#grumo_31: Das Ende naht: Die Kunst einen guten Abschluss zu finden

Die Pausen zwischen den Treffen unserer fünf Expert*innen werden immer länger: Paul hat viel mit dem Umzug zu tun, Beate hat ihre Unterrichtstätigkeit an der Uni begonnen und Rudi geht ganz in seiner mittlerweile vier Monate alten Rolle als Großvater auf. Nach einer Befindlichkeitsrunde, die diesmal etwas länger dauert, weil alle viel zu erzählen haben, starten die fünf ins heutige Thema: Abschied, Abschluss und ein gutes Ende finden.

Ein gutes Ende finden ist gar nicht so einfach. Bei Seminaren ist gegen Ende die Hälfte der Gruppe oft schon mit dem „danach“ beschäftigt. Die Aufmerksamkeit ist nicht mehr so ganz bei der Sache, die Atmosphäre wird distanzierter. Hier treten auch wieder verstärkt unterschiedliche Bedürfnisse zu Tage: Die einen wollen einen langen und ausführlichen Abschied, mit viel Platz für Austausch und Reflexion, die anderen ein schnelles Ende mit einem kurzen Abschluss. Bruce Tuckman hat seinen vier Gruppenphasen: forming – storming – norming performing später noch eine letzte Phase – adjourning – beigefügt. In der geht es darum, ein gemeinsames Ende, einen gemeinsamen Abschluss zu finden. Vor allem bei unstrukturierteren Gruppen – Teams, die lange miteinander arbeiten, Projektgruppen, die für ein bestimmtes Thema zusammenkommen, oder Gruppen mit offenem Ende – so wie unsere Exptert*innengruppe – wird dem Ende oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Prioritäten und Aufmerksamkeit

„Wenn man uns so zuhört: unsere Prioritäten haben sich einfach verschoben.“ Beate leitet aus der Blitzlichtrunde über zum heutigen Thema. „Es ist ja auch ganz logisch, dass Dinge sich ändern oder enden. Jedes Seminar, jeder Lehrgang ist irgendwann zu Ende. Also auch eine selbst organisierte Gruppe, es ist nur unklarer, wann das ist. Es erfordert mehr Koordination und mehr Eigenverantwortung.“ Die Gruppe hat den Umzug von Paul (seine Frau hat einen Job in einer anderen Stadt bekommen und die Familie bereitet sich gerade auf den Umzug vor) zum Anlass genommen, darüber zu reflektieren, wie es mit den anderen weitergeht. Tendenziell haben sich die Aufmerksamkeit und die Prioritäten von allen verschoben, regelmäßige Treffen scheinen nicht mehr den gemeinsamen Bedürfnissen zu entsprechen. „Mich macht das schon ein wenig traurig“, bietet Yasemine der Gruppe ihre Emotion mit dem Thema an. „Es ist gut für mich, wenn wir uns entscheiden, unsere regelmäßigen Treffen aufzugeben, aber ich finde wir sollten den Abschluss schon ordentlich zelebrieren.“

Erfolge feiern, Ergebnisse sichern, Transfer planen, Abschiede zelebrieren

Yasemine spricht damit einen Punkt an, für den die Adjourning-Phase besonders wichtig ist: gemeinsam noch einmal auf den Prozess schauen, Ergebnisse sichern und Erfolge feiern, einen Transfer in die Zeit „danach“ finden und den Abschied ordentlich zelebrieren. Bei kurzen Seminaren kann das in einer kürzeren Zeit erledigt sein, bei lange bestehenden Gruppen oder Lehrgängen sollte für den Abschluss ordentlich Zeit eingeplant sein.

Schnell sind sich unsere Expert*innen einige, dass sie noch zwei Treffen für den Abschied einplanen werden. Im nächsten Treffen soll es um Reflexion, Ergebnissicherung und Transfer gehen und im letzten Treffen dann um die Lieblings-Abschlussrituale von jedem und jeder einzelnen. Rudi sitzt ein bisschen nachdenklich da und überlegt laut: „Das klingt jetzt blöd, aber ich glaub, ich hab noch nie auf den Abschluss vergessen. Ist euch das schon mal passiert und wie war das für die Gruppe?“ Beate schaut ihn an und grinst: „Ich denk, das ist wie bei Beziehungen: Man erfährt nicht unbedingt, ob man sie in den Augen aller Betroffenen ordentlich beendet hat.“ Rudi wird rot, muss aber dann auch lachen. Da nach dem Beenden das Ende kommt, ist es natürlich nicht immer feststellbar, ob für jemanden noch etwas offen geblieben ist. Beate resümiert, dass es nur möglich ist, sich als Seminarleitung dafür zuständig zu fühlen und Raum dafür zu geben. „Für mich ist das ein bisschen wie der Anfang: Da muss ich wieder mehr Verantwortung übernehmen, auch wenn davor die Gruppe schon sehr selbstverantwortlich war. Und ich überlege mir das Ende wieder konkreter. So wie bei einer Rede oder Moderation: Da schreib ich mir auch meistens den ersten Satz und den letzten Satz auf, damit ich bei denen nicht zu stottern beginne.“

Es ist Zeit für etwas Neues

Maria reibt sich die Augen. „Jetzt wird mir auch ganz wunderlich zu Mute. Ich hab eigentlich nicht gedacht, dass es für uns alle so klar ist, dass wir unseren Prozess so, wie er war, jetzt mal abschließen.“ Die anderen nicken, es geht allen überraschend ähnlich: Es ist Zeit für etwas Neues. „Mich würd auch noch interessieren wo es Euch jetzt hinzieht. Vielleicht können wir das bei nächsten oder übernächsten Treffen noch besprechen, wir sehen uns ja zum Glück nicht heute schon das letzte Mal.“ Maria schaut in die Runde und sieht da und dort ein paar glänzende Augen. Ein gutes Ende zu finden ist tatsächlich nicht immer leicht.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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