Tipps für Seminare online
Als Einsteiger in Online- Trainings war ich dankbar für jede Unterstützung von erfahrenen Kolleg*innen. Deshalb gebe ich hier gerne Tipps weiter, die ich in drei Online-Tagen mit der Plattform BigBlueButton gesammelt habe. Das ist reduziert und vom Anfänger für Anfänger*innen. Eine ganz ausführliche Anleitung gibt es in diesem Blog als Trainer*innen-Handbuch BigBlueButton. Viele der Tipps gelten auch für andere Plattformen wie Zoom & Co.
Kamera an!
Wir baten unsere Teilnehmer*innen, die Kameras eingeschaltet zu lassen. Das war für niemanden ein Problem. Im Gegenteil, das Kamerabild ermöglicht erst eine vernünftige Kommunikation und Interaktion. Man sieht Wortmeldungen, man kann mit „Daumen hoch“ oder runter abstimmen. Man kann nach gelungenen Beiträgen klatschen. Bei der Ansicht nur mit den Köpfen kann ich in den Gesichtern lesen: Zustimmung und Freude, Langeweile und Müdigkeit, fast wie im Präsenztraining. Ich sehe, wenn jemand was anderes tut. Der Hintergrund ist auch nicht unwichtig: Homeoffice oder Büro und manchmal kommen gerade die Kinder von der Schule heim und huschen durchs Bild. Dieses „Menscheln“ tut gerade online gut!
Unser Notfallplan bei schlechter Internetanbindung von Teilnehmer*innen: In BBB können Teilnehmer*innen die Videoqualität auf ein Minimum reduzieren.
Arbeitszeiten und Pausen
Viereinhalb Stunden Arbeitszeit pro Tag (Pausen schon weggerechnet.) sind gut. Beim täglichen Feedback wurde des Öfteren betont: „Wir sind eigentlich noch ganz frisch und nicht kaputt!“ Vormittags haben wir von 9-11.00 Uhr gearbeitet, dann gab es zwei volle Stunden Pause. Die Nachmittags-Einheit dauerte von 14 bis 16.00 Uhr. Bewährt hat sich, zusätzlich in jeder Stunde 10 Minuten Pause einzubauen. Auch nach Gruppenarbeiten ist das sinnvoll, weil während der Kleingruppenarbeit online haben Teilnehmer*innen keine Bewegung.
In die Mittagspause legten wir an zwei der drei Tage individuell zu erledigende Aufgaben, die etwa 20 Minuten in Anspruch nahmen. Die Teilnehmer*innen sollten so zum Beispiel Aktivierer für die eigenen Kurse entwickeln und an Tag 2 sich Geschichten für das Storytelling überlegen.
Die Technik-Einweisung ist ein Bringer!
Wir haben in der Woche vor dem Online-Seminar zu zwei einstündigen (identischen) Technik- Einweisungen eingeladen. Mehr als die Hälfte unserer Teilnehmer*innen nahmen dieses Angebot wahr. Das hat sich auch rentiert: Mindestens drei der Teilnehmer*innen wären sonst vermutlich schon am Anfang des Trainings gescheitert.
Bei dieser Einweisung ging es nur um die technische Seite: Wie komme ich rein? Wie steuere ich die Ansicht? Was mache ich, wenn ich rausfalle? Wie kann ich selbst etwas hochladen? Wie nutze ich den Chat? Natürlich gibt es da auch YouTube-Filmchen zum selbst Anschauen. Vorteile unserer Lösung: Die Vorsichtigen und Ängstlichen sowie Online-Einsteiger*innen werden speziell betreut und abgeholt. Zusatznutzen: Man lernt sich schon mal kennen.
Wir arbeiteten bei dieser Einweisung auch mit vorbereitetem Material. Hier ein Beispiel.
Vorab- Informationen zum Ausdrucken
Wir haben vorab die Agenda, Material und Instruktionen für Einzel- und Gruppenarbeiten wie zum Beispiel Handouts per Mail (mit anderen Infos) an die Teilnehmer*innen verschickt und gebeten, sich das auszudrucken und bereitzulegen. Praktisch ist es, wenn die Teilnehmer*innen A4-Papier und einen Filzstift neben dem Laptop haben. Damit lässt sich auch einmal etwas aufschreiben und in die Kamera halten! Kolleg*innen in einem anderen Online-Seminar zum Thema „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ verschickten im Vorfeld Stifte zum optimalen Schreiben.
Während der Session die Ansicht steuern
In BigBlueButton entscheidet allein die Teilnehmer*in, was sie sieht. Da kann die Leiste mit den Bildern ganz groß und die Präsentationsfläche ganz klein gemacht werden. Damit nicht alle was anderes sehen, steuern wir als Referent*innen die Ansicht „Macht jetzt bitte die Präsentationsfläche groß, am besten als Vollbild!“ Oder „Wir wollen miteinander diskutieren! Blendet bitte die Präsentation und den Chat aus!“ Dann sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut zu sehen. Noch größer wird die Ansicht als Vollbild. Nur so kann ein lebendiges Gespräch entstehen, in dem man Wortmeldungen und die Mimik erkennen kann. Wenn Teilnehmer*innen etwas in die Kamera halten, hilft der Hinweis: „Macht jetzt bitte das Bild von (zum Beispiel) Jürgen ganz groß!“
„Raus und schnell wieder rein“ als Problemlösung
Wenn eine Teilnehmer*in technische Probleme hat oder ganz rausfliegt, erkennt man das meistens am „eingefrorenen“ Bild. „Rausgehen, wieder reingehen!“, hilft da in der Regel. Damit das nicht zu lange dauert, braucht es den rasch greifbaren Link zum Seminarraum. Am schnellsten geht es, wenn der Link in der Lesezeichenleiste von Google Chrome (Favoriten oder … bei anderen Browsern) liegt. Als Alternative raten wir, das Vorab-Mail mit dem Link im Hintergrund geöffnet zu lassen. Dann geht es auch ganz fix. Mit dem Vorab-Mail erhalten die Teilnehmer*innen neben dem Zugang zum Seminarraum auch eine Notfall-Telefonnummer von uns.
(Ton-)Störungen haben Vorrang
Das ist eine der wenigen notwendigen Ansagen für den Anfang: „Rührt euch bitte gleich, wenn es (Ton-)Störungen gibt!“ Wer nichts mehr hört oder wer nicht mehr zu hören ist, ist praktisch nicht dabei. Bei Rauschen und Rückkoppelung: Alle Mikrofone aus, dann eins nach dem andern (nach Ansage) wieder an, um die Störquelle zu identifizieren. Dieses Mikro bleibt dann meistens aus und wird nur angeschaltet, wenn der oder die Teilnehmer*in etwas sagen möchte.
Immer mit dem Rauswurf rechnen!
Meistens ist man selber schuld, wenn man ganz aus BigBlueButton rausfliegt, weil man irgendwo verkehrt gedrückt hat. Manchmal passiert es einfach, da ist BigBlueButton ein wenig unberechenbar. Dann hilft meistens schon, einfach wieder einzusteigen. Für den Fall, dass man als Referent*in plötzlich verschwindet, ist es gut, zu zweit zu arbeiten, sonst ist die Gruppe ganz allein.
Gruppendynamik online unterstützen
Die gemeinsamen Pausen, Mittagessen, das Ratschen zwischendurch, all das entfällt im Online-Format.
Wir haben digital nachgeholfen und einen „Ratsch-Raum“ eingerichtet. Das ist ein eigener BigBlueButton-Raum mit eigenem Zugangslink, den die Teilnehmer erhalten haben. In der langen Mittagspause haben wir angeboten, dass sich die Teilnehmer*innen ab 13:30 Uhr in diesem Ratsch-Raum treffen können. Man kann sich als Trainerin dazu gesellen, aber manchmal ist es ganz gut, wenn die Teilnehmer*innen unter sich sind.
Gruppendynamik entsteht auch durch viele kleine Gruppenarbeiten. Das sind Murmelgruppen, die sich durch die Breakout-Rooms recht schnell herstellen lassen. Vorteil im Digital-Format: Ich stelle die Arbeitszeit auf 5 Minuten ein und -peng- nach 5 Minuten sind alle wieder im Seminarraum! 🙂
Am ersten Tag haben wir die Vorstellrunde nur ganz kurz gehalten. Das wurde kritisiert, deshalb haben wir an den anderen Tagen Wert auf eine Vorstellrunde gelegt. Wichtig ist, dass das Vorstellen nicht ausufert. Die Gesamtarbeitszeit ist ja nicht üppig.
Gut für die Atmosphäre war eine Runde mit Gegenständen, die in die Kamera gehalten wurden. Alle erklärten kurz den persönlichen Bezug zu diesem Gegenstand.
Aktivieren! Aktivieren! Aktivieren!
Ich habe den Eindruck, dass die Aufmerksamkeitsspanne online noch kürzer ist als im Präsenz-Training. Wir haben deshalb sehr viel Aktivierungsinseln eingebaut. Das sind kurze Phasen, in denen die Teilnehmer*innen aus dem Zustand „Ich sitze passiv vor dem Laptop und höre zu!“ herausgerissen werden und aktiv etwas machen. Das geht auch online. Break-out-Rooms – auch für wenige Minuten – haben wir schon erwähnt. Zuruflisten, Abfragen, Rätsel, Handzeichenfragen sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die auch online ganz gut funktionieren. Dazu gibt es einen eigenen Blogbeitrag.
Oft gelingt auch ein angeregtes Gespräch, fast wie im richtigen (Präsenz-)Seminar.
Autor: Ulli Lipp
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Volltext der Lizenz
Lieber Ulli,
vielen Dank für das Teilen deiner Erfahrungen. Die Idee mit dem Ratsch-Raum finde ich genial! Das ist mir bisher tatsächlich abgegangen bei den Seminaren – live ist der Austausch zwischen den Teilnehmer*innen ja immer auch ein großer Bestandteil und es ist so schade, wenn das online wegfällt.
Liebe Lana,
vielen Dank für Dein Feedback. Viele Ideen entstehen gar nicht in der Planung, sondern beim Tun, bei der Durchführung. Da sind drei Tage online, auch wenn man danach bratfertig ist, ganz gut.
Herzliche Grüße
Ulli