Seminardokumentation: Wer moderiert? Wer räumt auf?

Geschlechterdemokratie in der gewerkschaftlichen Bildung

27. – 29. März 2019

Trainer_innen: Simon Fetz und Margret Steixner

Der Titel mag zunächste täuschen: Nein,  dieses Seminar ist kein Moderationsseminar. Es geht um das Thema Gender und um Fragen, die wir uns in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen*, Männern* und aller Menschen unabhängig ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität in der gewerkschaftlichen Bildung zu stellen haben.

Unsere Lernziele definieren wir wie folgt:

Die Teilnehmer_innen….

  • Reflektieren ihre eigenen Bilder von Geschlecht, ihre Vorbildwirkung auf Teilnehmer_innen und ihre Erwartungen gegenüber Frauen und Männern als Basis für den Aufbau einer geschlechtersensiblen Haltung
  • Verfügen über praxisorientiertes Wissen und über theoretische Zugänge zu Geschlecht und Geschlechterverhältnissen
  • Sind in der Lage Geschlechterdynamiken in Gruppen zu reflektieren und ermöglichen allen Teilnehmer_innen Möglichkeiten zur Teilhabe
  • Verfügen über Wissen in Bezug auf geschlechterpolitische Anforderungen der Gewerkschaftsarbeit

Tag 1

Der erste Tag steht unter dem Motto der (biografischen) Spurensuche und der Annäherung an das Thema „Gendersensibilität“. Wir starten mit dem Kennenlernen der Gruppe und der Klärung von Vereinbarungen im Umgang miteinander. Da wir die Seminargruppe als wichtigen Lern- und Beobachtungsraum in Bezug auf Gender nutzen wollen, ist es uns ein Anliegen, den Rahmen des Miteinanders zu klären und abzustecken.

Wir nutzen dazu Kommunikations- und Gesprächsansätze wie sich auch im „Social Justice and Diversity Training“ verwendet werden. Dabei ist es grundlegend beim miteinander Sprechen eine Haltung zu entwickeln, die es vermeidet Personen anhand oberflächlicher Merkmale bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben. Zudem geht es darum einen Modus der Kommunikation zu finden, der gemeinsames Nachdenken und fragendes Vortasten anstatt sich-durchsetzen-wollen und Selbstinszenierung ermöglicht.

 

 

 

 

 

 

 

Orientierung und Einstieg ins Thema

In einem „Gallery Walk“ bekommen die Teilnehmer_innen die Impulse für die Auseinandersetzung mit einigen relevanten Themen rund um Geschlechterdemokratie und Gender.

Frauenpolitische Ereignisse können in einer Zeitachse rekonstruiert werden. Die Ereignisse lassen sich auch hier nachlesen: factsheet_150_jahre_frauenrechte (PDF, 216KB)

 

 

 

 

 

An weiteren Stationen gibt es Fakten zum Gender Pay Gap und zur Väterkarenz.

Die kontrovers diskutierte Gillette Werbung nutzen wir als Impuls für die Auseindersetzung verschiedenen „Männlichkeiten“ und deren Veränderbarkeit – z.B. von gewaltvoll und autoritär in Richtung sorgsam und verletzlich.

Das Video Geschlechtliche und Sexuelle Vielfalt vom Dissens Institut in Berlin führte in wichtige Begriffe rund um die Themen sexuelle Orienteriung und Geschlecht ein. Diese Begriffe konnten mit anderen Teilnehmer*innen besprochen werden, um das Verständnis zu festigen und aufkommende Fragen festzuhalten.

 

 

 

 

Biografische Spurensuche:

Der Nachmittag des ersten Tages ist der Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie gewidmet. Die Teilnehmer_innen reflektieren anhand eines Fragenkatalogs Situationen aus ihrem eigenen Leben, in denen ihr Geschlecht einen Einfluss auf Möglichkeiten, Zukunftspläne oder Erwartungen hatte. In Kleingruppen werden prägende Anekdoten erzählt und geteilt. In der Gesamtgruppen versuchen wir diese auf die Metaebene zu heben und zu erkennen, welche gesellschaftliche Dynamiken sich hinter den Geschichten verbergen und inwiefern diese vom gesellschaftspolitischen Diskurs der jeweiligen Zeit beeinflusst wurden.

Anschließend setzten wir uns nochmals vertieft mit dominanten Vorstellungen und Zuschreibungen in Bezug auf „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ auseinander. So konnten auf Basis unserer lebensweltlichen Erfahrungen herausarbeiten, wie „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ als binäre Gegensätze konstruiert werden. Auch dem Begriff „Heteronormativität“ schenkten wir an dieser Stelle nochmals unserere Aufmerksamkeit.

 

 

 

 

 

 

 

Tag 2

Formen der Diskriminierung und Ermächtigung

Am zweiten Tag befassen wir uns mit Formen der Diskriminierung und Ermächtigung. Die Power-Flower dient als Sensibilisierung für mögliche Privilegien, die meist mit sozialen Machtverhältnissen zu tun haben. Ein theoretischer Input beleuchtet Formen der Diskriminierung anhand des Modells der Strukturellen Diskriminierung, in welchem Diskriminierung auf drei Ebenen verortet wird: auf einer individuellen, einer kulturellen und einer institutionellen Ebene.

Mit Hilfe von zwei Fallbeispielen arbeiten wir an alltäglichen beruflichen Situationen, in denen die unterschiedlichen Formen der Diskriminierung sichtbar werden. Ein Besuch von Frau Bianca Schrittwieser, Expertin der Abt. Frauen und Familie der Arbeiterkammer Wien, ermöglicht es den Teilnehmer_innen Fragen über mögliche Interventionen, z.B. bei sexueller Belästigung, aber auch zum Umgang mit Gleichstellungsthemen am Arbeitsplatz zu stellen.

Folgende Broschüren werden von ihr empfohlen:

Ein Lern- und Beobachtungsausgang

Am Nachmittag besuchen wir gemeinsam die Ausstellung zu 100 Jahre Frauenwahlrecht im Volkskunde Museum Wien. Hier bekommen die Teilnehmer_innen einen Überblick über wichtige historische Entwicklungen zum Thema Geschlechterdemokratie. Wir nutzen auch den Weg ins Museum, um zu Beobachten, wie Genderrollen im Alltag gelebt und dargestellt werden, z.B. in der Kinderbetreuung, Berufen und in der Benennung von Straßen.

Tag 3

Argumentieren und Zivilcourage

Am letzten Tag des Trainings setzen wir uns konkret mit Handlungsoptionen auseinander. Wie können wir sexistische Parolen erkennen und dagegen einstehen. Wir arbeiten hierbei mit dem Buch No more Bullshit.

 

 

 

 

 

 

 

Dieses enthält nicht nur gute Strategien zum Umgang mit sexistischen Stammtischparolen, sondern liefert auch fundierte Argumentationshilfen zu Themen wie Gender Pay Gap, vermeintliche Diskriminierung von Männer und das Argument leider keine Frau für’s Podium gefunden zu haben.

Abschließend erarbeiten wir gendersensible Haltungen in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und konkretisieren die Umsetzungmöglichkeiten in der eigenen Praxis.

Drei intensive Tag mit vielen interessanten Einsichten. Danke an alle für’s Mitmachen.

Literaturhinweise

  • Über Geschlechterverhältnisse in der politischen Bildung schrieben Doneit/Lösch/Rodrain-Pfenning (Hg.): Geschlecht ist politisch. Geschlechterreflexive Perspektiven in der politischen Bildung
  • Eine gute Einführung in das Feld der Geschlechterforschung gibt Raewyn Connell in dem Buch Gender
  • Ein moderner Klassiker, der feministische Themen alltagsnah und schlagfertig vermittelt ist das Buch Untenrum frei von Margarete Stokowski
  • Warum Feminismus für alle Menschen befreiend sein kann beschreibt bell hooks in feminism is for everybody (es gibt leider keine deutsche Übersetzung)
  • Denjenigen, die gerne Comics oder Graphic Novels lesen, seien die Bücher von Liv Strömquist Der Urpsrung der Welt oder Der Ursprung der Liebe empfohlen – feministische Theorie in bunten Bildern.

Die Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.

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