#demo: „Wir brauchen keine Untertanen, sondern Demokraten“

Revolution 1848

Mit der Zeitmaschine unterwegs…

Das Zitat von Otto Glöckl reflektiert, wie eng gewerkschaftliche Bildungsarbeit seit ihren Ursprüngen mit dem Kampf um demokratische Rechte verbunden ist. Den Spuren dieser Auseinandersetzung folgend begeben wir uns mit unserer Zeitmaschine ins Revolutionsjahr 1848.

Von Arbeiter:innenbildungsvereinen zu Gewerkschaften

Bürger:innen und Arbeiter:innen begehren gegen die absolute Herrschaft von Adel und Kirche im Habsburgerreich auf und erkämpfen demokratische Mitbestimmungsrechte und politische Freiheiten. Im Zuge dessen gründen im Juni 1848 Arbeiter den „Ersten Allgemeine Arbeiterverein“ im Fürstenhof in der Beatrixgasse in Wien. Diese Pflänzchen der Arbeiter:innenbildung begruben die Kanonen des Kaisers bei der Niederschlagung der Revolution unter den Leichen tausender Arbeiter:innen.

Die militärische und politische Niederlage der Habsburger gegen Preußen 1966 veränderte die politischen Klassenverhältnisse in der Habsburgermonarchie. Kaiser Franz Joseph I. gestand 1867 das Vereins- und Versammlungsrecht zu und ermöglichte damit, dass sich männliche Arbeiter legal in Arbeiterbildungsvereinen organisieren. Diese dienten einerseits der Basisbildung der Arbeiter, aber auch der gewerkschaftlichen Organisierung, die der Gründung von Gewerkschaften vorausging.

Am 14.12.1869 versammelten sich über 20.000 Demonstrant:innen am Paradeplatz im Zentrum Wiens. Verter:innen der Arbeiterbildungsvereine forderten vom zuständigen Reichsrat das Koalitionsrecht zu verabschieden. Mit der Durchsetzung des Koalitionsrechts 1970 war es nun für Arbeiter einfacher sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen.

Im selben Jahr gründete die Blumenmacherin Albertine Moseberg den ersten Arbeiterinnenbildungsverein für Frauen, obwohl Frauen zu dieser Zeit Gewerkschafts- und Vereinsarbeit verboten war. Die Frauen forderten gleichen Lohn- für gleiche Arbeit, aber auch Unabhängigkeit von ihren Männern und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Bildungsaktivitäten im Arbeiterinnenbildungsverein, bei der bis zu 4000 Frauen teilnahmen, bildeten die Grundlage für diese Forderungen.

Zeitenwende Erster Weltkrieg: Rätedemokratie und repräsentative Demokratie

Die Zeitmaschine bringt uns ins Jahr 1918. In den letzten Monaten vor Ende des Ersten Weltkriegs bricht die Habsburgermonarchie zusammen. Während Millionen Arbeiter an der Front kämpften, nahmen die Frauen ihre Plätze in den Fabriken ein. Aus dieser Position heraus forderten die Frauen neben gleichem Lohn, einem 8-Stunden-Arbeitstag auch das allgemeine Wahlrecht. Die Gewerkschaftsbewegung setzte erste Kollektivverträge durch. Da die Regierung das Notwendigste für die Bevölkerung nicht mehr bereitstellen konnte, bildeten sich in den industriellen Zentren Arbeiter:innenräte, die weite Teile der zivilen Versorgung selbst organisierten.

Zweck und Aufgabe der Arbeiterräte ist, den Willen des gesamten werktätigen Volkes aller Betriebe und Berufe sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht zum Ausdruck zu bringen und ihm so eine direkte Anteilnahme an der Politik zu ermöglichen, die vor allem das Ziel haben muss, die Erfolge der Revolution zu festigen und auszubauen…. Der Aufbau der Räteorganisation hat von unten nach oben zu erfolgen.

ÖNB, Arbeiter-Zeitung am 4. März 1919, Seite 2

Bei der Ausrufung der ersten Republik im November 1918, war es noch unklar, welche Form der Demokratie der neue Staat Deutschösterreich annehmen soll.

Sozialdemokraten (SDAP) übernahmen den Vorsitz im neu gegründeten Staatsrat und in der Nationalversammlung und setzten sich für eine parlamentarische Demokratie ein, die 1920 in der Verfassung festgeschrieben wurde. Im kurzen Zeitraum bis 1920 konnte der 8- Stunden-Tag, das allgemeine Wahlrecht, das Betriebsrätegesetz, das Arbeiterkammergesetz und wegweisende sozialpolitische Gesetze beschlossen werden. Der damalige sozialdemokratische Außenminister Otto Bauer kommentierte die umkämpfte Situation am Beginn der Republik wie folgt:

„Originalzitat Otto Bauer“ aus der Proletenpassion, Die Schmetterlinge, Heinz R. Unger

Gewerkschaftliche Bildung: Wissen ist Macht

Die Betriebsräte, verbanden Elemente der Rätedemokratie mit jenen der repräsentativen Demokratie auf betrieblicher Ebene. Ab 1920 sollten die Betriebsräte u.a. in Betriebsräteschulen in die Lage versetzt werden Betriebe selbst verwalten zu können. 1922 schrieb Richard Wagner, in der „Bildungsarbeit – Blätter für sozialistisches Bildungswesen“ was dringend gebraucht wird:

Es ist die proletarisch-sozialistische Volksuniversität, die die Wissenschaften in sozialistischem Geist und sozialistischer Wissenschaft mit proletarischen Denkmethoden betreibt, eine Wissenschaftsstätte für Arbeiterhörer, wo sie Welt und Lebens sozialistisch sehen, verstehen und verarbeiten lernen.

Digitales Archiv Österreichische Nationalbibliothek, Bildungsarbeit – Blätter für sozialistisches Bildungswesen Jänner und Februar 1922

Zu diesem Zweck werden 1926 die Gewerkschaftsschule und die Arbeiterhochschule gegründet. Rosa Jochmann, Betriebsratsvorsitzende der Firma Auer in Simmering, absolvierte den ersten Lehrgang der Arbeiterhochschule vom 17. Jänner bis 17. Juli 1926. Die Arbeiterhochschule war eine Bildungseinrichtung für sozialistische und gewerkschaftliche Intellektuelle, die aus politischen und rassistischen Gründen vom Hochschulsystem ausgeschlossen waren.

Jochmann: „Sie alle hatten eine so hohe Meinung von den Arbeitern und wollten alles über unser Leben erfahren.“ Käthe Leichter, Erste Leiterin des Frauenreferats in der Arbeiterkammer, referierte ebenfalls. Jochmann: „Sie half uns, unsere Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden, mitzureden und mitzudenken.“

Rosa Jochmann, Zeitzeugin – Hrsg. Maria Sporrer, Herbert Steiner, Europaverlag, Wien 1983

Der Arbeiterdichter Josef Luitpold Stern fungierte als Direktor der bis 1930 bestehenden Arbeiterhochschule.

Zerstörung und Wiederaufbau der Demokratie

Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 verschärften sich die politischen Klassengegensätze. Die konservativen Regierungen setzten ab den Wahlen 1930 immer mehr Maßnahmen zur Zerstörung der demokratischen Republik. Diese Entwicklung kulminierte vor genau 90 Jahren im erfolglosen Februaraufstand des republikanischen Schutzbundes 1934. Die inzwischen diktatorisch geführte Regierung Dollfuß verbot daraufhin freie Gewerkschaften, Betriebsrät:innen und die damit verbundene Arbeiter:innenbildung und bereitete damit dem Faschismus den Weg.

Nach den katastrophalen Erfahrungen von Faschismus und zweitem Weltkrieg wurde 1945 mit dem Österreichische Gewerkschafsbund das Bildungsreferat des ÖGB unter der Leitung von Franz Senghofer gegründet. Die „Erziehung zur positiven Demokratie“ galt als Motto der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit der Nachkriegszeit. Die 1947 wieder begründeten Gewerkschaftsschulen und die an die Erfahrungen der Arbeiterhochschule anknüpfende Sozialakademie (ab 1949) bildeten wichtige Orte der Funktionär:innenschulung. Sie sollten den neuen Geist des überparteilichen und sozialpartnerschaftlichen Interessensausgleichs sowie die betriebliche Mitbestimmung durch die wieder begründeten Betriebsräte verbreiten. Seit 50 Jahren bildet nun das Arbeitsverfassungsgesetz von 1974 und die darin festgehaltenen Rechte der Mitbestimmung sowie der Bildungsfreistellung für Betriebsrät:innen die gesetzliche Grundlage der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung.

Schließlich übernahm mit Irmgard Schmidleithner 1988 erstmals eine Frau die Leitung des Bildungsreferates des ÖGB. Schmidleithner engagierte sich als Bildungsarbeiterin genauso wie als ÖGB Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende mutig und beharrlich für die Gleichstellung, Förderung und Mitbestimmung von Frauen in der (gewerkschaftlichen) Bildung, Gewerkschaft und in der Arbeitswelt. Die Forderungen der Arbeiterinnenbildungsvereine von Albertine Moseberg sind allerdings mehr als 100 Jahre nach ihrem Wirken immer noch nicht vollständig eingelöst.

Autor:innen: Rote Spuren

Am nächsten „demokratischen Montag“

Zeitmaschine fährt
C: Philip Taucher

Vor rund 90 Jahren schuf die diktorische Regierung unter Engelbert Dollfuß die Selbstvewaltung in den Arbeiterkammern ab, um diese politisch kontrollieren zu können. 2024 können die Arbeitnehmer:innen in Österreich ihr selbstverwaltetes Parlament wieder frei wählen. Wir bringen die Hintergründe und erklären wie du die Arbeiterkammerwahlen in deiner Bildungsarbeit unterstützen kannst.

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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich Lizenz.
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