Positionen sind vorbestimmt
Ein Seminar, das bisher lange Jahre im Präsenzmodus lief, soll in Zukunft nur noch online stattfinden. Es gibt Argumente dafür und dagegen, und es gibt relativ starre Fronten auf der Pro- und der Contra-Seite. Der Clou der Pro/Contra-Diskussion: Teilnehmer:innen werden zufällig einer der beiden Seiten zugeordnet, unabhängig davon, was sie selbst vertreten.
Ziele
** Unterschiedliche Positionen ausführlich darstellen
** Eigene Positionen reflektieren und schlüssige Argumente finden
** (Neue) Argumente beider Seiten kennenlernen; eingefahrene Positionen aufweichen
** Konflikte über eine strukturierte Diskussion bearbeiten
Kurzbeschreibung
In der Pro/Contra-Diskussion geht es darum, einen Konflikt zu versachlichen, indem eine Aussage oder Position, ein Thema, ein strittiger Punkt von unterschiedlichen Seiten betrachtet wird. Ziel ist es, dass die Teilnehmer:innen die eigene Position und Meinung reflektieren, begründen und sich mit den Sichtweisen und Argumenten der anderen Position auseinandersetzen müssen.
Die Pro/Contra-Diskussion setzen wir ein zur Vorbereitung von Entscheidungsprozessen oder deren Simulation in Lehrgängen und in Trainings und Seminaren bei der Bearbeitung von umstrittenen Themen. Zum Beispiel: Sollen wir in unseren Präsentationen auf Theorie verzichten?
Vorgehensweise
1. Erarbeitung der Argumente
Die Gruppe wird nach Zufall und unabhängig von der tatsächlichen Meinung der Gruppenmitglieder geteilt. Die einzelnen Gruppen sammeln entweder nur Pro- bzw. nur Contra-Argumente zur vorgegebenen Fragestellung. Das Ergebnis sollte auf einem Flipchart festgehalten werden. Zur inhaltlichen Vorbereitung und als Inspiration für die Gruppenarbeit kann entweder mit passenden Texten, Situationsbeschreibungen oder Videos/Filmen gearbeitet werden.
2. Präsentation der Ergebnisse
Podiumsdiskussion: Die Pro- und Contra-Gruppen nominieren jeweils 2 Personen, die stellvertretend am Podium diskutieren. Die Moderation übernimmt die Trainer:in. Die Diskussion läuft nach einem vorgegebenen Schema ab: Erst werden die Pro-, dann die Contra-Argumente vorgestellt, die in der Gruppe erarbeitet wurden. Im Anschluss haben beide Seiten nacheinander die Gelegenheit, noch einmal neue Argumente einzubringen; dann folgt eine offene Diskussion mit dem „Publikum“, so dass sich alle nochmals einbringen können.
Fishbowl: Die Diskussion kann statt als klassisches Podium auch als Fishbowl-Diskussion (#mm) durchgeführt werden. Durch einen leeren Sessel ist das „Publikum“ dann direkter eingebunden.
Einsatz-Tipps
Wenn das Ziel ist, dass die real existierenden konträren Positionen sich annähern, dann sollte gut überlegt werden, ob die Pro/Contra-Diskussion wirklich die richtige Methode ist. Sie kann in diesem Fall nur der erste Schritt sein, dem ein weiterer folgen muss Dies könnte beispielsweise eine ausführliche Auswertungsrunde der Diskussion sein mit Fragen wie: Was hat mich an der anderen Position überzeugt? Was verstehe ich jetzt besser? Mit welchen Aspekten der anderen Position kann ich gut leben? Welche Argumente kann ich nachvollziehen/akzeptieren? Wo sehe ich (sogar) Gemeinsamkeiten?
Falls die Pro/Contra-Diskussion wie ein Rollenspiel durchgeführt wird oder aber einige Teilnehmer:innen keine Position haben, können „neutrale“ Beobachter:innen auf Inhalt (Pro- und Contra-Argumente) und Form (Diskussionsverhalten) achten und diese Beobachtungen in die Abschlussreflexion einbringen.
Schutzengel und Aasgeier
Es gibt viele Varianten der Pro/Contra-Diskussion. Die Methode Advocatus dei/advocatus diaboli stammt aus der katholischen Kirche, wo vor Seligsprechungen nacheinander alle Argumtente dafür und dann alle dagegen gesammelt wurden. Wir verwenden das gerne, wenn es gilt, Projekte und Argumentationen ganz kritisch zu hinterfragen. Sogar bei der Prüfung von PowerPoint-Präsentationen haben wir das schon eingesetzt unter dem Methodennamen Schutzengel und Aasgeier. In einer ersten Phase wird geprüft, was an der Präsentation ok ist. Dann aasgeiern: Was und das bis in die Details passt an der Präsentation nicht? Sind diejenigen dabei, die die Präsentation erstellt haben, müssen wir sie auf „das Schlimmste“ vorbereiten. In jedem von uns steckt nämlich ein kleiner Aasgeier.
Weitere Beiträge zum Thema Diskussion
Zur Methode Diskussion gibt es eine ganze Reihe von Blogbeiträgen, die in loser Folge (wieder-)veröffentlicht werden.
Schon erschienen:
#mm: Schriftliche Diskussion | Schreibgespräch
#mm: Diskussion im Plenum
#mm: Spontane Diskussionen moderieren
Es folgen:
#mm: Fishbowl-Diskussion
#mm: Schriftlich argumentieren
#mm: Das Lehrgespräch
Autor:innen: Nicola Sekler & Elisabeth Steinklammer & Ulli Lipp
Lust auf mehr? Zu allen Einträgen der Serie #mm kommst du HIER!
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