#legamo: Vermittlung von Solidarität

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Der 4. Blogbeitrag zum Thema Lehrgangsbegleitung widmet sich dem in der Gewerkschaftsbewegung zentralen Thema der Solidarität. Ein so wichtiger Wert (sogar das Mitgliedermagazin für 1,2 Millionen Menschen heißt so) braucht natürlich auch seinen Platz in der Lehrgangsbegleitung. Wie kann Solidarität gelehrt werden? Wie kann sie gelernt werden?

Was bedeutet überhaupt Solidarität?

Nicht nur die Teilnehmer:innen der Wiener Gewerkschaftsschule bzw. der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung allgemein haben teils unterschiedliche Definitionen und Ansichten was Solidarität bedeutet, wann sie beginnt, wen sie einschließt, ob bzw. wo sie endet. Auch in der Literatur gibt es eine Vielzahl von teils ähnlichen, teils unterschiedlichen Definitionen. Hier ein kleiner Auszug:

Jürgen Habermas beschreibt Solidarität folgendermaßen: „Wer sich solidarisch verhält, nimmt im Vertrauen darauf, dass sich der andere in ähnlichen Situationen ebenso verhalten wird, im langfristigen Eigeninteresse Nachteile in Kauf.“

Im Gegensatz dazu findet sich auf der Website des Deutschen Gewerkschaftsbundes diese Definition: „Solidarität bedeutet, dass alle Menschen aufeinander Rücksicht nehmen – auch wenn sich daraus kein eigener Vorteil ergibt. Wer solidarisch handelt, denkt an die anderen. Solidarität ist das Gegenteil von Eigennutz, Egoismus und Individualismus.“

Und hier noch die Beschreibung auf Wikipedia: „‚Solidarität‘ bezeichnet vor allem als Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens ein Gefühl von Individuen und Gruppen, zusammenzugehören.“

Pia Lichtblau betont im Kontext der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung, dass Solidarität – in Abgrenzung zum Lobbyismus – bedeutet, „ein größeres Ganzes über Einzelinteressen zu stellen. Das kann daher auch bedeuten, dass eigene Interessen zugunsten anderer zurückgestellt werden (müssen).“

Solidarität lehren und lernen

Das heißt, es geht um das Gefühl von Zugehörigkeit UND darum auf Eigenes zu verzichten. Gerade Zweiteres vielleicht nicht immer ganz so einfach. Wie kann es trotzdem gelingen?

Wichtige Aspekte für die Vermittlung von Solidarität sind das Erkennen von Gemeinsamkeiten. Für das Gefühl dabei zu sein, einer Gruppe anzugehören, mit anderen gemeinsam einen Weg zu gehen, gemeinsame Interessen zu haben ist es von Lehrgangsstart an von großer Bedeutung, das Verbindende immer wieder an die Oberfläche zu holen bzw. aktiv herzustellen. Die Lehrgangsgruppen in den Gewerkschaftsschulen sind sehr unterschiedlich und heterogen. Durch unterschiedlichste „Teambuildingübungen“ bereits von Beginn an wird die Grundlage für das Erleben von Solidarität gelegt.

Hilfreich und fördernd für das Erleben von Solidarität sind:

  • Soziometrische Aufstellungen nach Gemeinsamkeiten. Wichtig hierbei ist es unterschiedliche Ebenen zum Finden von Gemeinsamkeiten anzubieten. Das Gefühl von Zugehörigkeit kann über die Gewerkschaft, Branche, Funktion, Parteien aber auch Privates (Kinder, Haustiere, Sport…) entstehen. Durch das Finden von Gemeinsamkeiten werden Widerstände und Vorbehalte dem anderen gegenüber abgebaut und man erlebt Verbundenheit.
  • Zeit und Raum für Austausch. Von Anfang an und immer wieder Raum und Zeit für Arbeit in Kleingruppen geben. Austausch und Begegnung in kleinen Gruppen fördert – im Gegensatz zum Plenum in der gesamten Lehrgangsgruppe – Vertrauen und Verbindlichkeit.
  • Immer wieder unterschiedlichen Austausch durch wechselnde Kleingruppen anregen. Damit Zugehörigkeit nicht auf die mit der Zeit entstehenden Kleingruppen beschränkt bleibt, sondern immer wieder weitere Kreise ziehen kann. Einschließen statt Ausschließen.
  • Immer wieder den Rollenwechsel anbieten. Indem sich die einzelnen Teilnehmer:innen einbringen können, ihnen zugehört wird, sie Aufmerksamkeit bekommen, wird Empathie für die jeweilige Position und Sichtweise geschaffen. Empathie schafft Akzeptanz und Anerkennung und erleichtert bei der Inklusion.
  • Durch das gemeinsame Bearbeiten von Herausforderungen und Fragestellungen mit denen die Teilnehmer:innen in ihrer betrieblichen Realität konfrontiert sind, erfahren die Teilnehmer:innen eine wichtige Facette von Zugehörigkeit und Solidarität: Ich lasse mir helfen. Ich kann anderen helfen. Wir helfen uns gemeinsam und gegenseitig.
  • Solidarität nicht überbeanspruchen und Abgrenzung erlauben.

Das Gefühl von Zugehörigkeit, das Finden von Gemeinsamkeiten, gemeinsamen Zielen und gemeinsamen Interessen passiert nicht, sondern ist im Sinne aktiver „Beziehungsarbeit“ immer wieder aufs neue herzustellen. Dann bin ich – so wie in jeder anderen guten und tragfähigen Beziehung auch – bereit zu verzichten.

Autor: Markus Reisinger

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