Alle dabei im Online-Express?

Mitnehmen statt abhängen!

Der „Online-Express“ rollt. Angesichts neuer Pandemiewellen ist der Umstieg auf virtuelle Treffen über Computer und Internet ein verbleibender Weg, Weiterbildung aufrecht zu erhalten. Trotzdem sind Seminar und Training online kein Selbstläufer. Wir kennen die Gefahr, dass nicht alle den Zug auch erwischen. Das gilt für Teilnehmer*innen und Referent*innen. Inzwischen gibt es aber auch wertvolle Erfahrungen, damit das Einsteigen in den Online-Express für Lernende wie Lehrende erleichtert wird.

Umstieg auf online – nicht nur ein kleiner Schritt

Wenn Präsenztrainings nur unter sehr schwierigen Bedingungen oder gar nicht mehr möglich sind, kommt oft der Satz: „Dann machen wir das einfach online!“ Nur so einfach, wie das klingt, ist es nur für einen überschaubaren Teil der Teilnehmer*innen und Referent*innen.

Technische Hürden

Für „digital natives“, die mit Laptop und Internet groß geworden sind, ist es unvorstellbar, dass es Leute gibt, die an einem PC ohne Mikro und Kamera sitzen. Sie bearbeiten Mails, erstellen Word-Dokumente oder hin und wieder eine PowerPoint-Präsentation. Für ihre Arbeit in der politischen Bildung oder als Betriebsrät*innen setzen sie auf die persönliche Begegnung und echte Treffen statt auf Skype und Co. Da ist vor dem Umstieg technische Aufrüstung der Hardware nötig. Dazu kommt die oft übersehene Einarbeitungszeit in die Software. Mich selbst legte am Anfang der Pandemie eine schwache Leitung ins Home-Office lahm. Videos ruckelten und der Ton kam deutlich verzögert an. Aus den ersten Videokonferenzen fiel ich immer wieder raus. Auch ich musste erst einmal einen leistungsstärkeren Zugang bestellen und lernen, dass eine drahtlose (W-Lan) Verbindung störanfällig ist. Wenn sich in den ersten zehn Minuten eines Online-Seminars technische Schwierigkeiten auftürmen ist der Zug oft schon abgefahren und man gibt entnervt auf.

Unser Tipp: Wir haben Teilnehmer*innen einen einstündigen Technik-Check ein paar Tage vor dem Termin angeboten (Neulingen haben wir den Termin dringend angeraten!). In der Stunde haben wir noch nicht am Thema gearbeitet, sondern online ausprobiert, ob alle mit Bild und Ton teilnehmen und sich aktiv einbringen können. Elisabeth Steinklammer von der REFAK nennt das treffend „vorgelagertes technisches Onboarding“. Wir raten ab, diese Technikeinführung unmittelbar vor dem Training oder knapp davor anzusetzen. Manchmal muss eine externe Kamera oder ein Kabel für den besseren Zugang besorgt werden und das braucht ein wenig Zeit. Natürlich gibt es für Neulinge auch gute Filme zur Einführung, vielen ängstlichen und zögerlichen Teilnehmer*innen tut es aber gut, virtuell an die Hand genommen zu werden. Für uns Trainer*innen gibt es einen angenehmen Nebeneffekt: In dieser Technikeinführung lernen wir unsere Teilnehmer*innen schon kennen und das ist gerade bei Online-Seminaren sehr hilfreich.

Sprachliche Hürden

O-Ton in einer Einladung zu einem Seminar: „Ladet den aktuellen Client herunter, damit wir neue Features testen können.“ Das ist für viele selbstverständlich. Für mich nicht. Dabei gehe ich fast täglich mit Zoom, BigBlueButton & Co um. Wie mag es da Teilnehmer*innen gehen, die Laptop und Internet nur sporadisch nutzen? Die müssen schon beim Einsteigen in den Online-Express feststellen: Hier wird eine eigene Sprache gesprochen. „Mit welchem Browser bist du drin?“ Das ist für jemanden, der nicht zwischen Chrome, Firefox und Safari hin und her switcht, nicht sofort verständlich. Im Online-Express wird es gern „babylonisch“. Die „Chef*in“ im Seminar heißt manchmal Host, manchmal Moderator*in, manchmal Trainer*in, manchmal Gastgeber*in. Die Flächen und Symbole, auf die man mit der Maus gehen und drücken kann, heißen immer wieder anders, schauen anders aus. Dazu kommt, dass viele Begriff englisch belassen und nicht übersetzt wurden. Einfache Sprache ist in der Welt der Online-Seminare noch in weiter Ferne.

Deshalb unser Tipp: Liebe Kolleg*innen, die Ihr im Online-Express wie zuhause seid, stellt doch einmal eure eigene Sprache auf den Prüfstand!

Berührungsängste und Vorbehalte

Wir wissen momentan nicht, wie viele Menschen wir mit unserem Online-Express abhängen. Es gibt Indizien. Als wir drei Seminartage bei der REFAK unter Beibehaltung des Termins auf Online umstellten, kam rund ein Drittel nicht mit.
In einem unserer auf online umgestellten Seminare fragten wir in einem Blitzlicht nach dem ersten Gedanken bei der Nachricht über die Umstellung. Ergebnis: Niemand war sehr erfreut. Das Wort „Schade“ kam in vielen Antworten vor und einige erzählten von ihren Gedanken, das Online-Seminar abzusagen.

Auch nach der Pandemie wird das eine Aufgabe bleiben: Wie reduzieren wir die Berührungsängste und Vorbehalte gegen die Online-Formate?

Ein Tipp: Manchmal hilft schon ein kleines „Anschieben“, wie Daniela Schratter von der REFAK meint. Wenn Teilnehmer*innen nach der Bekanntgabe der Umstellung auf online aktiv tätig werden mussten, um sich abzumelden, blieben viele dabei. Mussten sie sich aktiv neu für das Online-Seminar anmelden, blieben viele weg.
Sie berichtet von großer Resonanz bei reinen Online-Angeboten, die nicht das Ergebnis einer Umstellung sind, aber da tauchen Menschen mit großen Berührungsängsten nicht auf. Online-Verweigerung sieht sie „bei Seminaren mit Fokus Soziale Kompetenz. Beinahe unisono kommt der Kommentar: ‚Ist nicht möglich!‘ Teilnehmer*innen haben dabei teilweise Angst, teilweise kein passendes Equipment, glauben oftmals nicht daran, dass man/frau wirklich viel mitnehmen kann und vermissen grundsätzlich das Netzwerken in den Pausen. Wenn sie sich aber drauf einlassen, merken sie, dass es doch geht. 😊“

Engpässe im Homeoffice

Während der Lockdowns kam es in Familien mit schulpflichtigen Kindern zu Engpässen. Kinder hatten Video-Konferenzen mit den Schulen, dazu die Eltern im Homeoffice und dann noch ein Seminar, wo Ruhe und Konzentration angesagt sind, besonders wenn man es leitet. Da werden nicht nur die Leitungskapazität, sondern auch Laptops und die ruhigen Räume knapp.

Tipps dazu: Bei der Leitungskapazität kann ein Extrazugang über das Handy (Hotspot einrichten!) helfen. Die REFAK empfiehlt (siehe unten) ihren Trainer*innen bestens ausgestattete und angebundene Räume im BIZ in Wien. In München, und sicher auch anderswo, bieten Hotels Homeoffice-Räume mit Service.

Hilfe, ich bin nicht multi-tasking-fähig!

Eines meiner Hauptprobleme bei Online-Seminaren in der Referent*innen-Rolle: Ich konzentriere mich auf den Inhalt und das Gespräch mit den Teilnehmer*innen und übersehe irgendeine andere meiner Aufgaben. Ich schau nicht auf den Chatverlauf und bekomme so Fragen nicht mit. Jemand will teilnehmen (der zum Beispiel rausgefallen war) und ich vergesse ihn aus dem virtuellen Warteraum reinzulassen. Ich sehe nicht, dass plötzlich jemand zwar noch da ist, aber nicht reagiert. Ich übersehe die Zeit und dass eigentlich längst schon wieder Pause angesagt ist. Ich musste mit 30 Jahren Seminar- und Trainingserfahrung Vieles wieder neu lernen. Aber auch mir konnte geholfen werden:

Unser Tipp ist Luxus pur: Eine online-Expert*in moderiert die Trainer*in
Wolfgang Strober ermuntert als Chef einer Trainingsfirma im Gefahrgutsektor seine Trainerinnen und Trainer: „Wenn ihr wollt, können wir euch bei euren Trainings bei der Moderation und bei technischen Angelegenheiten unterstützen. So könnt ihr euch zu 100% auf die Teilnehmenden und eure Performance konzentrieren. Ihr könnt euer Training in unserem online-Studio durchführen – unsere Expert*in sitzt dann neben euch und steuert. Im Studio ist es fast wie im Schulungsraum – ihr könnt euch bewegen und auch live etwas auf das Flip-Chart schreiben. Alternativ können wir euch aber auch aus der Ferne unterstützen, auch das ist möglich.“
Das ist ein Einstieg in den online-Express mit Netz und doppeltem Boden. Ich selbst konnte das genießen. Wer weiß, ob ich ohne diese Unterstützung aufgesprungen wäre.

Unterstützung für Referent*innen

Pia Lichtblau fasst ihre Erfahrungen bei der BRAK (Betriebsrät*innen Akademie in Wien) in einem 8-Schritte-Modell zusammen:

„Natürlich gab es wie überall und immer welche, die sich schwerer getan haben und welche, denen das ganz spielerisch leicht gefallen ist. Was wir gemacht haben:

  1. Schritt: Wir haben im Frühjahr / Sommer lang recherchiert und getestet, um ein Tool zu finden, das einfach zu handhaben ist (sowohl für Trainer*innen als auch für Teilnehmer*innen) und DSGVO-konform ist. So sind wir auf BigBlueButton (BBB) gekommen. Das ist lang nicht so vielseitig wie z.B. zoom, aber dafür passt‘s hinsichtlich der DSGVO. Es hat wenige Funktionen, die sind dafür aber wirklich übersichtlich und einfach einzusetzen.
  2. Schritt: Wir haben schon im September alle unser Trainer*innen dazu gedrängt, eine Kurzeinschulung in BBB zu machen. Die war ganz kurz, nur 1:30h! Und da haben wir ihnen die technischen Funktionen von BBB erklärt und eine ganz kurze didaktische Einheit untergebracht – worauf ich im digitalen Seminar achten muss. Tatsächlich haben fast alle Trainer*innen die Kurzeinschulungen auch in Anspruch genommen, obwohl da ja noch lange kein Lockdown absehbar war! Meine Erkenntnis draus: Lieber ein ganz kurzes, kompaktes Angebot das dann vielleicht Lücken hat, aber angenommen wird, statt eines ausführlichen Seminars, für das dann wieder niemand Zeit hat…
  3. Schritt: Wir haben auf BBB einen „Testraum Trainer*innen“ eingerichtet. Der steht den Trainer*innen quasi rund um die Uhr zur Verfügung, sie können sich da drin verabreden und ihre Einheiten ausprobieren, die Funktionen von BBB testen und kreativ an ihrer Seminarplanung arbeiten. Das war eine Top-Idee – die Trainer*innen haben den Raum immer wieder verwendet, fast täglich war da irgendwer drin. Einige haben mir berichtet, dass sie tatsächlich ihre ganze Einheit als Probegalopp durchgespielt haben.
  4. Ich habe ein Infoblatt zum Umstieg auf BBB verfasst – nur eine Seite, da stehen alle Infos drauf: Welche Räume wir im Lehrgang wofür verwenden, der Link zu Testraum Trainer*innen und zu zusätzlichen Ressourcen, die wir ihnen zur Verfügung gestellt haben. Wir haben kurze Youtube-Videos gedreht und ein ausführliches Handbuch im REFAK-Blog veröffentlicht. Dieses Infoblatt habe ich den Trainer*innen fast in jedem Mail mitgeschickt, das ich ihnen geschrieben hab. Sicher ist sicher und so brauchen sie es nicht suchen…
  5. Schritt: Dann kam tatsächlich der Lockdown und damit der Umstieg auf online. Viele der Trainer*innen waren aufgeregt, manche fast freudig, manche einfach nur nervös. Aber verweigert hat niemand! Alle haben sich drauf eingelassen, sich hingesetzt und ihre Seminardesigns überarbeitet. Wir haben sie gebeten, uns die Designs zum Feedbacken zu schicken und das haben wir gemacht – jede einzelne Einheit haben wir auf ihre Online-Tauglichkeit überprüft und ggf. hier und dort noch einen Block verkürzt oder eine kleine Pause eingefügt.
  6. Schritt: Zur Unterstützung haben wir schon im Sommer mit Hans Christian Voigt vereinbart, dass er uns bei Bedarf als technischer Support zur Verfügung steht. Das war auch super – wir haben allen Trainer*innen angeboten, ihn als Support dazuzubuchen und viele haben dieses Angebot gerne angenommen. Er ist dann vor der Einheit mit ihnen nochmal die Funktionen durchgegangen, die sie einsetzen wollten, hat sich drum gekümmert, dass alle gut einsteigen und Mikros und Kameras freischalten konnten und dann war er während der Einheiten erreichbar, bei Bedarf. Das hat viele Trainer*innen beruhigt, glaub ich – obwohl ich mir bei den meisten sicher war, dass sie es auch alleine geschafft hätten!
  7. Schritt: Manche Trainer*innen haben zuhause nicht die entsprechende Ausstattung, ein schwaches Internet oder die Familie ist im Homeschooling und es fehlt die nötige Ruhe. Wir haben im BIZ zwei Arbeitsplätze für sie eingerichtet, da waren Laptops schon eingerichtet, alle BBB-Räume eingespeichert und zusätzlich steht ihnen auch noch eine Dokumentenkamera zur Verfügung. Die Internetanbindung ist gut und die beiden Arbeitsräume sind nebeneinander, man kann sich also in den Pausen auch kurz für einen Kaffee treffen und face-to-face absprechen. Dieses Angebot haben auch einige Trainer*innen angenommen, aus den unterschiedlichsten Gründen.
  8. Schritt: Unsere Teilnehmer*innen waren wirklich, wirklich, wirklich gut vorbereitet – das hilft auch den Trainer*innen, weil es dann reicht zu sagen: „Geht bitte in eure Gruppenräume und macht dort dies und das. Dokumentiert es und bringt die Ergebnisse dann wieder mit zurück ins Plenum!“ Die Trainer*innen mussten nicht mehr groß erklären, wie was funktioniert, das wussten die Teilnehmer*innen eh besser als sie selbst 😊

Fazit: Wir haben wirklich viel Arbeit in die Vorbereitung und Begleitung gesteckt – aber es hat sich ausgezahlt. Wir haben auch wirklich viele, wahnsinnig positive Rückmeldungen von unseren Trainer*innen bekommen, dass sie sich richtig gut unterstützt gefühlt haben. Die Online-Phase hat in unserem Lehrgang echt gut funktioniert und ich glaube, es war sowohl für Trainer*innen als auch für Teilnehmer*innen und nicht zuletzt für uns eine echte Herausforderung. Aber wir haben sie gut gemeistert!!!“

Die Online-Cracks

Für einige Kolleginnen und Kollegen, die immer schon digital unterwegs waren, war der Umstieg auf Online wie eine Startrampe. Die sind fit gleich in mehreren Video-Konferenzsystemen, schalten von einem virtuellen Whiteboard ins nächste, agieren mit drei Bildschirmen und katapultieren Teilnehmer*innen wie im Science Fiction in eine Lernwelt 6.0. Ich werde immer wieder einmal eingeladen, wenn diese Cracks Neues ausprobieren und diskutieren. Meistens kommt recht schnell der Punkt, an dem ich kapituliere, nur noch „Bahnhof“ verstehe und mühsam versuche, den Gurus zu folgen, aber die sind längst in den höheren Sphären des Internets entschwunden. Die sind dann wie in einer Blase unter sich, überbieten sich im Abbrennen digitaler Feuerwerke, aber der Kontakt zur analogen Welt ist weg.

Wir können froh sein, dass wir solche Kolleg*innen haben, weil sie durch das „höher, schneller, besser“ die Entwicklung des Online-Lernens als Pionier*innen vorantreiben. Dennoch falle ich oft schon lästig mit meiner Frage: „Geht es nicht auch ganz einfach?“ Feuerwerk ist schön, aber Fachtrainer*innen oder Hin-und-Wieder-Referent*innen müssen wissen, wie sie online erfolgreich Wissen vermitteln und einfache Tools einsetzen, um die Lernenden aktiv einzubinden.

Unterstützung im Netz

Es gibt inzwischen eine schier unendliche Menge an Hilfen im Netz, als Filme, als Merkblätter, als Handbücher, als Blogbeiträge. Ich greife nur einige heraus:

Eine Einführung per Video, ganz praxisbezogen und unabhängig von einer speziellen Video-Plattform

Autor: Ulli Lipp

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