#thedi: Unterschiede als Quelle der Kraft. Audre Lorde

Foto: Stefan Vater

“As women, we have been taught either to ignore our differences, or to view them as causes for separation and suspicion rather than as forces for change. Without community there is no liberation, only the most vulnerable and temporary armistice between an individual and her oppression.”

“Als Frauen wurde uns beigebracht, unsere Unterschiede entweder zu ignorieren oder sie als Gründe für Trennung und Misstrauen zu betrachten, anstatt sie als Kräfte für Veränderungen zu sehen. Ohne Gemeinschaft (Community) gibt es keine Befreiung, nur den verletzlichsten und vorübergehenden Waffenstillstand zwischen einem Individuum und seiner Unterdrückung.“

Audre Lorde (1984)

Heute möchten wir die Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde vorstellen und den Versuch wagen, ihr Engagement gegen Rassismus und für die Rechte von Frauen, als engagierte Dichterin und Bürgerrechtlerin in die Diskussion um solidarische, gewerkschaftliche Arbeit und Bildung einzubringen.  

„Ich bin schwarz, lesbisch, Feministin, Kriegerin, Dichterin, Mutter.“ So beschrieb Audre Lorde die Vielfältigkeit, aus der ihr Leben und Schreiben Kraft und Richtung bezog. Durch ihre den Alltag und das Leben beobachtenden und befragenden Gedichte und Essays wurde Lorde zu einer der wichtigsten kritischen Theoretikerinnen der Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre. Sie wurde eine Kultfigur für junge Feministinnen und zeigte neue Denkweisen, die vielleicht heute als selbstverständlich gelten oder zumindest gelten sollten. Vor allem wies sie auf die Notwendigkeit hin, über unsere Unterschiede zu sprechen und zu erkennen, dass Unterschiede immer schon die Arbeiter*innenbewegung und auch die feministische Bewegung prägten. Es gilt von der Perspektive auf Einheit, die von der eigenen oder einer hegemonialen Vorstellung von Existenz ausgeht, abzusehen, damit Unterschiede nicht trennende Kluft werden, sondern eine Quelle der Kraft für Veränderung und der solidarischen Verbindung bleiben (Horsley 2022). 

Audre Lorde. Photo by Elsa Dorfman (CC BY 2.5)

Lorde zeigt in ihren Texten beeindruckend, was Intersektionalität des Denkens bedeutet – es bedeutet Unterschiede verbunden denken zu können und sie immer mitzudenken, nicht nur als nachträgliche Ergänzung. Sie zeigt, was es bedeutet, über rassistische Unterdrückung oder neoliberale Ausbeutung zu sprechen und die Unterschiede in der Betroffenheit dabei nicht als trennende Differenz zu sehen und sie auch nicht von neoliberalen Ideolog*innen und Wirtschaftsexpert*innen analysieren und uns erklären zu lassen. 

Es bedeutet, die Unterschiede und die unterschiedlichen Positionen und Interessen als Ausgangspunkt der Kraft und Stärke der Arbeiter*innenbewegung zu sehen und sie auch zu benennen.

Unser Schweigen schützt uns nicht

„When we speak we are afraid our words will not be heard nor welcomed but when we are silent we are still afraid. So it is better to speak remembering we were never meant to survive.“ 

„Wenn wir sprechen, haben wir Angst, dass unsere Worte nicht gehört und nicht angenommen werden, aber wenn wir schweigen, haben wir immer noch Angst. Es ist besser zu sprechen, uns daran erinnernd, dass wir nie dazu bestimmt waren, zu überleben.“

Audre Lorde (1978)

Wenn wir schweigen, wird uns das nicht schützen, wenn wir schweigen über Diskriminierung, Ausbeutung, Ungleichheit und Rassismus, die sich immer noch – oder wieder viel mehr – als ungleiche Leistung, Natur oder Zufall tarnen. 

Solidarisch leben

Für Lorde sind der Wunsch und die Praxis, einander zu unterstützen und solidarisch zu leben, nicht pathologisch oder abnormal (Lorde 1984), wie es in Zeiten eines egoistischen Menschenbildes gerne behauptet wird. Solidarität erscheint heute oft den kompetitiven Notwendigkeiten entgegenstehend oder wird nur in Notzeiten verordnet. Die Praxis der Unterstützung und Solidarität ist nicht unzeitgemäß, allerdings steht sie dem ideologischen Bild des wettbewerbsorientierten, männlichen Gewinners entgegen und ist für Chefs unbequem. Gegenseitige Unterstützung ist unsere Stärke, „genau diese Verbundenheit fürchtet die patriarchalische Welt so sehr“ (Lorde 1984) und auch die neoliberal, kapitalistische Welt.

„I am not free while any woman is unfree, even when her shackles are very different from my own.“ 

„Ich bin nicht frei, solange eine Frau unfrei ist, auch wenn ihre Fesseln ganz anders sind als meine eigenen.“ 

Audre Lorde (1981)

Die Werkzeuge der Herrschenden

„The Master’s Tool will never dismantle the Master’s House“

„Das Werkzeug der Herrschenden wird das Haus der Herrschenden niemals einreißen“

Audre Lorde (1984)

Die Werkzeuge der Herrschenden ändern oder beseitigen den Rassismus, die Unterdrückung, den Kapitalismus nicht und auch nicht das Patriachat. Die Werkzeuge der Herrschenden individualisieren und pathologisieren Unterdrückung und Ungleichheit. Sie geben den Unterdrückten und Ausgebeuteten die Schuld für Krankheit, ihre Schlechterstellung, ihre Unterdrückung und viele andere Dinge.

Ein Werkzeug – unserer freien Interpretation von Lorde folgend – ist die Leistungsideologie, sie behauptet: Jeder und Jede wäre ihres Glückes Schmied. Eine Ideologie der Leistung, die nicht nur falsch ist, sondern die im neoliberalen Regime zynisch und grausam wird – weil der Erfolg nicht der Leistung geschuldet ist und für viele nicht in Reichweite ist.

Ein anderes Werkzeug ist das neoliberale „Managing Diversity“, wo Benachteiligung zur Ressource für den sprudelnden Profit werden und auch gar nicht verändert werden soll. Mehr noch, die Unterschiedlichkeit wird hier profitabel gemacht und zur unveränderlichen Natur erklärt. Frauen seien eben emotional und empathisch, kommunikativ und dies sei ihr Potential für den Erfolg, oder People of Color könnten so wunderbar die Vielfalt und Offenheit eines Unternehmens repräsentieren.

Und auch das Denken des „New Public Management“ mit seinen Ideen Markt, Management und Privatisierung lullt ein, entsolidarisiert und dominiert auch unsere Köpfe.  

Das Denken und die Werkzeuge der Herrschenden bestätigen die Ausbeutung und verwickeln uns in sie. Sie machen Unterschiede trennend und sie machen sie verständlich, verständlich im Sinnen von naturhaft und unveränderlich.

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