
Unterschiedliche Machtkonstellationen erfordern unterschiedliche Strategien
Als im Herbst 2018 gegen den Widerstand der Gewerkschaften die 60 Stunden Woche und der 12 Stunden-Tag seitens der Regierung in einer neuen mitbestimmungsfreien Form ermöglicht wurde, war klar, dass die Gewerkschaften auf neue Strategien setzen müssen, um die Interessen der Arbeitnehmer:innen weiterhin wirkungsvoll verteidigen zu können. Wo interessenpolitische Einflussmöglichkeiten – parlamentarisch oder sozialpartnerschaftlich verloren gehen, bleibt für die Gewerkschaften die Macht der Mitglieder. Aus dieser Überlegung heraus wurde seitens des ÖGB-Präsidenten ein großes Gegenmacht-Projekt in Auftrag gegeben, auch im Bereich der gewerkschaftlichen Bildung. Im Zuge dessen wurde dieses REFAK-Seminar konzipiert.
Wer im interessenpolitischen Machtkampf etwas weiterbringen will, braucht den „Zug aufs Tor“!
Im Kapitalismus ist die Machtverteilung zwischen Arbeit und Kapital zunächst asymmetrisch, das heißt zu Ungunsten der Arbeitnehmer:innen. Dass die Ausgangsposition des Gegners eine bessere ist, heißt nicht, dass wir das Spiel zwangsläufig verlieren, nämlich dann nicht, wenn wir in der Vorbereitung auf das „Machtspiel“ ausgiebig reflektieren, wie wir machttechnisch aufgestellt sind und wo unsere eigenen Macht-Potenziale liegen.
Wenn wir uns als ein ebenbürtiges Gegenüber auf dem Spielfeld der Macht erweisen möchten, dann heißt es darüber hinaus mit System, Strategie, Spielwitz, taktischen Varianten, viel Unterstützung aus dem Publikum und mit hervorragenden Trainer:innen anzutreten. Dafür kann man trainieren, … auch die Trainer:innen. Es ist nicht verkehrt, für diese Machtspiele das Bild der Auseinandersetzung in einer Fußballarena heranzuziehen.
Der Macht-Gegenmacht-Begriff und jede Menge Methoden, um Wissen und Werkzeuge rund ums Thema zu vermitteln
Die Teilnehmenden, die Ende März im BIZ der AK Wien am REFAK-Seminar „Den Zug zum Tor trainieren“ (Trainer:innen: Tanja Dobart und Gerhard Gstöttner-Hofer) teilnahmen, kamen mit dem Ziel Gegenmacht-Trainingstools für unterschiedliche Aufgaben kennenzulernen. Für die Begleitungstätigkeit von Gewerkschaftsschulen ebenso wie für Workshops mit BR-Körperschaften. Dementsprechend stand der Einsatz von Materialien und Methoden für den Trainings-, Seminar- und Workshop-Einsatz im Fokus.
Den Anfang machte eine Annäherung an die Begriffe Macht und Gegenmacht. Dabei kamen neben historischen und Theorieinputs einige Methoden zur Anwendung, die helfen sollten, eigene Erfahrungen zu heben und zu thematisieren. Danach ging es um Materialien und Methoden, die das Verstehen und Systematisieren unterstützen sollten, was der Begriff Macht eigentlich beinhaltet und welche Dimensionen gewerkschaftlicher Macht es gibt. Auch die Schatztruhe der Kreativtechniken wurde geöffnet, um nicht nur „kopflastigen“ Methoden der Erschließung des Macht-Themas Raum zu geben. Duplo- und Playmobil-Akteure standen sich in spürbar ungleichen Machtkonstellationen gegenüber. Das entstandene Kreativszenario war Basis für eine angeregte Analyse rund um Machtdynamiken.

Und wie kann man den Aufbau von Gegenmacht trainieren?
Die Teilnehmenden definierten für sich entsprechende Anwendungsfelder, die Zielgruppen, mit denen sie trainieren würden, die Settings und welche Lernziele sie dort verfolgen wollten. Nach dieser ersten Orientierung wurde die Methodenkiste weit geöffnet. Den Schwerpunkt bildeten dabei Tools und Werkzeuge, die im Rahmen von Trainings und Workshops angewendet werden können, um die eigene Position in einer Machtauseinandersetzung systematisch zu analysieren, eigene Ziele und Strategien in der Auseinandersetzung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern umfassend zu definieren und zu planen; und schließlich auch operative Strategiepfade in Machtspielen gemeinsam entwickeln zu können.
Seminarziel – Orientierung und Systematik im Machtspiel
Neun Leitfragen bildeten den chronologischen Pfad entlang dessen Inhalte und Methoden für Trainings und Workshops vorgestellt und durchgearbeitet wurden. Diese Fragestellungen sind auch die visuelle Grundstruktur für die Dokumentation aller Seminarinhalte und -methoden in einem Padlet, das den Teilnehmenden des Seminars als facettenreiche Quelle von Materialien für die eigene Trainer:innen-Tätigkeit zur Verfügung steht.

Weitere Einheiten dienten dazu, mit den kennengelernten Inhalten und Methoden an zumindest einer Trainingssequenz im eigenen Anwendungsgebiet zu arbeiten. Ziel war ein ganz konkreter Designabschnitt mit Lernzielen zum Thema. Die Teilnehmenden hatten auch die Chance solche Sequenzen im Training durchzuspielen.
Alle im Seminar angewendeten Methoden wurden zusätzlich parallel in einem Methodenpool dokumentiert, der als Stichwortkatalog für die Erstellung des jeweils eigenen Trainings- und Workshopsdesigns dienen kann.
Immer mit auf dem Trainingsfeld: Eine Betriebsrats-Gegenmachtgeschichte mit Impulskraft für die Seminarplanung
Begleitet haben uns während des Seminars auch Zoran und sein Betriebsratsteam. Sie spielen die Hauptrolle im VÖGB/AK-Skriptum „Mach dich stark als Betriebsrat“. In einer fiktiven – aber real aus dem betrieblichen Leben gegriffenen – Geschichte geht es darum, wie es das Betriebsratsteam von Zoran, Margit, Simon, Marina und Karl gemeinsam mit den Gewerkschaftssekretärinnen Silvia und Andrea schafft, zu einem durchschlagskräftigen Machtfaktor im Betrieb zu werden. Das Skriptum ist auch zu einem Handbuch mit vielen methodischen Hinweisen und Hintergrundinformationen geworden. Und ganz wichtig: Die Geschichte, die den Rahmen bildet, geht gut aus. Sie hat ein Happy End… wie unser Seminar im März 🙂
Frei zugängliche Materialien
- Blog-Beiträge zum Thema „Gegenmacht bilden“
- VÖGB-Skriptum zum Thema „Gegenmacht“ hier zum Bestellen und Downloaden verfügbar.
Trainer:in: Tanja Dobart und Gerhard Gstöttner-Hofer

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