#geb: Wie alles begann …

Eine Zeitreise durch 150 Jahre Bildungsgeschichte

In diesem Beitrag rauschen wir in 14 Stationen durch die Geschichte der gewerkschaftlichen Bildung in Österreich: von den Gründungen der Arbeitervereine Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Konzept von Gegenmacht im 21. Jahrhundert. Hier, in den ersten sieben Stationen dieser Zeitreise, erfahren wir von den turbulenten und oft blutigen Anfängen der gewerkschaftlichen Bildung bis zur Zweiten Republik.  


Station 1
Mitte 19. Jh.: Am Anfang aller Organisation stand Bildung

In der Anfangsphase der österreichischen Arbeiter:innenbewegung kam es ab Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt zu Gründungen von Arbeitervereinen*. Sie können als Keimzellen von Arbeiter:innenpartei und Gewerkschaft gesehen werden. Die Arbeiter:innen- und Gewerkschaftsbildung verlief bis hinein in die Erste Republik in engem Gleichklang, und das mit doppelter Ausrichtung: Sie war einerseits nachholende Elementarbildung für „das Bauvolk der kommenden Welt“, und zugleich interessenbezogene Organisationsarbeit – Erziehung zum Klassenkampf inklusive.

*Arbeitervereine waren tatsächlich Vereine von Männern. Frauen war politische Vereinstätigkeit untersagt. Sie politisierten sich daher in vermeintlichen „Nähkränzchen“, um das Verbot zu umgehen.

Station 2
Ende 19. Jh.: Eigenes Wissen gefragt!

Mit zunehmender Festigung der Arbeiter:innenorganisationen waren Agitator:innen und Organisator:innen gefragt sowie die für gewerkschaftliche Kämpfe erforderliche Disziplin. Das machte Qualifikationen erforderlich, die in keiner staatlichen Einrichtung erworben werden konnten. Es brauchte spezialisierte Einrichtungen zur Schulung anpackender Vertrauenspersonen. Hier half kein Gott, kein Vaterland. Das galt es als Gewerkschaftsorganisation, trotz knapper Ressourcen, selbst in die Hand zu nehmen.

Station 3
1918: Start eigenständiger Ansätze zur Gewerkschaftsbildung

Erst das Ende der Habsburgermonarchie schaffte Raum zum Durchbruch gewerkschaftlicher Organisationskraft. Rasches Wachstum ging einher mit der Entwicklung eigenständiger politischer Bildungstätigkeit der Gewerkschaften. Katalysator dafür war konzeptionell und ressourcenmäßig das Betriebsrätegesetz von 1919. Im Zuge der geplanten Sozialisierungen sollten Betriebsräte für die „künftige Lenkung von Produktion und Gesellschaft“ vorbereitet werden. Basis dafür war das Bemühen, gewerkschaftliches Bewusstsein breit zu etablieren.  Um die neuen und rechtlich autonomen Betriebsräte zu gewerkschaftlichen Keimzellen im Betrieb zu machen, mussten sie erst noch nachhaltig für die Organisation gewonnen werden.

Station 4
Mitbestimmung erfordert neue Bildungskonzepte

Mit Beginn der rechtlich garantierten Mitbestimmung benötigten Funktionär:innen breites Wissen und Kompetenz – rechtlich, wirtschaftlich und sozial. Nur so würden gewählte Belegschaftsvertretungen die Interessen der Beschäftigten gut vertreten können. Das war auch zwingender Bildungsauftrag aller Gewerkschaften in der republikanischen Aufbruchsphase. Das bedeutete: Schulungen zum Klassenkampf, wie in Einrichtungen der Arbeiter:innenbewegung zur Parteischulung und Volksbildung weiterhin verfolgt, reichten nicht mehr aus. Darüber hinaus galt es, dem wirtschaftlichen und arbeitsrechtlichen Bildungsmonopol der Besitzenden ein kompetentes Gegengewicht entgegenzusetzen.

Station 5
1926: Gründung der gewerkschaftlichen Abendschule

Dieses Gegengewicht zu etablieren stellte eine wahre Herkulesaufgabe dar. Und führte zu einer enormen Intensivierung  der Gewerkschaftsbildung. Zu stemmen war dies nur durch erheblichen Support der neu gegründeten Arbeiterkammern. Als ein herausragendes und bis in die heutigen Tage wirkendes Projekt gilt die 1926 gegründete gewerkschaftliche Abendschule. Mit ihr wurde ein Fundament systematischer Gewerkschaftsbildung in die Welt gesetzt, als bewusste Ergänzung zur Parteischule. Obgleich der flächendeckenden Umsetzung sehr schnell politische Schranken gesetzt waren, wurde nach 1945 rasch und nachhaltig darauf aufgebaut.

Station 6
1934/38: Faschistische Auflösung gewerkschaftlichen Bildungsaufbaus

So rasch und vielversprechend in der Ersten Republik Fundamente einer eigenständigen Gewerkschaftsbildung gelegt wurden, so sehr folgte bereits in der immer autoritärer werdenden Zeit vor und nach 1934 der antisoziale Kahlschlag. Das gewerkschaftliche Ringen um Existenz in Folge der Weltwirtschaftskrise, gefolgt vom politischen Abwehrkampf, ließ für Anstrengungen und Investitionen in Bildung wenig Spielraum. Die Zerschlagung der Demokratie in Österreich und mit ihr das Verbot gewerkschaftlicher Freiheiten, setzte auch hinter die Ansätze gewerkschaftlicher Bildung einen blutigen diktatorischen Schlusspunkt. Viele Aktivist:innen der frühen Gewerkschaftsbildung wurden zu Opfern von Faschismus und Krieg.

Station 7
1945: Nach Faschismus und Krieg: aktive Schulung zur Demokratie

In der unmittelbaren Nachkriegszeit, geprägt durch die Erfahrungen zweier faschistischer Regime, kam der Gewerkschaftsbildung auch demokratiepolitische Bedeutung zu. Die aktive Schulung zur Demokratie wurde zum zentralen Postulat neu ansetzender gewerkschaftlicher Bildungsbestrebungen. Sehr rasch kam es darüber hinaus zur Wiedererrichtung von Institutionen, die das Bildungsengagement der Gewerkschaften vor 1934 quantitativ bei weitem übertrafen. Dieser Neuaufbau vollzog sich im Rahmen einer gewerkschaftspolitisch völligen Neuorientierung unter den veränderten politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der beginnenden Zweiten Republik.

Zum Weiterlesen


Die Zeitreise geht weiter: In den Stationen 8 bis 14 widmen wir uns den Umbrüchen in der Zweiten Republik und ihrem Einfluss auf die gewerkschaftliche Bildung: von der Sozialpartnerschaft, dem Ausbau von Mitsprache und Mitbestimmung im Betrieb und dem EU-Beitritt, der die Gewerkschaftsbildung schließlich aufs europäische Parkett gebracht hat.

Autor: Wolfgang Greif
Illustrationen: Julia Stern

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