#kidi_09: Die unterschätzten Funktionen der KI-Tools

#kidi09 Coverbild
Grafik erstellt mit KI (Nanobanana, Google)

Du öffnest ein KI-Tool, tippst deinen Prompt rein und bist frustriert, weil die Antwort wieder nur „ganz okay“ ist. Dabei übersiehst du wahrscheinlich die Hälfte der Funktionen. KI wird noch oft wie eine Suchmaschine aus 1999 genutzt. Unter der Haube der KI-Tools stecken viele unterschätzte Funktionen: Etwa den Datenschutz ernst nehmen, Chatdialoge strukturieren oder gemeinsam bearbeiten, Prompts optimieren, Stimme statt Chat nutzen, Dokumente direkt bearbeiten oder Fakten checken. Wir lernen damit die Funktionsweise von KI-Systemen besser kennen und steigern die Qualität und Nützlichkeit unserer Ergebnisse.

Dieser #kidi-Beitrag taucht in den fünf Kategorien 1) Datenschutz, 2) Barrierefreiheit, 3) Personalisierung, 4) Organisation und 5) Qualitätssicherung tief in die Benutzeroberflächen von KI-Tools ein und hebt Schätze, die uns Leben, Arbeiten und Lernen mit KI erleichtern können.

DAS WICHTIGSTE FÜR DEINE PRAXIS

Datensouveränität:
Nutze temporäre Chats oder Tools wie Mistral LeChat, um Trainingsdaten-Abfluss zu verhindern.

Barrierefreiheit:
Diktier- und Sprachmodi machen KI inklusiver , aber Vorsicht vor dem „Vermenschlichungseffekt“!

Workflow:
Nutze „Canvas“ für Textarbeit und „Projekte„, um Themen dauerhaft zu bündeln, statt immer neu zu starten.

Qualitätssicherung:
Lass dich von der KI interviewen, statt nur Antworten zu bestellen. Nutze integrierte Faktenchecks.

1. Datenschutz und Kontrolle: So behältst du die Hoheit über deine Daten

Die folgenden Funktionen sind wesentlich zum Schutz deiner Daten.  

Werde nicht selbst zum Lieferanten für Trainingsdaten

Die eigenen Daten werden standardmäßig fürs Training von KI-Modellen verwendet. Möchtest du das nicht, musst du dich a) anmelden und zur Datenverwendung aktiv NEIN sagen oder b) ein KI-System wie  z.B. duck.ai verwenden, das explizit keine Anmeldung verlangt und alle KI-Chats als rein privat kennzeichnet.

Wie schützt du deine Daten?

Deaktiviere in den Kontoeinstellungen jedes benutzten KI-Tools unter Datenschutz „Das Modell für alle verbessern“ oder eine ähnliche Formulierung, die zwar gut klingt, aber nicht zu deinem Vorteil ist. Um KI-Modelle zu verbessern, gibt’s bessere Wege: etwa schlechte Antworten bewerten und direktes Feedback senden #kidi_02.

Screenshot: Datenschutzeinstellung deaktivieren in den Kontoeinstellungen von ChatGPT.
Screenshot: Datenschutzeinstellung deaktivieren in den Kontoeinstellungen von ChatGPT.

🔝 Pro-Tipps:

Das französische Mistral LeChat ist eine DSGVO-konforme Option mit Datenhoheit in Europa. Mit duck.ai kannst du ohne Anmeldung verschiedene KI-Modelle niederschwellig testen.

Temporäre Chats

Der Inkognito-Modus oder temporäre Chat ist die Lösung für datensensibles Handeln für alle ohne Registrierung. Und ganz besonders für sensible Themen und niedrigschwellige Nutzung mit Lernenden im Seminar. Temporäre Chats/Inkognito können entweder beim Aufruf eines neuen KI-Chats im Dropdown-Feld oder direkt am oberen rechten  Bildschirmrand aktiviert werden. Chats und Daten werden dann nur für einen kurzen Zeitraum (von 72 h bei Google Gemini bis 30 Tage bei ChatGPT oder Claude) gespeichert und nicht für Trainingsdaten-Training verwendet.

Screenshot: Temporäre Chats in Google Gemini
 Screenshot: Temporäre Chats in Google Gemini

Wenn deine Daten geschützt sind, kannst du KI auch anders nutzen: nicht nur tippen, sondern sprechen. 

2. Barrierefrei arbeiten: KI hören und sprechen lassen

Probier’s mal anders. Nutze Sprache statt Text.

Diktierfunktion

Prompts sprechen statt schreiben ist schneller, natürlicher und vor allem auf Smartphone oder Tablet deutlich angenehmer. Die Diktierfunktion transkribiert automatisch und antwortet wie gewohnt in Textform.

Sprachmodus

Was kann er?

Im Sprachmodus führst du eine echte Unterhaltung mit der KI. Die Antworten kommen als Stimme zurück und können in den Einstellungen angepasst werden. Für Alltagsgespräche oder Sprachniveau-Übungen klappt das inzwischen erstaunlich gut, je nach KI-Modell und kostenloser/Bezahlversion. Die Barrierefreiheit steigt, weil niemand mehr auf (zu) kleine Touchscreens tippen muss.

Worauf du achten solltest?

Künstliche Stimmen klingen, inklusive Pausen, Räuspern oder „Ähms“, erstmal zugänglich und sympathisch.  Gleichzeitig erhöht sich die Gefahr, unkritisch zu glauben, was gesagt wird (näheres zur Vermenschlichung von Sprachmodellen in #kidi_01). Im Sprachmodus steigen Halluzinationen (erfundene Fakten), weil die KI in Echtzeit antworten muss. Längere Gesprächspausen für Faktenchecks würde Konversationen stören. Und wenn das Modell „atmet“, ist das Design, nicht Intelligenz. 

Screenshot: Audiomodus in ChatGPT
 Screenshot: Audiomodus in ChatGPT

🔝 Pro-Tipp für die Entlastung der Augen: Die Auswahl eines „dunklen“ Modus in den Einstellungen.

Screenshot: MS Copilot Dunkler Modus

3. Personalisierung: KI auf deinen Arbeitsstil ausrichten

Trainiere den Bot auf deine Bedürfnisse, damit die Antworten besser werden.

Personalisierung für zielgerichtetere Interaktion.

In den „Personalisierungseinstellungen“ kannst du das Sprachmodell auffordern, bei allen Chats in kleineren Portionen oder dialoghaft zu antworten. Lass dir von der KI zu deinen Aufgabenstellungen kritische Fragen stellen, definiere den gewünschten sprachlichen Ausdruck (Trainer:innen) oder skizziere deine berufliche Rolle und langfristigen Zielsetzungen.

Screenshot: ChatGPT Personalisierungseinstellungen

Mit der aktivierten „Memory„-Funktion merken sich KI-Tools Informationen über dich. Zwar äußerst hilfreich für Antworten, allerdings auch kritisch zu betrachten. Schreibe mal folgenden Prompt für ein häufig genutztes Sprachmodell, wo du registriert bist: „Fasse meine professionelle Identität aus unseren Chatdialogen zusammen. Inkl. meiner wichtigsten Stärken und Entwicklungspunkte.“ Entscheide also überlegt, was die KI-Systeme wirklich an Daten über dich oder deine Organisation speichern sollen.

In Claude und ChatGPT können vordefinierte Schreibstile verwendet werden. Claude ermöglich auch die Erstellung benutzerdefinierter Stile durch Füttern mit Schreibbeispielen. Der Schreibstil lässt sich je nach Zielgruppe oder Format (Präsentationen, Berichte, informelle Schreiben) mit einem Klick einstellen und konsistent nutzen.

Screenshots: Claude bietet vordefinierte Schreibstile, die du auch personalisieren kannst.
Screenshots: Claude bietet vordefinierte Schreibstile, die du auch personalisieren kannst.

4. Ordnung im KI-Chaos: Projekte und Canvas nutzen

Organisiere deine Arbeitsumgebung für mehr Überblick und weniger Suche und Copy&Paste.

Projekte: Sinnvoll organisieren.

In ChatGPT, Claude und Mistral bündeln Projekte Chatdialoge, Vorgaben und hochgeladene Dateien dauerhaft.  Nach einer Pause kannst du direkt weiterarbeiten, ohne wieder bei Null anzufangen müssen. Das reduziert Unübersichtlichkeit in der Chatliste und erleichtert etwa die Arbeit an Curricula oder Trainingsdesigns. Für wiederkehrende Routineaufgaben eignen sich CustomGPTs, Agenten oder Gems #kidi_06.

Canvas: Texte direkt im KI-Fenster überarbeiten

Statt Inhalte zwischen KI-Chat und Word hin- und herzuschieben, kannst du im Canvas wie in einem Textdokument arbeiten: markieren, umformulieren lassen, kürzen, vereinfachen. Viele Modelle wie  ChatGPT, Gemini oder Mistral bieten Canvas direkt als Funktion an oder erzeugen es auf Nachfrage. Fertige Dokumente kannst du anschließend als .pdf, .docx oder in anderen Formaten herunterladen.

Screenshot: Canvas-Ansicht in Google Gemini
Screenshot: Canvas-Ansicht in Google Gemini

5. Qualitätssicherung: Besser fragen, bessere Ergebnisse

Du musst selbst kein Prompt-Guru sein, lass dir helfen.

Prompts optimieren lassen. Du haderst mit deinem Prompt und bist unzufrieden mit den KI-Ergebnissen? Dann dreh den Spieß um: Das KI-Modell verbessert den Prompt: „Optimiere meinen Prompt, damit du mir [Thema, Zielgruppe etc.] gezielter helfen kannst.

Lass dich interviewen. Formuliere deinen Ausgangsprompt und bitte das Modell „Stelle mir die relevantesten Fragen, bevor du die Aufgabe erledigst.“ Der Effekt daran ist, dass du selbst gefordert bist dir deine eigene Zielsetzung klar zu machen. Weil solange das Ziel für dich unklar ist, wird dir auch KI keine richtig gut passenden Antworten liefern.

🔝 Pro-Tipp: Ein langer Chat landet in einer Sackgasse oder die KI reagiert nicht mehr. Ein Klick auf wiederholen/neu generieren am Ende einer Antwort oder ein neuer Chatdialog kann helfen. In ChatGPT gibt’s auch die Option „ab hier neuen Chat starten“, um etwa ein ganz bestimmtes Thema zu vertiefen statt alles in einem Dialogfenster zu behandeln. 

Antwort überprüfen. Googles Gemini hat  einen eingebauten Validierungs-Check. Wenn du unsicher bist, ob die KI-Antwort stimmt, wähle „Antwort überprüfen„. Gemini führt mit einer Google-Websuche einen Faktencheck durch, um ähnliche oder abweichende Antworten aufzuspüren. Grün markierte Passagen sind wahrscheinlich richtig, orange divergieren wahrscheinlich mit der Google-Suche oder konnten nicht bestätigt werden.

Und bei Mistral, Claude & Co lässt du dir für Re-Checks Quellen mit direkten Links anzeigen oder forderst Wahrscheinlichkeiten für die Korrektheit der Antworten oder Gegenpositionen ein. Planst du fundierte Quellenrecherche, nutze unbedingt den Deep Research Modus der KI-Tools. Du wartest Minuten statt Sekunden, erhältst Live-Einblick in den Vorgehensprozess und erhältst einen umfassenden Bericht mit Quellenangaben, der oftmals ein wertvoller Startpunkt für weitere Themenvertiefung ist.

Screenshot: Gemini "Antwort überprüfen"
Screenshot: Gemini „Antwort überprüfen“
Screenshot: Mistral "Tiefgehende Recherche/Deep Research
Screenshot: Mistral „Tiefgehende Recherche“

Was bedeutet das für unsere Praxis?

KI Nutzung ist nicht automatisch kompetente KI Nutzung. Der echte Mehrwert entsteht erst, wenn wir bewusst mit Einstellungen, Funktionen und Qualitätssicherung arbeiten. Statt nur KI als erweitertes Suchfeld zu sehen.

Kompetente KI-Nutzung entsteht durch unser Entscheidungen. Die Entscheidung über Datenweitergabe, Interaktionsform, Strukturierung der Arbeit und Qualität der Antworten bleibt bei uns. Je klarer wir diese Entscheidungen treffen, desto besser unterstützen uns KI-Tools beim Denken, statt es für uns zu übernehmen.

Bildungswissenschaftler Werner Sauter bringt es auf den Punkt: „Die Kreativität  sitzt vor der Kiste, nicht in der Kiste.“ Und genau darin liegt unser Auftrag: KI so einzusetzen, dass Menschen befähigt und nicht ausgebremst werden.

Such dir eine für dich neue Funktion aus und probiere sie diese Woche aus. Eine reicht. Die Wirkung merkst du sofort.

Autor: Stefan Fersterer

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