Lebendig referieren

Ein Crashkurs für das Weitergeben von Wissen und Erfahrung

Wie gestalten wir Kurse, Seminare und Vorträge lernwirksam und mitreißend? Wie vermeiden wir Langeweile und wie aktivieren wir Teilnehmer*innen? Was als Seminar für Einsteiger*innen und Hin- und Wieder-Referent*innen gedacht war, zieht auch Kolleg*innen mit jahrelanger Erfahrung an. So saß auch dieses Jahr wieder (vom 13. bis 15. September 2023) eine sehr bunte Gruppe im Seminarraum in Wien. Gerda Kolb als Gruppendynamik-Expertin und „Methodenfuzzy“ Ulli Lipp führten durch die Tage.

Der Überblick

Schon in diesem Mind-Map fällt auf: Das könnte auch der Überblick über eine umfassende Trainer*innen-Ausbildung sein. Und das in zweieinhalb Tagen? Vollständigkeit konnte kein Anspruch sein. Wir wählten als Trainer*innen Teilaspekte aus. Bei der Planung Lernziele, bei der Gruppendynamik die Phasen der Gruppenentwicklung, bei den Methoden die Aktivierung usw. Ein Schwerpunkt waren praktische Übungen. Teilnehmer*innen bekamen die Gelegenheit, sich selber beim Vermitteln von Inhalten allein oder mit Kolleg*innen auszuprobieren und Feedback für die Auftritte zu erhalten.

Für jeden Tag gab es einen Fahrplan.

In diesem Blogbeitrag greifen wir einzelne Themen heraus. Alle Visualisierungen finden sich gesammelt in der Datei „Lebendig referieren 23 in Bildern„.

Die Schatzkisten-Session

Gerda Kolb und Ulli Lipp Foto: Dejan MIHAJLOVIC

Wir bringen alle Erfahrungs-Schätze mit, auch die Neulinge aus der Teilnehmer*innen- sicht. Deshalb gab es nach der Kennenlern- und Orientierungsphase eine „Schatzkisten-Session“.

Methoden

Eine kleine Auswahl von Aktivierungsinseln

Als „Renner“ unter den Methoden erwiesen sich einmal mehr die Aktivierungsinseln. Da werden in einem Vortrag kurze Phasen eingebaut, in denen Teilnehmende aus dem Zustand „passiv Zuhören“ herausgebracht werden und aktiv etwas tun: Ein Statement abgeben, etwas einschätzen, eine Frage mit den Sitznachbar*innen klären, auf Fragen antworten.

Ziel des Seminars war es auch, eine bunte Palette an Methoden für den Werkzeugkoffer der Teilnehmer*innen modellhaft einzusetzen. Zum Nachlesen findet ihr es im REFAK-Blog unter Toolbox Methoden. Eine Methodensammlung gibt es in der Dokumentation Methoden für jede Seminarphase. Dieses Seminar findet im November 2024 wieder statt.

Planung

Auch und gerade im Crashkurs darf das Thema Planung nicht fehlen. Die Reihenfolge der Planungsschritte erarbeitete sich die Gruppe selbst mit vorbereiteten Karten.

Das Formulieren von Lernzielen erleichtert die Vorbereitung enorm. Das gilt für den Ein-Stunden-Vortrag wie für längere Seminare.
Leitfäden alias Fahrpläne können unterschiedliche Form haben. Hilfreich ist die übliche Tabellenform, wenn mehrere Referent*innen zusammen arbeiten. Praktisch für den Planungsprozess sind auch Mind-Maps.

Medien

Zum „lebendig Referieren“ gehört lebendiges Visualisieren und das geht immer noch am einfachsten auf Papier. Im Seminar übten wir Gestaltung und Einsatz von Flipchart und Pinnwand. Bei den praktischen Übungen zeigte sich wiederholt das Problem, dass es schwerfällt, die „Tränen des Abschieds“ zu weinen und die Inhalte auch in den Visualisierungen auf verdauliche Happen zu reduzieren. Und: Eine klar erkennbare Struktur ist auch auf Flipcharts nötig.

Noch eine Erkenntnis: Selbst die unkomplizierte Gestaltung von Flipcharts braucht Zeit. Hilfreich ist das Erstellen einer A4-Skizze, bevor man auf das Flipchart oder die Pinnwand geht. Das gilt auch und gerade für PowerPoint. Bei der Gestaltung von PowerPoint-Slides müssen wir sehr auf die Zeit achten. Weil wir die PowerPoints perfekt gestalten wollen, wird PowerPoint in der Vorbereitung schnell zum Zeitfresser.

Für PowerPoint gab es den „TÜV“ (= Regeln zur Gestaltung) und den „Knigge“ (= Regeln und Tipps zum Einsatz). Beides und viele Anregungen darüberhinaus finden sich in der Seminardokumentation PowerPoint- Ja bitte!. Eine Fundgrube zum Visualisieren ist die Blog-Reihe #visdo (steht für Visualisierungsdonnerstag).

Lernen in Gruppen

Visualisierungen zum Thema Gruppe

Breiten Raum nahm das Thema Gruppen ein. Zahlreiche Rückfragen und Diskussionen zeigten, wie sehr diese Thematik und als Teil davon „Störungen“ den Teilnehmer*innen auf den Nägeln brennt und zwar nicht nur den neuen Referent*innen. Intensiv besprochene Fragen: „Sollen Teilnehmende zum Beispiel in Gewerkschaftsschulen die Theorie kennen? Sollen wir ihnen die Phasen der Gruppentwicklung präsentieren?“ Die klare Antwort: Die Theorie ist notwendiges Hintergrundwissen von Referent*innen, um zu verstehen, was da gerade in einer Gruppe passiert und wir richtig steuern können. Den Teilnehmenden bringt dieses Wissen nichts, außer sie arbeiten selbst mit Gruppen. Zum Thema Gruppe und Gruppendynamik gibt es im REFAK-Blog eine eigene Reihe (#grumo für Gruppenmontag) mit über 30 Beiträgen.

Praktische Übungen und Feedback

Infos vor dem kollegialen Feedback

„Mir ist das Tun fast schon zu viel! Ich möchte mich öfter zurücklehnen und nur zuhören!“ Das war eine Rückmeldung am Ende des ersten Tages. Ca. 15- mal konnten sich Teilnehmer*innen bei Präsentationen ausprobieren und Feedback bekommen. Als hilfreich erwies sich ein Input vor der ersten Runde mit kollegialem Feedback.

In den ersten Runden waren die Feedbacks sehr vorsichtig. Wir spürten eine gewisse Scheu, auch kritische Beobachtungen zu äußern. Nachdem wir das angesprochen hatten, wurden die Feedbacks sehr genau und hilfreich.

Der Blick von oben und „hinter die Kulissen“

Wir wandten viele Methoden nicht nur an, sondern sprachen auch darüber, warum wir eine Methode so und nicht anders einsetzen und welche Alternativen möglich gewesen wären. Damit der Wechsel auf diese Meta-Ebene nicht verwirrt, verwendeten wir als Symbol für den „Blick von oben“ den „Engel Aloisius“ auf seiner Wolke.

Auch die eigentlich internen Abstimmungsgespräche machten wir konsequent öffentlich vor der Gruppe. Da ging es beispielsweise um die methodische Feinjustierung („Sollen wir nicht statt des Blitzlichts eine Murmelgruppe einsetzen?“), um eine Umplanung der Pausenzeiten oder um die Anpassung der Zeitplanung („Du, wir sind jetzt mehr als eine Stunde hinterher, lass uns in den Leitfaden schauen und den Plan ändern!“). In der Schlussrunde wurde dieser „Blick hinter die Kulissen“ mehrfach als hilfreich hervorgehoben.

Am dritten Tag gab es „Modell sitzen“. Zwei Tage hatten die Teilnehmer*innen Gerda Kolb, Ulli Lipp und ihre Form der Zusammenarbeit erlebt. Nun bekamen sie Zeit, um zu überlegen und im Beutebuch festzuhalten, was sie sich von uns beiden und unserem Zusammenwirken bewusst abschauen wollen und was garantiert nicht. So wurde das ohnehin immer stattfindende Modelllernen um eine Reflexionsphase ergänzt. Ins Plenum kam nichts von diesen persönlichen Erkenntnissen und Notizen.

Zum Schluss …

gab es die Bitte, für sich selbst ein Lernfeld abzustecken und im Beutebuch zu notieren. Das kann ein konkretes Umsetzungsvorhaben, ein Projekt, der nächste Schritt in der Entwicklung als Trainer*in sein. Hilfreich ist es dabei, nur Teile des Seminars „lebendig referieren“ herauszupicken. Weil Transfer erleichtert wird, wenn man Vorhaben nicht nur stichwortartig festhält, sondern gegenüber anderen formuliert und ausspricht, gab es vor der Schlussrunde eine Partnerarbeit, in der sich die Teilnehmer*innen wechselseitig erzählten, wie sich das Seminar auf ihre Arbeit als Referent*in auswirken wird.

Autor*innen: Gerda Kolb und Ulli Lipp

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich Lizenz.
Volltext der Lizenz

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