blogbeitrag beschreibt, was du als Trainer*in bei der Entwicklung qualitätvoller Lernmaterialien beachten solltest. Klingt interessant? Dann klick doch gleich auf Weiterlesen!
Die Aufgabe der Wissensvermittlung ist neben der Entwicklung von „Soft-Skills“ Teil der meisten Bildungsveranstaltungen. Dabei stellt sich die Frage, wie wir als Trainer*innen die Lerninhalte in einer geeigneten Form für die Zielgruppe aufbereiten und an welchen Qualitätsstandards wir uns dabei orientieren können. Jöran Muuß-Merholz bricht eine Lanze für ein anspruchsvolles und seriöses „Copy & Paste“-Prinzip, das Teil unser Bildungslandschaft ist und auch sein soll.
Wissen aufzubereiten und weiterzugeben zählt schließlich zu den Kernaufgaben der Erwachsenenbildung. Dass dabei die Quellen offen zu legen sind und Plagiate auch im Bildungsbereich zu vermeiden sind, steht für mich außer Frage. Doch es gibt einen feinen Unterschied. Im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Arbeit, bei der ich Argumente oder Studienergebnisse diskutiere, geht es bei der Erstellung von Lernmaterialien um die didaktisch wertvolle Aufbereitung von Inhalten zum Zwecke der Wissensvermittlung.
Beim Erstellen von Lernmaterialien ist es unsere Aufgabe, komplexe Themen so darzustellen, dass sie den Lernprozess optimal unterstützen. Die Frage, wie bestehendes Material weiterverarbeitet und verändert werden darf, ist deshalb für den Bildungsbereich besonders relevant. Um verständlich zu machen, was ich mit Lernmaterialien verstehe, hier ein Beispiel aus der Basisbildung, das sowohl die inhaltliche Aufarbeitung des Themas Arbeitsrecht, als auch konkrete Kopiervorlagen für Lernsequenzen umfasst.
Meine Gedanken zur Qualität von Lernmaterialien habe ich in drei Fragebereiche unterteilt:
1. Erstellung: Wie erstelle ich qualitätvolle Lernmaterialien? Was sollte ich dabei beachten?
2. Teilen: Welche Kriterien sind relevant, wenn ich Lernmaterialien anderen zu Verfügung stellen will oder bestehendes Material nutze?
3. Nutzung: Wo finde ich qualitätvolle Lernmaterialien, die ich für mein Training nutzen kann?
Nun mal Schritt für Schritt….
1. Wie erstelle ich qualitätvolle Lernmaterialien? Was sollte ich dabei beachten?
Die Kriterien lassen sich in mehrere Teile untergliedern:
Der erste herausfordernde Schritt ist die Auswahl der passenden Inhalte, mit dem Ziel das Thema umfassend aber in einer verdaubaren Form aufzubereiten. Hilfreich dabei ist das Konzept der didaktischen Reduktion, das ich im hier sehr detailliert beschrieben habe. Neben dem Umfang der Lerninhalte steht und fällt die Qualität auch mit einer klaren und nachvollziehbaren Struktur, die wesentlich zum Lernerfolg beiträgt.
Grundsätzliche Fragen, die ich mir beim Erstellen von Lernmaterialien stelle, sind:
- Stimmt der Umfang der Lerninhalte mit dem Thema und den Lernzielen des Trainings überein?
- Unterstützen die Lernmaterialien den Lernprozess und wecken sie das Lerninteresse?
- Verwende ich eine klare und verständliche Sprache, die für alle Teilnehmer*innen zugänglich sprich inklusiv, gendersensibel und diskriminierungsfrei ist?
- Decken die gewählten Beispiele ein breites Spektrum der gesellschaftlichen Realität ab und beziehen sie auch Minderheiten oder benachteiligte Gruppen ein?
Weitere hilfreiche Fragen, der Universität Bremen findet du hier.
Kriterien, die in Bezug auf die Lerninhalte zu beachten sind, umfassen die Aktualität der Inhalte sowie die Überprüfung der jeweiligen Quellen. Hier genau zu sein ist gerade in Zeiten von „Doktor Google weiß alles“ ein wesentliches Qualitätsmerkmal bei der Erstellung von Lernmaterialien. Die Lernenden können zurecht fragwürdige Inhalte mit einer schnellen Internet-Recherche überprüfen und damit auch die Trainer*in in einen Argumentationsnotstand bringen.
Bei der Erstellung von Arbeitsaufträgen und Übungen, die ebenso zu den Lernmaterialien zählen, können folgende Qualitätskriterien zur Anwendung kommen:
- Klare und verständliche Beschreibung der Aufgabe im Sinne des angestrebten Lernziels
- Beschreibung der Arbeitsschritte inkl. klare Angabe zum erwarteten Endprodukt (z.B. Flipchart mit 5 wichtigsten Fakten)
- Zeit- und Sozialstruktur z.B. Einzel- oder Gruppenaufgabe, ev. mit Rollenvorgaben
Eine spannende und zeitgemäße Form der Aufbereitung ist das Erstellen von Lernvideos, die ich in einer umfassenden Weise in mein Training mit oder ohne blended learning-Aspekten integrieren kann. Hier findest du eine sehr gute Anleitung zur Erstellung von Lernvideos.
Habe ich weder Mühe noch Aufwand in der Entwicklung toller Unterlagen gescheut, macht es Sinn, diese auch anderen zur Verfügung zu stellen und im Gegenzug auch auf die Ressourcen anderer zuzugreifen. Doch:
2. Welche Kriterien sind relevant, wenn ich Lernmaterialien anderen zu Verfügung stellen will oder bestehendes Material nutze?
Die Antwort auf diese zwei Fragen lässt sich mit einem Begriff zusammenfassen: Das Urheberrecht. Dieses wirkt oft dem freien Teilen von Wissen und Materialien entgegen. Die europäische Kommission versuchte 2013 in einer Mitteilung an die Mitgliedsländer dieser Tendenz entgegenzuwirken und das Teilen von Ressourcen im Bildungsbereich im Sinne der Öffnung der Bildung voranzutreiben.
Die „Ökonomie des Gebens und Nehmens“ hat sich in der Bildungswelt unter dem Begriff OER (Open Educational Resources) etabliert. OER ist ein Sammelbegriff für unterschiedlichste Materialien, die mithilfe einer etablierten Lizenzierung – häufig Creative Commons – frei zur Verfügung gestellt werden. Dies kann sowohl Lernvideos, Bild- und Fotomaterial als auch Skripten und Handbücher betreffen. Eine klare Lizenzierung schützt die Autor*innen, indem diese festlegen, wie das Material genutzt werden kann.
Die Lizenz hilft auch den Nutzer*innen, die somit wissen, ob und in welcher Form sie das Material weiterverwenden können. Teilen und Nutzen wird somit einfacher und auch sicherer. Denn schlussendlich will ich als Autorin weder Gefahr laufen, dass meine Arbeit von anderen ohne eine Namensnennung weiterverwendet wird, noch will ich selbst in die Situation kommen, urheberrechtlich geschütztes Material zu verwenden. Häufige Fragen, die sich in Bezug auf OERs stellen, werden hier beantwortet.
Wer sich für weitere Details interessiert, findet dazu verschiedenste Materialien und Online-Kurse, die ganz dem Motto „Sharing is Caring“ entsprechend frei zugänglich sind.
Nun bleibt nur noch eine offene Frage:
3. Wo finde ich qualitätsvolle und frei verfügbare Lernmaterialien, die ich für mein Training nutzen kann?
Der REFAK-Blog selbst kann als eine wunderbare Plattform genannt werden, auf der qualitätsvolle Beiträge zu einem breiten Spektrum der (gewerkschaftlichen) Erwachsenenbildung frei zur Verfügung gestellt werden. Alle hier veröffentlichten Beiträge sind unter einer Creative Commons-Lizenz lizenziert und werden einer redaktionellen Qualitätskontrolle unterzogen. Von theoretischen Beiträgen über Methoden und Werkzeugkoffern bis hin zu konkreten Übungen, die du 1:1 für dein Training übernehmen kannst, findest du hier fast alles. Diese kleine Werbeeinschaltung hat sich der REFAK Blog eindeutig verdient. Schließlich wurde er im letzten Jahr fast 40.000 Mal im deutsch- und englischsprachigen Raum aufgerufen.
Die große Herausforderung bei der Nutzung von Lernmaterialien ist die systematische Suche. Internationale oder deutschsprachige Plattformen zur Verbreitung von „Open Educational Resources“ unterstützen das Anliegen, Bildung und Bildungsressourcen offen zugänglich zu machen. Wenn dich diese Plattformen überwältigen, findest du hier weitere Hinweise, die bereits für Trainer*innen der Erwachsenenbildung aufbereitet wurden oder Themen der politischen Bildung abdecken.
Ich hoffe, dass dir der Blogbeitrag geholfen hat, mehr Klarheit über die Qualität und das Teilen von Lernmaterialien zu bekommen. Und wenn du immer noch nicht genug hast, gibt’s hier
Material zum Weiterlesen:
- Mariacher, Christian (2021): Lernmaterialien gut gestalten. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt (UTB Schulpädagogik, 5597).
- Muuß-Merholz, Jöran (2018): Freie Unterrichtsmaterialien finden, rechtssicher einsetzen, selbst machen und teilen. Mit Online-Materialien und E-Book inside. 1. Auflage. Weinheim: Julius Beltz GmbH & Co. KG.
Frei zugängliche Online-Kurse
- Massachusetts Institute of Technology
- Kostenlose Online-Kurse auf Hochschulniveau – Österreich
- Free learning at OPEN UNIVERSITY
Autorin: Margret Steixner
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