#dimi_12: Lernräume

Wie das Außen auf das Lernen wirkt

Räume, in denen Lernen stattfindet, sollen so gestaltet sein, dass sie die Tätigkeit des Lernens optimal unterstützen. Doch was bedeutet das für uns als Trainer*innen oder Referent*innen, aber auch für Bildungsverantwortliche in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung? Welchen Einfluss haben die räumlichen Rahmenbedingungen auf das Lerngeschehen und welchen Gestaltungspielraum haben wir überhaupt?

In den vielen Jahren meiner Trainer*innentätigkeit habe ich schon viele Seminarräume von innen gesehen und unterschiedlichste Dinge erlebt. Von einem Lehrsaal, in dem alte Möbel und Equipment zwischengelagert wurden, bis zum „fancy“ Seminarhotel war alles dabei. Dass das Außen auf das Lernen wirkt, habe ich dabei immer wieder am eigenen Leib erfahren. Du wahrscheinlich auch! Wenn auch du dir die Frage stellst, wie wir als Trainer*innen Lernräume so gestalten können, dass die Lernenden sich optimal auf den Lernprozess einlassen können, dann solltest du weiterlesen.

Lernräume weiter gedacht

Das Wort „Lernraum“ verweist auf die Bedeutung der räumlichen Bedingungen für das Lernen. Dabei denken wir unmittelbar an den Seminarraum, in dem das Training stattfindet oder in dem sich eine Lehrgangsgruppe über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig trifft und zuhause fühlen sollte. Die Dauer einer Fortbildung wirkt auf die Bedürfnisse der Lernenden in Bezug auf den Lernraum. Deshalb sieht ein Seminarraum der dreimonatigen BRAK oder zehnmonatigen SOZAK auch anders aus als ein Seminarraum für Tagesseminare.

Der „Lernraum“, oft auch als „Lernumwelt“ beschrieben, geht aber weit über den unmittelbaren Seminarraum hinaus. Die Gestaltung des gesamten Bildungshauses wirkt auf das Wohlbefinden des Einzelnen und der Gruppe und hat einen Einfluss darauf, wie leicht sich die Lernenden auf die Tätigkeit des Lernens einlassen können. Sind die Räumlichkeiten so gestaltet, dass sie soziale Kontakte fördern, z.B. indem es genügend und ansprechende Pausenräume zur Verfügung stellt oder auch einen individuelle Rückzugsraum zum Verarbeiten oder Erholen bietet? Dabei geht es nicht nur um räumliche Bedingungen, sondern auch um atmosphärische Aspekte, die das Erleben des Lernraums beeinflussen. Dazu zählt nicht nur die ansprechende Architektur eines Bildungshauses, sondern auch die Atmosphäre, die z.B. auch durch das Personal der Cafeteria oder des Empfangs geschaffen und mitgetragen wird.
Mehr zum Thema „Sozialen Lernraum“ kannst du im #dimi_08 nachlesen.

Den Seminarraum optimal nutzen

Kommen wir zum Seminarraum selbst. Dabei sind Aspekte wie Größe und Gestaltung ebenso wichtig wie die Flexibilität des Mobiliars und auch nicht zuletzt die Personen, die für die Seminarbetreuung und somit für den Raum verantwortlich sind. Nicht selten habe ich Seminarräume erlebt, die mit den neuesten Seminar Schnick Schnack ausgestattet sind, dieser jedoch gar nicht genutzt wird oder nicht genutzt werden kann.
Gründe, die ich dafür ausmachen konnte, sind..

  1. .. dass die Trainer*innen nicht ausreichend mit der Seminartechnik vertraut sind (z.B. interaktive Whiteboards) oder
  2. .. dass Seminarbetreuungspersonal wenig Verständnis für aufwendig Raumwünsche und Raumstellung hat und tolles Equipment wenig zum Einsatz kommt und ev. erst nach konkreter Nachfrage zugänglich gemacht wird.

Um Lernräume optimal gestalten und nutzen zu können, müssen die Ebenen Planung, Gestaltung, täglicher Betrieb und Nutzung zusammenwirken. Bei der Planung sollten Architekt*innen im Dialog mit Bildungsverantwortlichen erheben, welche pädagogischen Grundhaltungen das Bildungshaus vertritt und somit auch ermöglichen möchte. Die Bedürfnisse die Lernenden und Trainer*innen sollten sowohl in der Planung, aber auch bei Gestaltungsfragen – idealerweise aus erster Hand – einfließen. Die Aspekte des täglichen Betriebs werden stark von der Haltung der Raumbetreuer*innen mitgetragen. Hier stellen sich Fragen wie,

  • gibt es überhaupt eine Person, die diese Aufgaben wahrnimmt und für die Trainer*innen als Ansprechpartner*in sichtbar wird?
  • welches Verständnis haben Seminarbetreuer*innen von ihren Aufgaben möglichst optimale Bedingungen für Lernen zu schaffen?

Somit ist es eine wesentliche Aufgabe von Bildungsverantwortlichen das Seminarbetreuungspersonal entsprechend zu schulen und ihnen die Wichtigkeit ihres Beitrags zu guten Lernprozessen bewusst zu machen, bzw. auch ein offenes Ohr für ihre Anliegen und Frustration zu haben. Um die unterschiedlichen Aspekte auf den beschriebenen Ebenen sichtbar zu machen, möchte ich eine Liste mit Kriterien, die Rainer Zech in seinem Handbuch: „Qualität in der Weiterbildung“ anführt in Hinblick auf unterschiedlichen Gesichtspunkten darstellen (vgl. Zech 2008, S. 117).

PlanungGestaltungTäglicher Betrieb
Angemessene RaumgrößeErgonomie und Beweglichkeit des MobiliarsGeeignete Basisausstattung (Flip-Chart, Pin-Wände, Arbeits- und Moderationsmaterialien)
Geeigneter GrundrissZeitgemäße Seminartechnik (Beamer, Leinwand, Soundsystem)Sitzordnung leicht veränderbar (ev. zwei Raumsetting parallel)
Ausreichende Höhe der DeckeBeklebbare Wände oder Halterungen (Pin-Wände)Seminarbetreuung = Ansprechpartner*innen
Bereiche zum Experimentieren bzw. selbstorganisierten LernenAblagefläche, Schränke, RegaleAngenehmes Raumklima, Belüftung, Raumtemperatur, Geruch
Gute AkustikFlexible, verschiebbare RaumelementeMülltrennung – und entsorgung
Gute Lichtverhältnisse, Beleuchtung, SonnenschutzDezente Farbgestaltung  Sauberkeit
Ausreichender LärmschutzGeeignete Bodenbeläge  Leichte und sichere Versperrbarkeit des Raumes
Genügend SteckdosenAllgemeine RaumästhetikBeklebbare Wände
Zugang und Nutzung für Menschen mit Mobilitätseinschränkung Pausenversorgung
Pausen- und Erholungsmöglichkeiten im und außerhalb des Raumes Zugang zu zusätzlichen Arbeits- bzw. Moderationsmaterialien
Qualitätskriterien für unterschiedliche Aspekte der Raumplanung und Nutzung

Lernsettings bewusst planen

Doch was bedeuten diese Überlegungen für Trainer*innen und den Seminaralltag. Gehen wir mal davon aus, dass die Rahmenbedingungen, die wir vorfinden, gut durchdacht und auch gut gemanagt sind und wir uns „nur“ noch um den Lernraum im Seminarraum kümmern müssen. Die Wirkung der Lernumgebung auf den Lernprozess und die Nachhaltigkeit des Lernens ist den meisten Trainer*innen bewusst. Um einen optimalen Lernraum schaffen zu können, ist es wichtig, diese bereits in der Planung mitzudenken und Schritte zu setzen, dass diese auch umgesetzt werden können. Dazu ist es oft notwendig Informationen zum Seminarraum (z.B. Größe, Ausstattung) einzuholen oder idealerweise sogar zu besichtigen. Oft kehrt man als Trainer*in auch zu den gleichen Orten zurück, sodass man die Seminarräumlichkeiten auch schon gut kennt und entsprechend planen kann. Nichtsdestotrotz ist es häufig nötig die Seminarbetreuer*innen vorab über spezielle Raumsettings und Sitzordnungen zu informieren.

In unserem REFAK Seminar „Lernräume gestalten“ haben wir uns auch mit dem Thema beschäftigt. Hier kannst du das Seminar nachlesen.

Sitzordnungen geben Auskunft über das Lernverständnis

Sitzordnungen sind ein Element des Lernraumes, der diesen wesentlich beeinflusst und in den meisten Fällen auch mit wenig Aufwand veränderbar ist. Wie ein Raum „organisiert“ ist, gibt unbewusst Auskunft darüber, wie das Verhältnis zwischen Referent*in und Lernenden gesehen wird und wer beim Lernen im Mittelpunkt steht (siehe Lerner*innenzentrierung #dimi_02). In diesem Sinne sollte bei der Wahl der Sitzordnung darauf geachtet werden, dass die Botschaft, die durch die Sitzordnung übermittelt wird, auch mit dem eigenen Rollenverständnis übereinstimmt.

Die 4 typischen Sitzordnungen sind:

Es gibt nicht die eine „richtige“ Raumstellung oder Bestuhlung. Jedes Setting hat seine Vor- und Nachteile, die nur in Hinblick auf das Seminardesign entschieden werden können. Raumstellungen sollen auch beim Einsatz unterschiedlicher Methoden verändert werden, wo wiederum die Flexibilität der Seminarbetreuer*innen unterstützend sein kann. Ideal ist es, bei entsprechender Raumgröße mehrere Sitzordnungen gleichzeitig aufzubauen und innerhalb des Tagesablaufes die unterschiedlichen Settings (z.B. Sesselkreis und Tischgruppen) zu nutzen und zwischen ihnen zu wechseln. Ich halte es auch für sinnvoll bei jeder Gruppenarbeit zu überlegen, ob die freie Platzwahl oder das gemeinsame Arbeiten im Seminarraum sinnvoller ist. Doch mehr dazu in #dimi_14.

Ein wesentliches Element der Raumgestaltung sind auch Visualisierungen. Pin-Wände können als Raumteiler verwendet werden und ein intimere Gruppenatmosphäre ermöglichen. Flipcharts, die im Raum verteilt aufgehängt werden, dienen dazu, die gelernten Inhalte festhalten und die Kontinuität des Lernprozesses unterstützen. Wenn dich das Thema „Visualisieren – Warum Flipcharts das Lernen einfacher machen“ interessiert, kannst du dich schon auf den nächsten Blogbeitrag freuen.

Zum Weiterlesen

  • Egger, Rudolf: Wo lernen? Gedanken über das Verhältnis von Leben, Bildung und Orten des Lernens. AMS Forschungsnetzwerk. Hier online verfügbar.
  • Zech, Rainer (2008): Handbuch Qualität in der Weiterbildung. Weinheim, Basel: Beltz (Beltz Weiterbildung).
  • Margret Steixner (2014): Skriptum Lernräume gestalten. Hier online verfügbar.  
  • Aschemann, Birgit [Rez.] (2019): Rummler, Klaus (Hrsg.) (2014): Lernräume gestalten – Bildungskontexte vielfältig denken. Münster/New York: Waxmann. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 35/36, 2019. Wien. Hier online verfügbar.

Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.

Autorin: Margret Steixner

Lust auf mehr? Zu allen Beiträgen der Serie kommst du HIER!

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