Methode mit Tücken
Ohne lebendige Diskussionen im Plenum sind unsere Seminare und Lehrgänge im gewerkschaftlichen Kontext nicht vorstellbar. Das darf durchaus auch kontrovers sein. Wir Referent:innen kennen aber auch das Gegenteil. Diskussionen ziehen sich ewig hin. Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen. Oder es artet in Streit aus bis hin zu persönlichen Angriffen. Auch darauf müssen wir bei Diskussionen vorbereitet sein.
Hohe Kunst!
Kollege Hermann Will fasst das Dilemma mit den offenen Diskussionsrunden im Plenum in einem Satz zusammen: „Mit einem Impuls, einem Beispiel oder mit Widersprüchen eine Diskussion vom Zaun brechen, diese moderieren und dabei den roten Faden, die Lernziele, die Zeit und den Energiepegel aller Teilnehmer im Blick zu haben, lieber zu früh als zu spät abbrechen und am Ende eine verbindende Klammer für alle Diskussionsbeiträge finden – das ist hohe Kunst!“ (Quelle siehe Lesetipp)
Diskussionen im Lernprozess
Bei Diskussionen tauschen Menschen im Gespräch Argumente zu einem Thema aus. Im Detail kann das ganz verschieden aussehen. Der Infostand auf der Straße zieht Diskussions freudige Menschen an. Diskussionen in Talkshows sind wieder ganz anders. Da kommt es auf Ergebnisse nicht an und Regeln wie „Ausreden lassen“ werden mit Füßen getreten.
Wenn wir in unseren Seminaren, Workshops und Lehrgängen Diskussionen planen, sollen diese das Lernen unterstützen. Da geht es nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern …
- Die Teilnehmer:innen sollen Argumente und andere Sichtweisen kennenlernen.
- Vorbehalte gegenüber den Lerninhalten werden deutlich. Das ist auch für uns Referent:innen wichtig.
- Zusätzliche Erfahrungen werden eingebracht.
- Die aktive Auseinandersetzung mit der Thematik unterstützt den Transfer.
Wie starte ich eine Diskussion?
Besser als Impulse und Fragen funktionieren Gegensätze. Beispiel: Schulungen in Präsenz oder online? Gegensätze bringen Teilnehmer:innen schnell zum Reden. Positionen dazwischen kommen dann in der Diskussion von selbst. Bei provokativen Statements (Ich bin schwer dafür, auf Präsenzschulungen ganz zu verzichten!) entstehen auch Diskussionen, aber eher als Dialog und nicht als Austausch unter den Zuhörer:innen.
Gute Erfahrungen haben wir mit kurzen Präsentationen gemacht, die ein Thema anreißen und dann als Diskussion weiter geführt werden. Beispiel: Im Solidaritätsseminar bei der Refak ging es um die Thematik „Wer gegen wen im ÖGB?“ Helmut Russ von der GPA präsentierte die ersten Gegensatzpaare und ließ dann in die Teilnehmer:innen diskutieren, die schnell weitere Problemfelder erkannten.
Ein Tipp für den Start: Das Thema der Diskussion schreiben wir am besten auf ein Flipchart.
Was mache ich während der Diskussion?
Die Aufgabe einer Referent:in ändert sich. Da gibt es den Wechsel vom Präsentieren zum Moderieren. Ich leite die Diskussion. Dazu gehört …
- Wortmeldungen registrieren und verwalten
- Beiträge anregen und sich selbst zurückhalten
- Viel- und Langredner:innen einbremsen. „Ich will jetzt auch andere drankommen lassen.“ „Ich unterbreche deinen Beitrag, es ist angekommen, was du sagen willst.“
- Auf den „Roten Faden“ achten: „Sorry, ich habe den Eindruck, das führt uns vom eigentlichen Thema weg.“
- Zwischendurch zusammenfassen: „Diese Argumente habe ich gehört…“
- Thematisch lenken: „Ein Aspekt fehlt mir in dieser Situation…“
- Diskussionsregeln durchsetzen: „Wenn wir durcheinander reden, hat niemand etwas davon.“ „Da gehe ich jetzt dazwischen. Ich will keine persönlichen Angriffe…“
Wann und wie aufhören?
Rechtzeitig, aber wann ist das? Wenn sich Beiträge wiederholen, nur noch wenige mitdiskutieren und die Energie spürbar nachlässt, ist es schon zu spät. In unseren Veranstaltungen ist es selten notwendig, in der Diskussion zu einem Konsens zu kommen. Das erleichtert das Aufhören.
„Die unterschiedlichen Positionen sind klar geworden. Ich versuche, das kurz zusammenzufassen …..“
Tipp: Lieber etwas zu früh aufhören, wenn die Energie in der Diskussion noch spürbar ist.
FAQs zur Methode Diskussion
Frage: Kann ich bei einer Diskussion mitvisualisieren?
Wenn ich alleine bin, ist daran nicht zu denken. Ich bin voll damit ausgelastet, die Wortmeldungen zu registrieren und die Diskussion zu leiten. Wenn wir zu zweit referieren, geht das mit Einschränkungen. Als Methode verwende ich gerne Mind-Mapping, weil ich damit flexibel bin.
Will ich die Argumente festgehalten haben, setze ich die die Methode Schriftliche Diskussion oder eine Kartenabfrage ein.
Tipp: Zu zweit geht es besser!
Bei der Refak-Seminaren arbeiten wir oft als Duo. Das ist bei Diskussionen Goldes wert. Eine/einer übernimmt die Diskussionsleitung, die/der andere diskutiert inhaltlich mit. Zu zweit lässt sich eventuell mitvisualisieren.
Frage: Muss ich die Wortmeldungen in der Reihenfolge, wie ich sie registriere, aufrufen?
Damit sind wir auf der sicheren Seite. Mit dem Risiko, dass es Themensprünge gibt. Ich behelfe mich mit der Frage: Gibt es unter den Wortmeldungen noch welche zu genau diesem Themenbereich?
Frage: Soll ich vor einer Diskussion Regeln vereinbaren?
Wir fallen uns nicht ins Wort. Persönliche Angriffe gibt es nicht. Wir fassen uns kurz. Das wären einige der üblichen Regln. Ich versuche, solche Regeln im Bedarfsfall während der Diskussion einzubringen und durchzusetzen. Bei längeren Kursen ist es aber auf alle Fälle angebracht, das Diskussionsverhalten mit der Gruppe zu thematisieren und sich auf Regeln zu einigen. Hilfreich sind da die Wächterfunktionen.
Weitere Beiträge zum Thema
Zur Methode Diskussion gibt es eine Reihe von Blogbeiträgen, die in loser Folge in den nächsten Wochen (wieder-)veröffentlicht werden.
Schon erschienen ist:
#mm: Schriftliche Diskussion | Schreibgespräch
Es folgen:
#mm: Spontane Diskussionen moderieren
#mm: Pro/Contra-Diskussion
#mm: Fishbowl-Diskussion
#mm: Schriftlich Argumentieren
#mm: Das Lehrgespräch
Will, Hermann (2016): mini-handbuch Training und Seminar. Beltz-verlag, Weinheim, Seite 63 ff
Autor: Ulli Lipp
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