Lernen in heterogenen Gruppen ermöglichen und gestalten
Wie man mit heterogenen Gruppen in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung umgeht und welche Einflüsse die individuellen Bildungshintergründe auf das Lernen haben, wurde in diesem REFAK Online Seminar von 23.-25.11.2020 behandelt. Die Trainerinnen waren Nicola Sekler & Margret Steixner.
Ziele des Online Seminars: Die TeilnehmerInnen…
- …wissen, dass Wissensvermittlung stets heißt, sich mit den (Vor-)Erfahrungen der TeilnehmerInnen auseinanderzusetzen und an ihnen anzuknüpfen.
- …verstehen besser, welche Dynamiken in einer heterogenen Gruppe entstehen können und wie sie damit umgehen.
- …kennen Methoden und Werkzeuge, die Lernen in Gruppen mit sehr unterschiedlichen (Vor-)Erfahrungen ermöglichen.
- …können erlernte Methoden auf ihre eigenen Seminare anpassen und anwenden.
Inhalte
- Einstieg: Meine Bildungsgeschichte + was verstehen wir unter Bildungshintergrund
- Dimensionen von Bildungshintergrund und Diversität
- Lernen in heterogenen Gruppen – Ressourcenorientiertes Lernen
- Umgang mit heterogenen Gruppen – Grundprinzipien und Methoden
Arbeitsweise: Das Seminar wurde dieses Mal als Online Seminar angeboten, mit einer dazu passenden Arbeitsweise und Zeitstruktur: Wir arbeiteten in unterschiedlichen Settings – online und offline – miteinander: mal in der Gesamtgruppe, mal in Kleingruppen, mal in Paar- oder Einzelarbeit; Inputphasen wechselten sich mit Diskussions- und Reflexionsphasen ab; dazwischen gab es genügend Pausen.
TAG 1: Meine Bildungsgeschichte
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildungshintergrund dienten Geschichten aus der eigenen Bildungsbiographie: Erlebnisse aus der Kindheit, Rolle von Bildung im Familienalltag, Tischgespräche usw… Als Impuls nutzen wir einen podcast von Andreas Sator, in dem er Armin Wolf zum Erzählen seines eigenen Bildungsweges anregt (im ersten Teil nachhörbar).
Die TeilnehmerInnen wurden eingeladen mit Hilfe von spezifischen Fragen ihren eigenen Bildungshintergrund zu reflektieren und sich in der Folge in kleinen Gruppen darüber auszutauschen. Dabei orientierten wir uns folgend in diesem Mindmap dargestellten Kategorien. Ziel war es, ein Verständnis für Faktoren zu entwickeln, die Bildungshintergründe ausmachen und über die reine formale Bildungsgeschichte hinausgehen – gesammelt dargestellt in der folgenden Mindmap.
Dimensionen von Diversität
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Bildungshintergrund ergänzten wir mit der Vorstellung des „Diversitätsrads“. Die Dimensionen von Diversität verbildlichen, das und wie Persönlichkeiten sich mithilfe unterschiedlicher Kategorien beschreiben lassen. Diese „Kategorien“ sind dabei nur ein Hilfskonstrukt, sie können nicht als einzelne Erscheinungsform gesehen werden, sondern beeinflussen sich gegenseitig und überschneiden sich. Der Bildungshintergrund – wie von uns entwickelt/eingeführt – spielt in mehreren von diesen Dimensionen eine Rolle.
Neben der Beschreibung von individuellen Eigenschaften und Merkmalen entlang der Dimensionen von Diversität, ist insbesondere die gesellschaftliche Wirkung wichtig: Was passiert, wenn unterschiedliche Fähigkeiten und Persönlichkeiten aufeinanderstoßen? Stehen diese wirklich neutral nebeneinander? Eigenschaften werden bewertet – bestimmte Erfahrungen und Merkmale zählen mehr, andere weniger. Zuschreibungen finden statt, gesellschaftliche Hierarchien wirken über Vorannahmen oder Vorurteile. Das alles beeinflusst unser (gesellschaftliches) Miteinander und damit auch die Dynamiken in Gruppen, mit denen wir arbeiten. Erlebte Diversität kann sehr unterschiedliche Bedürfnisse im Individuum wachrufen – manche Dimensionen von Diversität wollen explizit wahrgenommen und angesprochen werden, andere streben nach unaufgeregter Akzeptanz.
TAG 2: Wirken von Bildungshintergründen in Gruppen erleben: Ein Schritt vor…
Den zweiten Tag begannen wir mit einer Übung, die den Übergang der Reflexion des eigenen Erlebens zum Erleben der TeilnehmerInnen in heterogenen Gruppen markieren sollten. Dazu nutzen wir die Übung: „Ein Schritt vor.“
Ziel dieser Übung war es, sich in verschiedene fiktive Rollen hineinzudenken, die wir in Seminaren häufig erleben. Daraus ergab sich die Möglichkeit sich mit unterschiedlichen Perspektiven auseinanderzusetzen sowie Chancen und Möglichkeiten in heterogenen Gruppen anhand dieser fiktiven Personen zu realisieren/erleben. Dazu werden Seminarsituationen vorgelesen. Die Personen, die die Fragen am Ende der Situation mit einem klaren „JA“ beantworten können, gingen auf dem Arbeitsblatt einen Schritt weiter. Am Ende standen die Personen an ganz unterschiedlichen Stellen und in der Reflexion wurde überlegt, warum ein „JA“, und damit ein Schritt vor, in der jeweiligen Situation möglich/unmöglich war bzw. was es gebraucht hätte, um diesen Schritt gehen zu können (weitere Informationen siehe Artikel zum Seminar auf erwachsenenbildung.at)
Perspektivenwechsel: von der Problem- zur Ressourcenorientierung
Nachdem wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt haben, wie sich unterschiedliche Vorerfahrungen auf die Teilhabe am Seminar auswirken können, war es uns wichtig, den Blickwinkel zu ändern. Das Arbeiten mit heterogenen Gruppen wird häufig als Herausforderung wahrgenommen, die die „Ressourcen“ der Einzelnen in den Hintergrund rücken lässt. Deshalb war es unser Anliegen, uns mit der Frage zu beschäftigen: „Was bringen die einzelnen Personen in die Gruppe ein, das dem Thema oder der Gruppe zu einem arbeitsfähigen Ganzen verhelfen kann?“
Anhand der eigenen Ressourcen sowie der Ressourcen der „fiktiven SeminarteilnehmerInnen“ (Figuren) wurde deutlich, dass der Blick auf Fähigkeiten, die Teilhabe am Gruppenprozess ermöglichen kann und jede/r Einzelne in der Unterschiedlichkeit sichtbar werden kann. Hier nutzen wir einen Kurzfilm des Projektes „Das Experiment“, in dem die Gemeinsamkeiten und Zugehörigkeiten zu Gruppen eindrücklich aufgearbeitet wurden – Link siehe am Ende der Dokumentation.
Arbeiten mit heterogenen Gruppen
Nachdem im ersten Teil des Tages die Einzelpersonen im Mittelpunkt standen, befassten wir uns im weiteren Verlauf des zweiten Seminartages intensiv mit Frage, welche Dynamiken sich in heterogenen Gruppen entwickeln und wie diese gesteuert werden können. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung findest du hier.
TAG 3: Haltung als TrainerIn
Im Umgang mit heterogenen Gruppen gilt es auch, sich der eigenen Haltung zu Diversität bewusst zu sein. Wir befassten uns dabei beispielhaft mit drei Bereichen
Empathie kann als eine Grundhaltung beschrieben werden, die es uns ermöglicht, uns in andere Personen und ihr Erleben hineinzudenken. Empathie stellt deshalb eine wesentliche Fähigkeit im Umgang mit Verschiedenheit dar – mehr zu diesem Thema findet sich hier.
Lernen in heterogenen Gruppen
Um das Lernen in heterogenen Gruppen gut zu gestalten und zu ermöglichen, kann schon einiges im Vorfeld durchdacht, beachtet und bei der Planung berücksichtigt werden. Besonders wichtig erscheinen uns dabei folgende Grundprinzipien:
- Praxisbezug herstellen und mit unterschiedlichen Erfahrungen arbeiten: mit den Inhalten an Erfahrungen anknüpfen (erfahrungsnahes Lernen); Beispiele so wählen, dass für alle Anknüpfungspunkte dabei sind; immer wieder die Verwendbarkeit der (neuen) Inhalte aufzeigen; den Transfer in den Alltag begleiten, d.h. konkrete mögliche Umsetzungs- oder Veränderungsschritte schon im Seminar erarbeiten und besprechen.
- Kooperation fördern: Konkurrenz ruft Erfahrungen mit Schule hervor und unterstützt die Bildung von Hierarchien, Abwertungen, Vergleichen. Kooperative Strategien sind: Austausch fördern und damit gegenseitiges Verstehen ermöglichen; gegenseitiges Beraten (kollegiale Fallberatung); „learning by teaching“ als Prinzip kann in vielfältigen Übungen verankern, es bietet sich insbesondere bei großen Wissensunterschieden an.
- Genug Zeit einplanen, um unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen; um Anleitungen, Zusammenfassungen, Zwischenstand usw. ausführlich machen zu können.
- Einen Methodenmix umsetzen, um unterschiedliche Lerntypen zu berücksichtigen und damit die Motivation zur Beteiligung zu fördern; insbesondere das Arbeiten in unterschiedlichen „Sozialformen“ (paarweise, in Kleingruppen, Einzelarbeit, in der Gesamtgruppe, …) ist dafür hilfreich.
- Wiederholen und Verankern der Inhalte vor Ort, damit die wichtigsten Punkte leicht ersichtlich sind und sich gut setzen können.
- Explizit statt implizit: d.h. einerseits, TeilnehmerInnen gut im Lernprozess zu begleiten, Ziele sichtbar zu machen und Zusammenhänge immer wieder aufzuzeigen, den roten Faden aktiv zu legen und die TeilnehmerInnen nicht zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Im Sinne von Solidarität und Heterogenität heißt dies aber auch, explizit und kooperativ mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu arbeiten und dadurch Selbstverständlichkeit leben.
- Arbeiten mit Modellen: Modelle sind gut einsetzbar, wenn unterschiedliches (Fach-)Wissen im Raum ist. Für TeilnehmerInnen mit Vorwissen sind sie ein guter Anhaltspunkt für eine strukturierte (Wieder-)Aufarbeitung eines Themas, für AnfängerInnen sind Modelle eine gute Orientierung.
Welche Methoden können einen Beitrag zur Umsetzung der Grundprinzipien in heterogenen Gruppen leisten?
Wir schreiten zur letzten Stufe der Konkretisierung: Was kann ich nun also ganz konkret und vor Ort tun, um das Lernen in heterogenen Gruppen zu ermöglichen, zu fördern? Hier unsere gesammelten Überlegungen:
Zum Abschluss…
… des Seminars versuchen wir in aller Kürze, den TeilnehmerInnen den Schritt in die Umsetzung zu erleichtern, mit einer kurzen Transferübung:
Was habe ich in diesem Seminar gelernt, das hilfreich für meine Arbeit mit heterogenen Gruppen ist? Was habe ich in diesem Seminar erlebt, das hilfreich für meine Arbeit mit heterogenen Gruppen ist? Was setze ich konkret im nächsten Training/Seminar um?
… der Seminardokumentation noch der Hinweis, dass wir unsere Erfahrungen zu diesem Seminar auch in einem Artikel auf erwachsenenbildung.at reflektiert haben.
… des Themas geben wir allen LeserInnen, die bis hierher durchgehalten haben, noch Filmtipps ;-): Nicht nur in heterogenen Gruppen, sondern grundsätzlich ist es hilfreich, mit unterschiedlichen Materialien zu arbeiten, so werden unterschiedliche Sinne aktiviert und unterschiedliche Lerntypen und -kanäle bedient. Zum Thema Diversität gibt es ganz tolle Filme, ein paar Tipps seien hier gestreut!!
Das Experiment
Love has no labels
Alle Materialien sind hier auf diesem Padlet noch einmal zusammengestellt.
Trainerinnen: Nicola Sekler & Margret Steixner
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