Die Warum-Frage ist wohl die schwierigste unter den W-Fragen. Warum machen wir, was wir machen? Genau das haben wir Bildungsverantwortliche quer durch die Bank gefragt: Warum macht ihr gewerkschaftliche Bildungsarbeit und was treibt euch an?
Gertraud Wiesinger, Bildungssekretärin in der Gewerkschaft GPA
„Auch wenn die finanziellen, technischen und personellen Ressourcen meistens nicht auf der Seite des Betriebsrates liegen, entsteht regelrecht ein Kampfgeist und ein Gemeinschaftsgefühl. Das motiviert mich in meinem Tun.“
„Bildungsarbeit ist eine kreative Arbeit. Ich habe mit Menschen zu tun und konkreten Anliegen, bei denen sie Unterstützung brauchen. Für mich ist immer wieder interessant und lehrreich, was in den Betrieben los ist, wo es hakt und wie der Umgang miteinander ist.
In meinen Seminaren geht es oft um Strategien, wie ich als Betriebsrat bzw. Betriebsrätin etwas umsetzen kann. Wir schöpfen dabei sehr stark aus dem Wissen und den Erfahrungen der Teilnehmer:innen und arbeiten gemeinsam an aktuellen Herausforderungen. Es ist schön zu sehen, wie hilfsbereit die Kolleg:innen gegenüber anderen sind. Es geht in meinen Seminaren aber auch darum, zu lernen, sich gegenüber herausfordernden Menschen und Situationen durchzusetzen. Da das auch immer wieder meine persönlichen Lernfelder sind, finde ich den Austausch mit Teilnehmer:innen dazu spannend und wichtig.“
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Marco Samhaber, Lehrgangsleiter der Zukunftsakademie
„Es ist jedes Mal aufregend zu erleben, wie souverän Teilnehmer:innen präsentieren und argumentieren, obwohl sie sich das Monate zuvor nicht zugetraut hatten.“
„In der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung geht es nie nur um Verbesserung von Fachkompetenzen. Es geht immer auch um soziale Kompetenz, um Führung und Steuerung, ums Reflektieren der eigenen Werte. Ebensowenig geht es nicht nur um die persönliche Entwicklung der Teilnehmer:innen mit dem Ziel nach mehr Lohn, besseren Aufstiegschancen usw. Der Erfolg der Ausbildung ist auch daran geknüpft, die Kolleg:innen im Betrieb noch besser vertreten zu können und ihre Lebensumstände zu verbessern.
Diese Prinzipien und diese Erfahrungen ergeben mein persönliches „Warum“. Für mich ist gewerkschaftliche Erwachsenenbildung nicht nur ein Job – es ist eine stete Reise, die auch emotionalisiert. Und sie ist ein Garant dafür ist, dass die Gewerkschaftsbewegung entwicklungsfähig, nachhaltig und auch ein Stück weit visionär bleibt.“
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Stefanie Jöbstl, Bildungssekretärin in der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten
„Je mehr ich weiß, je größer mein Netzwerk ist, desto besser kann ich Veränderungen in der Arbeitswelt und Politik verstehen und meine Teilhabe an diesen Prozessen vergrößern. Das macht Bildungsarbeit so bedeutsam und attraktiv für mich.“
„Zu sehen, wie die Teilnehmenden ihre Rucksäcke mit neuem Wissen packen, Zusammenhänge kritisch hinterfragen und diskutieren, spornt mich an. Gerade das miteinander und voneinander Lernen ist für mich ein wichtiger Teil der Bildungsarbeit, der mich motiviert.
Denn nicht nur die Teilnehmenden, auch ich nehme viel Neues mit, sei es für die Bildungsarbeit oder für mich persönlich. Ich lerne aus den Erfahrungen und Erzählungen der Teilnehmer:innen über ihre Herausforderungen und Chancen im Alltag. So kann ich die Inhalte der Kurse auch immer wieder verbessern. Außerdem gibt es viele unterschiedliche Persönlichkeiten in den Seminaren. Jede und jeder hat unterschiedliche Interessen und Wissensstände, die ich auch gerne nutze – zum Beispiel haben wir in der Bildungsabteilung eine neue Kamera bekommen und zufällig war ein Teilnehmer im Kurs, der in seiner Freizeit gerne fotografiert und einen kleinen Crash-Kurs gegeben hat. Oder eine Teilnehmerin, die ihre persönlichen Tipps beim Umgang mit Konflikten geteilt hat und mich und die ganze Gruppe so auf neue Ideen gebracht hat.“
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Marchsteiner, Bildungssekretär in der younion
„Wenn mich Kolleg:innen kontaktieren und sagen: ‚Ich konnte etwas, dass ich in einem Seminar gelernt habe, umsetzen und war damit erfolgreich‘, weiß ich, dass wir am richtigen Weg sind. Das treibt mich an.“
„Ich glaube, dass gewerkschaftliche Bildung der Schlüssel für einen erfolgreichen Arbeitskampf ist. Je mehr Kompetenzen und Wissen wir erlangen, umso mehr Macht entwickeln wir als Arbeitnehmer:innenvertretung in unserer täglichen Auseinandersetzung in den Betrieben und Dienststellen. In Seminaren und Workshops gemeinsam an Themen zu arbeiten und dabei weiterzuentwickeln, macht mir am meisten Spaß.“
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Elisabeth Steinklammer, pädagogische Leitung der Referent:innen-Akademie
„Mich motiviert, wenn es gelingt, dass Lehrgangsgruppen Konflikte gemeinsam besprechen, bearbeiten und lösen. Oder wenn Menschen total motiviert und begeistert gemeinsam lernen und arbeiten, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Branchen kommen, sehr verschiedene Lebensrealitäten haben und auch sonst auf den ersten Blick mehr Trennendes als Gemeinsames da ist.“
„Gerade in Zeiten der großen Krisen, frage ich mich immer wieder (und vermutlich nicht nur ich): Was kann ich denn schon tun? Alleine kann das Ohnmachtsgefühl schon schnell mal groß werden. Umso wichtiger finde ich es, mich auf Bereiche zu konzentrieren, in denen ich etwas bewegen und gestalten kann und in denen es Menschen gibt, mit denen ich mich organisieren kann. Gewerkschaften sind so ein Ort für mich und insbesondere Betriebsrät:innen sind für mich so eine wichtige Personengruppe, die ganz direkt etwas mit und für Menschen in der Arbeitswelt verändern kann.
Durch meine Ausbildungen und meine Erfahrung kann ich wiederum Betriebsrät:innen dabei unterstützen, sich weiterzubilden, gemeinsam zu lernen und sich gut aufzustellen für die ständigen Veränderungen, mit denen sie konfrontiert sind. In der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung haben wir den großen Freiraum, emanzipatorische Bildung unabhängig von staatlichen Strukturen und Curricula zu gestalten. Wir können solidarische Lernsettings und Bildungsräume öffnen und mit Trainerinnen und Trainern zielgruppenorientiert arbeiten. Diesen Gestaltungsspielraum gemeinsam zu nützen ist eine ganz große Motivation für mich.“
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Redaktion: Irene Steindl
Illustration: Julia Stern
The future is female? Wie gewerkschaftliche Bildung mehr Frauen erreichen will
Was tut gewerkschaftliche Bildung konkret, um Seminare und Lehrgänge für Frauen attraktiv zu gestalten oder eine Teilnahme überhaupt zu ermöglichen? Was gelingt bereits gut? Wo kann nachgeschärft werden?
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