#geb: Betriebsrät:innen erzählen …

Keine Frage: Betriebsratsarbeit ist ein ganz schöner Drahtseilakt aus vielseitigen Kompetenzen: Durchsetzungskraft , Fingerspitzengefühl, Wissen, Verhandlungsgeschick, Sachlichkeit, und und und. Wir wollten zum Abschluss dieser #geb-Blogserie wissen: Welche Herausforderungen jonglieren Betriebsrät:innen derzeit und wie kann gewerkschaftliche Bildung die Fertigkeiten dafür vermitteln? Vier Absolvent:innen von Betriebsrät:innen Akademie und Sozialakademie gewähren uns Einblick in ihre Arbeit.


Heinz Strobl
Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats BORBET Austria GmbH

„Die enorme Teuerung ist aktuell ein großes Thema unter den Kolleg:innen. Die Kollektivvertragserhöhung trug zwar zu einer Erleichterung bei, jedoch bekommen wir immer wieder Anfragen zu Fördermöglichkeiten und zu steuerrechtlichen Fragen.  

Umso wichtiger ist uns im Betriebsrat, dass wir alle gut ausgebildet sind und mindestens die gewerkschaftlichen Grundkurse absolviert haben. In gewerkschaftlichen Schulungen werden volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Abläufe sehr gut erklärt. Dadurch verstehen wir im Betriebsrat aktuelle Entwicklungen besser und können diese Themen kompetent an Kolleg:innen weitergeben und auch Unwahrheiten richtigstellen. Wir achten darauf, dass auch alle Ersatzbetriebsrät:innen auf einem guten Informations- und Ausbildungsstand sind.“


Adele Siegl
Betriebsratsvorsitzende mjam

„Plattform-Lieferdienst ist eine Branche von sehr hoher Fluktuation und sehr diverser Belegschaft. Die neoliberale Propaganda „Sei dein eigener Chef und verdiene bis zu 16 Euro pro Stunde“ bietet die Karotte an der Angel, durch die sich viele Kolleg:innen fangen lassen. Der Preis sind ihre Rechte als Arbeitnehmer:innen, zum Beispiel Mitbestimmungsrechte oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Stress und Überlastung.

Die Herausforderung ist hier also, stetig gewerkschaftlich zu organisieren und zu informieren. Darin steckt nochmal die besondere Herausforderung, dass die Kolleg:innen vereinzelt arbeiten, schnell wechseln, sich untereinander kaum kennen und insgesamt schwer erreichbar sind. Dennoch muss für erfolgreiche Belegschaftsvertretung ein Gemeinschaftssinn entstehen.

Der Job ist zudem anstrengend. Viele sind müde und haben keine Lust, sich zusätzlich gewerkschaftlich zu engagieren. Oder sie trauen es sich nicht zu. Im Großen und Ganzen geht es in dieser neuen Arbeitswelt darum, trotz all der Vereinzelung und Entsolidarisierung, Mitbestimmung und Rechte von Arbeitnehmer:innen zu erhalten und auszuweiten. Die Plattformunternehmen wollen das ja lieber eindämmen und keine Verantwortung als Arbeitgeber:innen übernehmen. Bildung, besonders über die Tricks, Hintergründe und Absichten, ist da unerlässlich. Und zwar nicht nur für Betriebsrät:innen, sondern für alle Menschen, die in diesem System einen Job annehmen.“


Johannes Wölflingseder
Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus Barmherzige Schwestern Wien

„Als ich nach der Sozialakademie in den Betrieb zurückgekehrt bin, hatte ich alle Hände voll zu tun, da sich meine Vorgängerin bereits auf die Pension vorbereitete. Zusätzlich waren wir immer noch in einer Pandemie und ich war trotz einer Teilfreistellung auf der COVID-Station im Einsatz.

Zu dieser Zeit kam es zu etlichen Überlastungsanzeigen aufgrund von Personalmangel. Nach der Betriebsratswahl ließ ich mich freistellen und hoffte auf mehr Zeit, um dem neuen Gremium Raum zum Wachsen zu geben. Es kam anders. Aufgrund zäher Sonderkollektivvertrags-Verhandlungen begannen wir sechs Wochen nach der Wahl mit Streikvorbereitungen.

Viele meiner neuen Betriebsrats-Kolleg:innen hatten noch vor dem Willkommenstag die erste Streikschulung. Schließlich organisierten wir einen ersten Warnstreik – mit Erfolg. Dem Druck, den ich in der Zeit nach der Sozialakademie ausgesetzt war, hätte ich ohne die dort erlernten Strategien und dem dazugehörigen Fachwissen wahrscheinlich nicht standgehalten. Bildung ist für Betriebsrät:innen unerlässlich.“


Heidemarie Supper
Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrats Volkshilfe Wien

„Der Fachkräftemangel trifft auch den Sozial- und Pflegebereich. Gerade in diesen Zeiten gilt es, einen wachsamen Blick darauf zu haben, dass die Arbeitsbedingungen weiterhin gut bleiben und der Druck, insbesondere aufgrund notwendiger Mehrarbeit, gut abgefangen wird.

Unsere Aufgabe im Betriebsrat ist es, Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer:innen zu kennen und Kolleg:innen bestmöglich zu beraten und zu unterstützen. Das bedeutet aber auch, Kolleg:innen mit unangenehmen Realitäten zu konfrontieren. Mitunter hat erhoffter Rechtsanspruch nichts mit realen Gegebenheiten zu tun. Um das eine vom anderen unterscheiden zu können, braucht es Wissen, das wir nur durch Aus- und Weiterbildung sowie durch Erfahrung erwerben können.

Als Betriebsrät:in ist es außerdem von zentraler Bedeutung, organisationale Prozesse und Zusammenhänge gut einzuschätzen. Ebenso müssen wir uns auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung und mit Mitarbeiter:innen austauschen können. Das bedarf Kompetenzen in vielen Bereichen: in der Personalführung, Finanzierung, Rhetorik oder mit rechtlichen Aspekten.

Regelmäßige gewerkschaftliche Weiterbildungen sind die Basis, um kompetent als Betriebs:rätin arbeiten zu können.“                                                                             

Redaktion: Irene Steindl
Illustrationen: Julia Stern


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