„Jetzt erinnere ich mich wieder an die feuchten Augen vom letzten Mal“, sagt Paul halb stolz drauf, dass er das Bild so parat hat und halb besorgt, dass es dieses Mal wieder so sein würde. Wir sind beim vorletzten, zumindest geplanten, Treffen unserer fünf Expert*innen für die Arbeit mit und in Gruppen. Auch dieses Mal beschäftigen sich Beate, Yasmine, Rudi, Maria und Paul mit der Abschiedsphase von und in Gruppen.
„Bei Lehrgängen mag ich es besonders gerne wenn wir – die Teilnehmenden und wir als Lehrgangsleitung – nochmal ganz bewusst drauf schauen, was denn so alles passiert ist seit dem Start“, stellt Maria die Verknüpfung zu ihrer Arbeitspraxis her. Rudi schließt an und spricht vom Ernte einfahren, mit allem drum und dran: „Auch sich bewusst zu machen, was nicht oder nicht so gut gelungen ist und was gefehlt hat, ist wichtig und wertvoll. Das hat mir selber oft schon völlig neue Perspektiven eröffnet.“ Es beginnt ein lebhafter Austausch von Methoden und Übungen, die sich gut für Ergebnissicherung und Transfer eigenen. Um das gleich für den Transfer zu nützen, erklärt sich Beate, bekannt für ihren pragmatischen Zugang, bereit mit zu notieren und es denn Anderen zur Verfügung zu stellen:
Für 15 bis 20 Minuten Zeitbudget
Kurz-Transfer
Drei Impulsfragen für eine ruhige Einzelarbeit auf ein Flip schreiben, z.B.:
+ Was nehme ich mit? (Emotionen, Erlebnisse, Erfahrungen, Erkenntnisse,…)
+ Was lasse ich hinter mir? (Annahmen, Glaubenssätze, Muster,…)
+ Was nehme ich mir vor?
Die Teilnehmenden haben 10 Minuten Zeit, über die Fragen nachzudenken, Notizen machen ist gut. Danach ein wenig in die Runde fragen und einzelne Blitzlichter abholen bzw. dies im Rahmen einer Abschlussrunde machen.
Wenn noch mehr Zeit zur Verfügung steht, können die Teilnehmenden nach der Einzelarbeit in einen Austausch darüber gehen, z.B. zehn Minuten zu zweit oder auch intensiver zu zweit oder zu dritt im Rahmen von Walk&Talk.
Gedankenreise
Diese Methode eignet sich vor allem als Einleitung für einen nachfolgenden Transferschritt. Die Teilnehmenden werden eingeladen die Augen zu schließen, während der*die Trainer*in mit ruhiger Stimme durch die miteinander verbrachte Zeit leitet – mit Erwähnung einzelner Themen und Begebenheiten in chronologischer Reihenfolge. Zwischendurch werden Fragen nach der eigenen Entwicklung, besonderen Erlebnissen oder Herausforderungen eingestreut.
Brief an mich (Eine Lieblingsmethode!)
Dazu sollte pro Person ein Kuvert vorbereitet werden, Papier und Stifte sind ohnehin meist vorhanden. Die Teilnehmenden werden dazu aufgefordert einen Brief an sich selbst zu schreiben, in dem sie über ihr Erleben, ihre Erkenntnisse und Gefühle berichten. Auch Vorstellungen für die Zukunft oder Dinge, auf die man nicht vergessen will, eigenen sich für als Inhalt für so einen Brief. Die verschlossenen und adressierten Kuverts werden dem*r Trainer*in übergeben, die diesen in einem vereinbarten zeitlichen Abstand abschickt.
Für 30 bis 60 Minuten Zeitbudget
Bilder sagen mehr…
Die Teilnehmenden fertigen ein Bild (zeichnen, malen, kleben,..) über die Zeit in der Gruppe an. Je nachdem was stimmig erscheint, wird zu unterschiedlichen Verdeutlichungen angeregt: Phasen, Themen, Entwicklungsschritte, High und Low Lights, neue/gestärkte Fähigkeiten, identifizierte Lernfelder, etc.
Die Bilder werden dann in Form einer Galerie, einzeln nacheinander vor der Gruppe oder auch in 2er/3er-Settings präsentiert.
Brief an dich
Bei dieser Variante wird ein Brief an eine*n andere*n Teilnehmer*in geschrieben und wiederum mit zeitlichen Abstand (mehrere Woche bis Monate) abgeschickt. Der Brief entsteht nach einem intensiven Austausch im Paar über die Erlebnisse in dem Seminar/Lehrgang/Training, die am besten mit Impulsfragen angeleitet werden. Der Brief ist dann sowohl ein Bericht über das Gehörte als auch eine Rückmeldung zu eigenen Eindrücken über die Person. Wichtig ist hier, dass die Partner*innen sich aussuchen können mit wem sie diese Übung machen wollen.
„Für mich geht es bei diesen Transfer-Geschickten prinzipiell darum, Zeit und Raum zur Verfügung zu stellen und ein bissl Anleitung zu geben“, fügt Yasemine noch hinzu, nachdem sie den Kolleg*innen die Variante des Briefes an jemanden anderen in der Gruppe erläutert hatte. Sich den Erkenntnissen, Veränderungen und Entwicklungen, die die jeweilige Zeit in und mit der Gruppe gebracht haben, bewusst zu werden ist hilfreich, um diese anschließend auch gut nutzen und in den (Arbeits-)Alltag integrieren zu können. Es ist durchaus auch selbstermächtigend sich seiner eigenen Entwicklungs- und Lernfähigkeit bewusst zu sein und diese zu gestalten.
„Diese Runde wird mit fehlen“, seufzt Paul leise in sich hinein und versucht seine Augen trocken zu halten. Beate hat seinen Anflug von Wehmut trotzdem mitbekommen, legt ihren Arm auf sein Schultern und meint: „In jedem Ende schlummert auch ein Anfang und es spricht überhaupt nichts dagegen in Kontakt zu bleiben.“ Die anderen stimmen mit ein und erinnern einander noch an das Vorhaben für das nächste und gleichzeitig letzte Treffen unserer fünf Expert*innen. Diese soll mit dem sammeln und praktizieren von Lieblings-Abschiedsritualen begangen werden. Adieu!
Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky
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