#grumo_02: Kennenlern- und Wie-geht’s-mir-Runden

Was braucht so eine längerfristige Gruppe eigentlich?

Dass eine zusammengewürfelten Runde von Personen zusammenfindet, sich kennen lernt, sich als „Gruppe“ definiert und auch längerfristig gemeinsam „funktioniert“ scheint ein völlig alltäglicher Vorgang zu sein. Das passiert doch von selber – oder?? Was eine Gruppe braucht, um eine Gruppe zu werden und zu bleiben, darum geht’s im #grumo_02!

„Ich find’s ja lustig, aber mir geht’s jedes Mal gleich: kurz bevor das Seminar anfängt und die Leute schon eintrudeln bin ich voll genervt. Ich mag die alle nicht kennen lernen, fühl mich überfordert und würde am liebsten weg. Meistens schon am Nachmittag vom ersten Tag und ganz sicher nach dem zweiten Tag find ich die Gruppe plötzlich sympathisch, die meisten Leut‘ interessant und mit ein paar wäre ich ehrlich an weiteren Gesprächen interessiert. Schräg, oder?“

Maria lehnt sich zurück und schaut zu Yasmine, die sich für das heutige Treffen bereit erklärt hat, inhaltlich ein paar Punkte vorzubereiten. „Mir geht’s genauso“ – Paul hakt gleich nach – „Ich weiß, dass sie mir nach spätestens einem Tag anfangen ans Herz zu wachsen, aber so ganz zu Beginn möchte ich am Liebsten gar niemanden kennen lernen. Das ist mir auch bei uns so gegangen.“ – Er schaut ein bisschen verlegen in die Runde – „Am ersten Seminartag war ich innerlich ganz viel mit Augenverdrehen beschäftigt.“

Yasmin setzt gleich ein: „Voll gut, dass ihr gleich so ins Thema einsteigt! Könnt ihr einen Zeitpunkt festmachen, ab dem sich die Ablehnung in Interesse verwandelt hat?“ – Paul überlegt kurz: „Naja, ich glaub das war nach der ersten Vormittagseinheit. Beim Mittagessen hab ich mit Beate schon nett geplaudert und dann hat sich Maria zu uns gesetzt, mit ihr war ich vorher schon in der Kleingruppe, und da haben wir uns gut verstanden.“ Rudi holt schon Luft, um zu einer Erklärung anzusetzen, aber Yasmine steht auf und meint: „Wart mal, Rudi, du kannst mich gern später ergänzen, aber ich will euch mal vorstellen, was ich mir für euch heute überlegt habe.“

Rahmen und Struktur ermöglichen Arbeitsfähigkeit

„Das, was längerfristige Gruppen jedenfalls brauchen ist ein Ziel, die Bereitschaft sich aufeinander einzulassen und einen klaren Rahmen bzw. eine klare Struktur. Der Rahmen und die Struktur ist bei Seminargruppen oft durch die Seminarorganisation vorgegeben: Ort, Dauer und zumindest grob die Inhalte. Selbstorganisierte Gruppen – so wie wir hier – müssen sich die Struktur und den Rahmen selber vereinbaren.“ – Alle nicken. Es war gar nicht so einfach einen passenden Tag und ein Lokal für das regelmäßige Treffen zu finden, das für alle halbwegs gleich gut erreichbar ist. „Das sind mal formale Kriterien. Jetzt geht es um die Zugehörigkeit. Die erste Frage bei Teams und Gruppen ist: Wer ist dabei? Wer gehört dazu?“

Am Anfang will ich am Liebsten gar niemanden kennen lernen….

Klingt banal, aber wenn das unklar ist, dann strudelt die Gruppe von Anfang an dahin. Wenn ihr an Seminare denkt und Leute, die erst später dazu kommen, dann bringt das ein bisschen Unruhe in die Gruppe. Weil eigentlich durch eine neue Person schon eine neue Gruppe entsteht. Und gerade am Beginn ist das sehr stark spürbar. Wenn eine Gruppe dann schon länger besteht und jemand dazu kommt, gibt’s häufig bereits klare Vereinbarungen, die diskutiert und verhandelt werden können. Am Anfang sind die noch im Entstehen und deswegen kann das richtig frustrierend werden, wenn Personen erst nach einem halben Tag einsteigen.“

Wer bist du…

Yasmine nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee und schaut zu Beate. „Du hast letztes Mal Wie-geht’s-mir-Runden angesprochen. Ich bin da ein großer Fan davon, so wie von ausführlichem Kennenlernen zu Beginn vom Seminar, ich sag dir auch gleich warum. Wenn mal klar ist, wer dazu gehört, dann ist der nächste Schritt sich ein Stückchen besser kennen zu lernen. Maria, du hast gemeint, am Anfang gehen dir alle auf die Nerven. Voll verständlich, so viele neue Leute sind für jeden Menschen überfordernd. Und auf Unsicherheit reagieren manche mit genervt sein, andere werden besonders witzig, oder ziehen sich ganz zurück. Um schnell arbeitsfähig zu werden ist es wichtig, dass jede und jeder ein bisschen was von sich her gibt, etwas Persönliches in die Gruppe legt. Und dazu sind Vorstellungs- oder auch Befindlichkeits-runden gut geeignet. Wenn jede/r schon mal ein bisschen was von sich erzählt hat, gibt es Anknüpfungspunkte. So wie du gemeint hast, Paul, dass du dann beim Mittagessen schon mit Beate und Maria geplaudert hast.“

Paul nickt. Beate ist noch nicht überzeugt: „Ich sehe was du meinst, aber zum siebzehnten Mal den gleichen Sermon von wer ich bin und was ich mache runterleiern, das bringt mich den anderen nicht wirklich näher.“ Yasmine lacht. „Ja, da hast du natürlich recht. Für seminarerprobtes Publikum sind Kennenlernübungen echt eine Herausforderung. Die Auswahl einer interessanten Methode trägt natürlich sehr dazu bei, wie gut das Kennenlernen für die Teilnehmer*innen funktioniert. Am REFAK Blog gibt’s da eine gute Sammlung zu etwas innovativeren Methoden. Ich schick euch gern den Link dazu.“ 

… und wie geht’s dir?

„Und wann machst du dann wie-geht’s-mir-Runden?“ Beate ist immer noch skeptisch. „Naja,“ meint Yasmine, „ich mach gern kurze Blitzlichter, wo alle nur ein kurzes Stimmungsbild abgeben, wie es ihnen grad geht. Das mach ich gern am Ende von einem Seminartag, um für den nächsten Tag ein bisschen besser planen zu können. Wenn alle super zufrieden sind, gehe ich in die Richtung weiter. Wenn alle sich eigentlich was anderes erwartet hätten, kann ich den Kurs noch korrigieren.

Je nach Gruppe mach ich auch oft nur ein Daumenfeedback (Daumen hoch, mittel oder Daumen runter, wichtig: Alle gleichzeitig, auf drei). Manchmal auch am Beginn vom zweiten oder dritten Seminartag, um einen Eindruck zu bekommen, ob alle halbwegs da sind mit den Gedanken. Wenn eine recht intensive, konfliktträchtige Einheit war, dann ist es mir wichtig, vor der Pause zu wissen, ob alle gut in die Pause gehen können. Da frag ich dann einfach nach der Befindlichkeit auf einer Skala von 1-10, ohne Erklärung dazu. Für mich ist das eine wichtige Information, damit ich weiß, ob ich nach der Pause mit dem Programm weitermachen kann oder der Konflikt noch Raum braucht.“ 

Yasmine denkt kurz nach. „Aber ich versteh deine Genervtheit damit. Es gab eine Zeit, da ist das ein bisschen ausschweifend verwendet worden.“ Beate runzelt die Stirn. „Also mit diesen Skalen und der konkreten Nachfrage, ob sie zufrieden sind mit der Richtung, da kann ich schon was anfangen.“ Yasmin lächelt und zuckt die Achseln: „Ich glaub, es muss halt zur Trainerin oder zum Trainer passen. Wenn’s aufgesetzt wirkt und kein echtes Bedürfnis dahinter steckt, dann kann man es gut auch sein lassen.“

Gleich selber ausprobieren

Yasmine lehnt sich zurück und greift zu ihrem Kaffee „Unsere vereinbarte Zeit ist eh schon fast wieder vorbei. Wollen wir zum Abschluss gleich eine Blitzlichtrunde ausprobieren? Mich würd interessieren, ob euch meine Gedanken was gebracht haben und wie wir nächstes Mal weiter machen sollen.“ Sie blinzelt Beate an „Willst du gleich anfangen?“ – „OK. Ich mach’s kurz: Danke für die Vorbereitung. Ich werde mal in Zukunft mit so Runden experimentieren und die alternativen Kennenlernübungen am REFAK Blog schau ich mir auch an.“

Beate gibt weiter an Paul. „Ich bin froh, dass es nicht nur mir so geht mit Gruppen am Anfang. Danke und ich würd‘ gern da weiter gehen in die Richtung, was Gruppen am Anfang brauchen.“ Paul schaut zu Maria: „Ich schau mir auch den REFAK Blog an. Blitzlichtrunden mach ich eh oft und hab‘ gute Erfahrungen damit.“ Sie schaut weiter zu Rudi, der räuspert sich „Guter Einstieg ins Thema. Vielen Dank!“ Yasmine zieht verschmitzt die Augenbrauen hoch: „Was? Gar keine Ergänzungen?“ Rudi fährt sich über die Glatze und lacht: „Nein. Ich könnt nur wiederholen was du gesagt hast, und das wär ja echt unnötig.“

Paul schaut Maria an: „Du, sag‘, ihr macht doch auch zum Beginn vom Lehrgang immer so Vereinbarungen über die gemeinsame Arbeitsweise. Wollen wir da vielleicht nächstes Mal was dazu erzählen?“

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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