Für viele ist es ganz klar: Bildung dient der „Employability“, also der Beschäftigungsfähigkeit und ist Anpassungs-Pflicht einer und eines jeden. Die Menschen „müssen Resilienz (Widerstandsfähigkeit), ein breites Spektrum an Kompetenzen und Anpassungsfähigkeit entwickeln. So sind Notwendigkeit und Wert des lebenslangen Lernens, bei dem Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder neue und relevante Kompetenzen erwerben, heute offensichtlicher denn je“ schrieb die Europäische Kommission noch 2001. Bildung wird da zur verordneten Abwehrstrategie, zur Notwendigkeit, sich lebenslang anzupassen an den Markt, das Wirtschaftswachstum und die Umstände.
Zunehmend verliert aber gleichzeitig das Credo der 1990er und 2000er Jahre, der unbedingten Verwertbarkeitsnotwendigkeit von Bildung – die oft gleichgesetzt wurde mit beruflicher Bildung für mehr Wachstum – mehr und mehr an Glaubwürdigkeit. Was ist brauchbar und verwertbar? Was ist brauchbar für wen?
Verwertbare Bildung – verwertbar wofür und für wen?
Was die Einschätzung der Verwertbarkeit von Erwachsenenbildung durch die VolkshochschulteilnehmerInnen in Österreich betrifft, die in repräsentativen Erhebungen seit Mitte der 1990er regelmäßig durch die Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen erhoben wird, kann festgehalten werden: rund 2/3 der KursteilnehmerInnen, fast 70% der Befragten, die Kurse an Volkshochschulen besuchen, fanden die belegten Kurse verwertbar oder sehr verwertbar, obwohl nur rund 5% die VHS-Kurse aus direkten beruflichen Anforderungen besuchen.
Verwertbarkeit und Brauchbarkeit wird in Kursen der Erwachsenenbildung und der gewerkschaftlichen Bildung vor allem durch die TeilnehmerInnen bestimmt (vgl. #thedi_05 zum Thema solidarisches Lernen). In der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit geht es um die kollegiale Besprechung und Lösung von Problemen der Arbeitenden und des betriebsrätlichen Arbeitsalltages – Rechte von ArbeitnehmerInnen, Arbeitszeitregelungen, der Gestaltung des Arbeitsumfeldes – und von unterschiedlichsten Problemen der anwesenden bzw. auch darüber hinaus. Die Erfahrungen der TeilnehmerInnen bilden den Ausgangspunkt für dieses Lernen und ebenso der Brauchbarkeit und Nützlichkeit. Ihre Probleme sind nicht durch fix-fertig bereitstehendes Wissen und Verweis auf scheinbare Notwendigkeiten zu lösen, sondern nur durch Zusammenarbeit, durch gemeinsames Nachdenken, durch den Austausch von Erfahrungen, auch durch den Austausch über Misserfolge und Scheitern. Erfahrungen, die wir abgleichen, austauschen und solidarisch gegenüberstellen und diskutieren.
Zurück zur drängenden Forderung nach wirtschaftlich verwertbarer Bildung und Employability: Was heute verwertbar ist, kann schon morgen veraltet oder durch die Verlagerung von Wirtschaftszweigen hinfällig sein. Wir zitieren hierfür einen unverdächtigen Zeugen: Thomas Sattelberger, einen ehemaligen Personalvorstand der Telekom, der auf einer Tagungsankündigung der Universität Bern im April 2016 zur Frage „Welche Bildung braucht die Wirtschaft?“ Folgendes meinte: „Die gefönten Kens und Barbies in Business-Outfit werden nur auf ökonomische Leistung getrimmt (…). Die Manager in spe denken einzig in der Kategorie „höher, schneller, weiter“ … Wer nicht performt fliegt raus. Da wird nichts kritisch hinterfragt. Der jungen Elite wird widerspruchsloser Gehorsam und Anpassungsfähigkeit eingetrichtert“.
Gewerkschaftliche Bildung und kritische Erwachsenenbildung ist deutlich mehr als eine solche Anpassungsbildung!
Zum Weiterlesen
Stefan Vater, Peter Zwielehner: Berufliche Bildung an Volkshochschulen, hier online abrufbar
Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.
Autor: Stefan Vater
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