#legamo: Handlungsfähigkeit

© Pixabay

Im 8. (und fast letzten) Beitrag der Serie zur Lehrgangsbegleitung dreht sich alles um die Handlungsfähigkeit. In der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung geht es – wie bereits mehrfach erwähnt – nicht nur um reine Wissensvermittlung. Wir wollen mit unseren Angeboten Menschen stärken, damit sie in ihrer Rolle als Betriebsrät:innen, Personalvertreter:innen, Gewerkschafter:innen, etc. handlungsfähig werden und bleiben. Dies bedeutet, das erworbene Wissen stimmig – im Sinne der Arbeitnehmer:innenbewegung – in der Körperschaft, im Betrieb, in der Branche und in der Gesellschaft einsetzen zu können. Und all das ohne in die Überforderung oder gar in ein Burnout zu kommen!

Die Grenzen der Belastbarkeit

Ein Hauptmerkmal von Gewerkschafter:innen ist häufig ihr ausgeprägtes soziales Gewissen, ihr Gerechtigkeitssinn und ihr starkes Engagement sowie der Wille (mit) zu gestalten. Sie arbeiten oft vor dem Hintergrund unterschiedlichster – teils sehr widersprüchlicher – Rollenanforderungen: zwischen Kolleg:innen, Management, rechtlichen Anforderungen und ihrem eigenen Anspruch. Durch ihr hohes Verantwortungsbewusstsein auf der einen Seite und der Konfrontation mit den Grenzen der eigenen Macht- und Einflussmöglichkeiten kann die Gesundheit leiden. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern die Voraussetzung für langfristiges Engagement.

Handlungsfähig sein – mehr als Wissen allein

Wissen allein reicht nicht. Wer schon mal versucht hat, im Betrieb gegen den Wind zu argumentieren, weiß: Es braucht Haltung. Es braucht Klarheit über die eigenen Werte. Und es braucht den Mut, für andere einzustehen – auch wenn es schwierig wird. Hierzu ist es wichtig, im Rahmen der Lehrgangsbegleitung, immer wieder Raum zu geben um sich die Sinnfrage zu stellen. Warum mach ich es? Warum engagiere ich mich? Frei nach Friedrich Nietzsche: Wer ein Warum hat, kann jedes Wie ertragen.

Was heißt eigentlich handlungsfähig sein?

© Lana Lauren

Handlungsfähigkeit heißt: Ich kann etwas tun. Ich erkenne, was gebraucht wird – und ich habe die Mittel, das Wissen, den Raum, die Kraft und den Rückhalt, um zu handeln. Nicht kopflos, sondern stimmig. Im Sinne unserer gemeinsamen Ziele: Gerechtigkeit, Solidarität, Mitbestimmung.

Das beginnt im Kleinen – zum Beispiel in einer Gremiensitzung, wenn wir uns trauen, eine unbequeme Meinung zu sagen. Es geht weiter im Betrieb, wenn wir Beschäftigte für ein gemeinsames Anliegen gewinnen. Und es reicht bis hinein in unsere Gewerkschaft, in unsere Branche, in gesellschaftliche Debatten beim Mittagessen mit Familie oder Freunden.

Kenne deine Rolle

Handlungsfähig zu sein heißt aber auch: Ich kenne meine Rolle. Ich weiß, wo ich stehe – und auch, wo meine Grenzen sind. Denn wer sich dauernd überfordert, läuft Gefahr, auszubrennen. Dauerhafte Handlungsfähigkeit braucht also auch Selbstsorge, Austausch, Pausen, und Strukturen, die tragen.

Bildung als Raum für Entwicklung

In unseren Bildungsangeboten schaffen wir Räume dafür. Räume, um Wissen zu teilen – ja. Aber auch Räume, um sich zu stärken. Um sich zu verorten. Um die eigene Rolle klarer zu sehen. Und um sich gegenseitig Mut zu machen. Denn Handlungsfähigkeit entsteht nicht allein. Sie wächst im Miteinander. Diese Räume sind Abende, wo die Gruppe im Rahmen der Lernprozessbegleitung Reflexions- und Austauschmöglichkeiten findet. Hier wird die eigene Haltung reflektiert und gestärkt. Hier werden Netzwerke gebaut die stärken und stützen.

Die Lehrgangsgruppe kann ein Raum der gegenseitigen Wertschätzung, Anerkennung und des Austausches sein. Oft höre ich von (ehemaligen) Teilnehmer:innen, wie wichtig die Gruppe für sie ist/war. Im Betrieb fühlen sie sich häufig als Einzelkämpfer:innen, von allen Seiten in Bedrängnis. In der Gruppe erfahren sie Zugehörigkeit, Verständnis und Bestärkung.

Handlungsfähigkeit braucht Spielraum

Handlungsfähig zu sein bedeutet, immer einen Spielraum zu haben. Nicht zu MÜSSEN, sondern zu KÖNNEN. Einmal loszulassen, sich nicht für jede Ungerechtigkeit zuständig zu fühlen, sich abzugrenzen, zu genießen, auf sich zu schauen. Ohne schlechtes Gewissen. Dies können wir vorleben, indem wir selbst in der Bildung nicht zu „perfekt“ sind, etwas von uns herzeigen und uns damit auch angreifbar machen. Angreifbar im Sinne von verletzlich, hinterfragbar, aber auch angreifbar im Sinne von nicht abgehoben, moralisch und sonst wie, drüberzustehen.

Autor: Markus Reisinger

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich Lizenz.
Volltext der Lizenz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.