#thedi: Engagierte Pädagogik: bell hooks

Quelle: Sociological Cinema https://www.thesociologicalcinema.com

„I will not have my life narrowed down. I will not bow down to somebody else’s whim or to someone else’s ignorance.“
(bell hooks und Maya Angelou im Gespräch 1998)

„Ich lasse mir mein Leben nicht einschränken. Ich werde mich nicht der Laune oder der Unwissenheit anderer beugen.“
(Übersetzung S.V)

Was kann gewerkschaftliche Bildung von feministisch-queerer Bildungsarbeit lernen? Oder besser formuliert vielleicht, was verbindet beide, was macht sie einander ähnlich?

Anfangen möchten wir die Auseinandersetzung mit dieser Frage mit einem Beitrag zu Gloria Watkins, bekannt als bell hooks. Sie war eine schwarze Pädagogin, Feministin und Aktivistin und starb im Dezember 2021 mit knapp 70 Jahren, viel zu früh. bell hooks war eine Wegbereiterin der feministischen Reflexion über Paulo Freire, den brasilianischen Basisbildner, Erwachsenenbildner und Kämpfer für eine Pädagogik der Unterdrückten: eine Pädagogik, die den Unterprivilegierten Handlungsmacht und kritisches-queeres Bewusstsein ermöglicht. Ihre Bildungspraxis steht – wie die von Paulo Freire – gegen Anpassungsbildung, also gegen eine Bildung, die ein Verständnis für die Welt der Reichen als einzige Welt erzeugt und nur den Interessen der Wirtschaft dient. bell hooks steht wie Freire für eine Pädagogik und Bildungspraxis, die den Unterdrückern und Schönredner:inen dieser kapitalistisch-patriarchalen und rassistischen Welt und den Ausbeuter:innen Angst macht. hooks bezeichnete ihre Bildungspraxis als „engaged“, das heißt engagiert, aber auch standpunktbezogen oder auch den Unterprivilegierten, Schwarzen (People of Color) und Frauen verpflichtet.

„We find ourselves confronted with a clear option: to educate for liberation or to educate for domination”
(bell hooks 1989, talking back, S. 101)

Wir sehen uns mit einer klaren Wahl konfrontiert: Bildung zur Befreiung oder Erziehung zur Herrschaft“.
(Übersetzung S.V)

Queer denken – ja bitte.

Alex Lozupone (Tduk), CC BY-SA 4.0: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0

bell hooks beschrieb „Queerness“ als ein „in der Welt mit anderen Sein“, das ständig im konstruktiven Widerspruch zu allem Anderen steht. Im Widerspruch nicht ausschließlich durch eigene Wahl, sondern auch durch die Klassenposition und durch die Hautfarbe, sowie das Geschlecht. bell hooks schreibt in „Where We Stand: Class Matters“ (2000) über die Lebens-Bedingungen einer schwarzen Arbeiterklasse, über den Mangel an Wohnraum und Geld, über versteckte Kosten des Bildungssystems und über die Widersprüchlichkeiten, die Bildungsaufsteiger*innen zu ertragen haben, als Fremdkörper und Außen im vermeintlich neutralen System der Bildung. Ein Bildungssystem, für das Weiß-Sein, Mittelschicht-Werte und Mittelschicht-Kultur – neben anderen Charakteristika – unhinterfragte, unsichtbare Normalität darstellen. bell hooks schreibt dazu Folgendes: „Es ist eine Aufgabe emanzipatorischer Bildung, ein kritisches-queeres Bewusstsein zu erreichen, das nicht alles für sicher hält („not to take so much for granted” (hooks 2000, S. 27)), ein Bewusstsein, das sich nicht selbst ohne viel Nachzudenken als vernünftig und universell über alle anderen setzt.“

Ihre Texte sind praktisch, alltagsrelevant und aus dem Alltag einer Lehrerin und Erwachsenenbildnerin gesprochen. Es ist kein leeres Gelaber über Qualität, Anrechenbarkeit und Employability. bell hooks versteht das scheinbar Private und Selbstverantwortete als politisch, als veränderbar, als solidarisch gestaltbar. Sie steht auf, gegen die Zurufe von allen Seiten, nicht dagegen – queer – sondern dafür zu sein, für den Markt, für die Nation, für den Profit. hooks betont, unser Leben ist nicht schicksalhaft, nicht von Markt, Natur oder Evidenz getrieben. Unser Leben ist geworden in politischen Umständen der Herrschaft, des Rassismus und des Patriachats. Es ist also gestaltbar, wie wir leben.

Das Ziel von Bildung ist kritische Bewusstwerdung – also eine andauernde kritische Reflektion des Gegebenen und des eigenen Standortes, über Selbstbewusstsein, über Bildung, Arbeit, Selbstorganisation und Demokratie, Zusammenarbeit, Solidarität und rassistische und klassistische Spaltungen. Aber auch über Liebe, Emotion und Humor als Aspekte von Bildung. Ziel von Bildung im Verständnis von bell hooks ist Engagement, nicht Kompetenz, Employability oder Resilienz und Willigkeit, sich ausbeuten zu lassen – eine Vorstellung von Bildung, die auch die gewerkschaftliche Bildungsarbeit prägt.

bell hooks beschreibt und zeigt was engagierte Pädagogik bedeutet,  sie bedeutet den Arbeitenden, den People of Color und den Frauen verpflichtet zu sein. Bildung ist nichts Drohendes, Fehlendes, sie ist nicht nur Reaktion auf Krisen. Bildung mit bell hooks ist lustvoll, befreiend und queer.

Zum Weiterlesen

  • bell hooks (2021): Feminismus für Alle, Münster: Unrast.
  • bell hooks (2000): Where We Stand: Class Matters, New York-London: Taylor and Francis.
  • bell hooks (2014): Talking Back. Thinking Feminist, Thinking Black, London: Routledge.
  • Melvin Cleod (1998): There´s no Place to Go But Up” – bell hooks and Maya Angelou in conversation, HIER online abrufbar (17.02.2022)
  • Eine Biografie von bell hooks findet sich auf der Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würtemberg.

Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.

Autor: Stefan Vater

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