Interne Weiterbildung: Das Mitarbeiter*innengespräch
Auf alle, die neu im ÖGB zu arbeiten beginnen, warten einige „Pflicht-Seminare“, die dazu dienen sollen, die Organisation kennen zu lernen und sich als Arbeitnehmer*in darin zurecht zu finden. Eines davon ist das Seminar „Das Mitarbeiter*innengespräch“, in dem – richtig geraten – die Kolleg*innen auf das jährlich stattfindende Mitarbeiter*innengespräch vorbereitet werden. Auch in Zeiten von Corona kamen neue Kolleg*innen zu ÖGB und Gewerkschaften und erlebten teilweise ihren ersten Arbeitstag im Homeoffice! Bedarf war also vorhanden und musste gedeckt werden – die zuständigen Kolleg*innen Nina Dirnweber und Matthias Glogowatz reagierten prompt und verlagerten das Seminar in den virtuellen Raum. Das REFAK-Team hat sie zu ihren Erfahrungen – natürlich in Form einer Videokonferenz – interviewt!
REFAK: Beschreibt mal eure Ausgangssituation – was ist das eigentlich für ein Seminar, über das wir hier reden?
Nina: Das Seminar zum Mitarbeiter*innengespräch ist ein Pflichtseminar für neue Mitarbeiter*innen, das wir normalerweise mehrmals jährlich anbieten. Dabei nehmen im Durchschnitt 15 bis 16 Personen teil, die kommen aus allen Teilen der Gewerkschaften, haben die unterschiedlichsten Aufgaben und Positionen.
Matthias: Wir haben ja eine Betriebsvereinbarung zu den Mitarbeiter*innengesprächen, und mit der sollen die Kolleg*innen im Seminar vertraut gemacht werden. Jetzt wurden wir von Corona überrascht – aber die neuen Kolleg*innen müssen verpflichtend dieses Seminar absolvieren, ein Termin war auch schon fix geplant, die Teilnehmer*innen waren schon angemeldet. Es war also klar, dass wir eine Online-Variante entwickeln mussten.
REFAK: Ihr musstet also ein bestehendes Präsenzseminar in ein virtuelles Seminar umbauen. Wie seid ihr das angegangen?
Matthias: Wir haben das Seminardesign des Präsenzseminars als Ausgangspunkt genommen und geschaut, was davon ist besonders wichtig, was kann weggelassen werden. Im Präsenzseminar haben wir zum Beispiel einen Teil zu Kommunikation und Gesprächsführung – das ist aber online schwierig zu vermitteln. Den haben wir zum Beispiel weggelassen.
Nina: Dann haben wir uns überlegt: Wie kann das lustvoll umgesetzt werden, mit welchen Tools und Methoden? Das Präsenzseminar dauert einen ganzen Tag, online hält das natürlich niemand durch. Wir haben das Seminar daher aufgeteilt und an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 2,5 Stunden gemacht.
REFAK: Wie habt ihr das technisch umgesetzt? Welche Hard- und Software habt ihr verwendet, bzw. was stand den Teilnehmer*innen zur Verfügung?
Matthias: Wir sind beide in unseren jeweiligen Homeoffices gesessen und haben mit Computer, Kamera, Mikrofon und Smartphone gearbeitet, als Software haben wir in dem Fall Zoom verwendet. Den Teilnehmer*innen haben wir vorab geschrieben, dass sie im Idealfall die gleiche Ausstattung haben sollten. Das hatten aber nicht alle – einige haben deshalb ihr Smartphone als Kamera-Ersatz verwendet, manche hatten nicht einmal das. Teilnehmen konnten schlussendlich aber alle, die zumindest ein Mikro hatten.
Nina: Zwei Geräte, also ein PC oder Laptop und zusätzlich ein Smartphone sind deshalb praktisch, weil wir immer wieder Tools verwendet haben, die über Browser funktionieren. Wenn man da kein zweites Gerät hat, muss man immer zwischen den Fenstern hin und her wechseln, das erhöht die Gefahr, aus Zoom rauszufallen. Zum Beispiel haben wir Mentimeter und Padlet eingesetzt. Über Mentimeter kann man super Erwartungen abfragen, auf Padlet Ideen sammeln. So kann auch ein virtuelles Seminar lebendig und lustig werden!
REFAK: Als Software habt ihr Zoom verwendet…
Nina: Ja, wir kennen natürlich alle Diskussionen rund ums Thema Datenschutz und Zoom. Auch bei uns suchen wir nach Alternativen und testen verschiedene Tools. Es musste aber schnell gehen und Zoom bietet zwei Features, die für Online-Seminare wirklich unverzichtbar sind: einerseits kann man immer alle Teilnehmer*innen sehen und nicht nur die, die zuletzt geredet haben. Und andererseits bietet Zoom die Möglichkeit von „Breakout-Rooms“, also quasi virtuellen Kleingruppen. Und die sind wirklich unverzichtbar, wenn Teilnehmer*innen aktiv was erarbeiten und nicht nur berieselt werden sollen!
Matthias: Dabei haben wir weit nicht alle Möglichkeiten genutzt, die Zoom bieten würde – das wäre für so ein kurzes Seminar auch zu viel und würde die Teilnehmer*innen überfordern. Zu Beginn des Seminars haben wir eine kurze Zoom-Einführung mit den Teilnehmer*innen gemacht, damit sie die Grundfunktionen beherrschen. Also, wie gibt man die Kamera frei, wie verwendet man den Chat, wie kann man den eigenen Bildschirm freigeben etc… Das waren nur ca. fünf Minuten. Ziel war, dass alle mitmachen können, auch wenn jemand die Kamera nicht einschalten konnte. Und viel und gern genutzt wurde von Anfang an der Chat! Auch Personen, die sich nicht reden trauen, nutzen den Chat, um Fragen zu stellen oder zu kommunizieren.
REFAK: Kommen wir zur Didaktik. Beschreibt mal drauflos: Wie habt ihr das Webinar didaktisch gestaltet?
Nina: Wie in einem „normalen“ Seminar sind wir, nach dieser technischen Einführung, mit einer Vorstellrunde eingestiegen – aber wirklich nur ganz kurz, wie die Person heißt, wo sie arbeitet und in welchem Bereich. Also in meinem Fall: Nina Dirnweber, Zentrale Wien, Bildungssekretärin. Da muss schon mal jede/r was sagen, in die Kamera lächeln und das Eis ist ein bisschen gebrochen.
Matthias: Dann haben wir die üblichen Seminarregeln mit PowerPoint gezeigt: Geduld mit der Technik, Vertraulichkeit, Fehler sind erlaubt, Fragen gleich stellen, Selbstverantwortung… Besonders der letzte Punkt ist grad in Webinaren wichtig: Jede und jeder ist selbst dafür verantwortlich, sich einzubringen oder das Seminar einfach nur „abzusitzen“.
Im Webinar dann haben wir auch aktive Phasen eingebaut, in denen die Teilnehmer*innen in Kleingruppen Dinge erarbeitet und anschließend präsentiert haben. Dafür sind die sogenannten Breakout-Rooms von Zoom super – die Teilnehmer*innen kommen für eine bestimmte Zeit in einen eigenen virtuellen Gruppenraum und werden dann wieder zurück in die Großgruppe geholt. Ein Webinar muss nicht nur eine Berieselung sein, man kann damit gut auch selbstgesteuertes Lernen anregen und fördern!
Nina: Stimmt, und auch ganz nieder-schwellig kann man Teilnehmer*innen aktiv einbinden. Wir haben zum Beispiel verschiedene Abfragen über Mentimeter gemacht, beispielsweise die Erwartungen der Teilnehmer*innen am Anfang oder das Feedback am Ende. Und mit Padlet haben wir Karten geclustert! Das machen wir im Präsenz-Seminar auch so: Die Teilnehmer*innen müssen Begriffe bestimmten Schlagworten zuordnen. Im Präsenz-Seminar machen sie das an einer Pinnwand selber, im Webinar haben sie uns einfach zugerufen, zu welchem Schlagwort die Begriffe gehören und ich hab sie im Padlet rumgeschoben.
Matthias: Ich glaube, Abwechslung in den Methoden und das aktive Einbeziehen der Teilnehmer*innen ist besonders wichtig, damit die Aufmerksamkeit erhalten bleibt und die Leute nicht wegdriften. Das ist uns, glaub ich, ganz gut gelungen!
Nina: Was auch noch gut funktioniert hat: wir haben den Teilnehmer*innen die Unterlagen, die sie dann für die Gruppenarbeiten brauchen, also Powerpoints, Dokumente etc. schon vorab zugeschickt. Dann haben sie die schon und man muss sie nicht erst während des Webinars übermitteln. Und viele haben sich die Unterlagen sogar schon vorab ausgedruckt! Im Nachhinein haben wir ihnen dann wirklich nur noch die Dokumentation des Webinars zugeschickt, also die Dinge, die währenddessen erarbeitet worden sind.
REFAK: Durchgeführt habt ihr die Seminare immer zu zweit?
Matthias: Ja, das würde ich auch allen raten, das so zu machen. Auf die Art kann immer eine Person die Moderationsrolle übernehmen und aktiv anleiten, während die andere Person sich im Hintergrund um die Technik kümmert und die Teilnehmer*innen im Blick behält. So bekommt man auch mit, ob jemand was nicht versteht oder ob jemand überhaupt rausgefallen ist.
Nina: Für den Fall haben wir den Teilnehmer*innen vorab unsere Handynummern gegeben – sollte jemand rausfallen und Hilfe beim Wieder-Einsteigen brauchen, kann er/sie uns einfach anrufen. Es ist immer irgendwann wer rausgefallen, aber die Teilnehmer*innen haben es fast immer geschafft, selber wieder einzusteigen und ihre Technik in den Griff zu bekommen.
REFAK: Und was sind aus eurer Sicht Vorteile des e-Learning?
Nina: Spontanere Schulungen sind möglich, man kann also rascher auf einen entstehenden Bedarf reagieren und die Seminare zeitnah anbieten, wenn neue Kolleg*innen in die Organisation eintreten. Und weil insbesondere Kolleg*innen aus anderen Bundesländern nicht extra anreisen müssen, werden auch Zielgruppen erreicht, die sonst nicht so leicht erreicht werden, z.B. Führungskräfte oder eben Personen mit weiter Anreise oder Betreuungspflichten zuhause. Und damit auch insbesondere Frauen.
Matthias: Interessant ist auch, dass die Verbindlichkeit der Teilnehmer*innen höher ist als im Präsenzmodus. Also, wenn eine Pause für 15 Minuten angesetzt war, waren nach den 15 Minuten wirklich alle pünktlich wieder da! Und auch Methoden, die kurz und prägnant sind, funktionieren besser, wie zum Beispiel das Kurzfeedback. Die Gefahr von ungebetenen Co-Moderationen scheint irgendwie nicht so hoch zu sein wie im Präsenzmodus!
REFAK: Zum Abschluss noch: Worauf muss ich achten, wenn ich ein Online-Seminar anbieten möchte? Eure drei wichtigsten Erkenntnisse aus euren Erfahrungen?
Nina: Keine Angst vor e-Learning! Es ist gar nicht so eine Hexerei und hat gleich auf Anhieb wesentlich besser funktioniert als gedacht!
Matthias: Es ist aber auf jeden Fall gut, wenn man schon ein eingespieltes Trainer*innen-Team ist und sich gut kennt. Dann funktioniert der Wechsel zwischen Input- und Hintergrundarbeit auch gut.
Nina: Wichtig ist auch die Zeitplanung: Lieber mehr und kürzere Einheiten als eine längere machen. Unbedingt am ersten Tag 30 Minuten vor Beginn einplanen und schon online sein, damit Teilnehmer*innen einsteigen und die Technik ausprobieren können. Und auch nach hinten am besten einen Zeitpuffer einplanen – früher aufhören kann man ja immer, aber gefühlsmäßig dauern Dinge online manchmal ein bisschen länger und da ist es gut, wenn man Spielraum hat. Und natürlich, ganz wichtig: Pausen einplanen. Nach einer Stunde eine kurze Kaffeepause muss sein!
Matthias: Und Abwechslung ins Seminar bringen! Gruppenarbeiten, lustige online-Tools, Übungen, Quizzes… Damit den Teilnehmer*innen nicht fad wird und alle bis zum Schluss gern dabeibleiben!
REFAK: Das waren jetzt sogar mindestens vier gute Tipps! Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt!
Autor*innen: Pia Lichtblau und Ulli Lipp
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