Lernen mit KI beginnt oft mit einem Gedanken, den wir ins Spiel bringen und einer Antwort, die uns überrascht. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen menschlicher Erfahrung und maschineller Inspiration, zwischen Intuition und Analyse. In diesem #kidi-Beitrag geht’s darum, wie dieses Zusammenspiel im Seminar lebendig werden kann. Wenn KI nicht bloß schnelle Antworten liefert, sondern Denkanstöße gibt, Perspektiven öffnet und Lernprozesse mitgestaltet.
KI bringt Tempo und Vielfalt ins Denken, wir steuern mit Haltung und Ziel.
Warum sollte ich KI im Seminar überhaupt einsetzen?
KI-Kompetenz ist längst Teil digitaler Grundbildung. Der EU AI Act unterstreicht, dass der bewusste, verantwortungsvolle Umgang mit KI zur Schlüsselkompetenz in einer digital geprägten Arbeitswelt wird. Auch die Erwachsenenbildung steht hier vor einer neuen Lernaufgabe: Wenn wir KI in Seminare integrieren, ermächtigen wir Lernende wie Trainer:innen, diese Kompetenzen aktiv zu erproben und zu reflektieren – und stärken so unsere Gestaltungsfähigkeit. Es geht nicht darum, Lernaufgaben zu delegieren, sondern Denken zu vertiefen. Future Skills wie Kritisches Denken, Kreativität und Selbstlernkompetenz werden dadurch konkret erlebbar.
Wie sieht das nun konkret im Seminar aus?
Hier sind sechs Methoden, mit denen sich das Zusammenspiel von Mensch und KI im Seminaralltag entfalten kann.
- Einstiegsphase mit dem KI-Fragen-Generator
Ob Check-In im Plenum oder Partnerinterview zu Beginn: Gute Fragen entscheiden darüber, ob Teilnehmende wirklich in Kontakt kommen.
Hier unterstützt KI mit unvorhersehbaren, inspirierenden oder fein abgestimmten Fragen, die neue Gespräche ermöglichen. Es wird z.B. jeweils nur eine Frage generiert, mit „weiter“ erhalte ich die nächste. KI wird so zur wertvollen Mitgestalterin sozialer Dynamik. Indem sie Fragen einbringt, die wir selbst vielleicht nicht stellen würden.
Prompt-Baustein: KI-Interview
Du bist mein Fragen‑Generator für ein kurzes [Partnerinterview] im Kurs.
Thema: [ ].
- Zeig mir genau eine ungewöhnliche, offene Frage, die ich meinem Gegenüber stellen kann.
- Die Fragen sollen abwechslungsreich, humorvoll und inspirierend sein – ein Mix aus persönlichen, kritischen und kreativen Fragen.
- Ich beantworte die Frage nicht im Chat, sondern stelle sie meinem Gegenüber im Kurs.
Kommandos:
- „Weiter“ → neue zufällige Frage
- „Überspringen“ → andere Frage, ohne Kommentar
- „Stopp“ → beenden
- Starte jetzt mit einer Frage, die einen spannenden Gesprächseinstieg ermöglicht.
2. Wissen anwenden: Begriffs-/Konzepttraining mit KI
Fachbegriffe und Konzepte bleiben oft abstrakt, bis wir sie mit Bedeutung füllen. Hier kann KI als Reflexionspartnerin wirken. Sie bewertet, ergänzt oder kontrastiert unsere eigenen Definitionen und regt so zur Vertiefung an.
Ablauf
- Lernende formulieren zunächst eigene Definitionen (individuell/Kleingruppen).
- KI liefert danach eine alternative, vielleicht präzisere Version.
- Durch den Vergleich entstehen Aha-Momente. Lernende vertiefen anschließend die Ursprungsdefinition und ergänzen sie um Praxisbeispiele.
Prompt-Baustein: Begriffstraining
Ich habe den [Begriff] erklärt.
Bitte überprüfe meine folgende Erklärung auf Verständlichkeit, Genauigkeit und Praxisbezug.
- Korrigiere oder ergänze meine Definition in einfachen, klaren Worten.
- Füge 2–3 anschauliche Anwendungsbeispiele hinzu, wie dieser Begriff im beruflichen oder alltäglichen Kontext vorkommt.
- Hebe hervor, was an meiner Erklärung bereits gut gelungen ist.
- Antworte kurz, präzise und wertschätzend.
Ziel: Mein Verständnis des Begriffs soll sich durch deine Rückmeldung konkretisieren und vertiefen.
3. Kreative Anwendungen: Ideen PingPong
Elegantes Zuspielen von Ideenbällen anhand einer konkreten Herausforderung. Die erste Idee kommt bewusst von dir. KI greift sie auf, ergänzt oder verändert sie in überraschender Weise. Dann bist du wieder an der Reihe. So entstehen lebendige Denkprozesse, in dem menschliche Kreativität durch KI als Ideenverstärkerin angereichert wird.
Prompt-Baustein: Ideen PingPong
Wir spielen ein kreatives Ideen-PingPong.
Die Herausforderung lautet: Wie kann ich … [meine Herausforderung]?
- Du beginnst, indem du mich bittest, eine erste Idee in Stichpunkten zu nennen.
- Danach nennst du selbst eine Idee, die sich von meiner unterscheidet und einen neuen Aspekt aufgreift.
- Dann forderst du mich direkt zur nächsten Idee auf – und so weiter.
- Die Ideen sollen möglichst kurz, überraschend und unterschiedlich sein.
- Wiederhole den Wechsel so lange, bis ich aufhöre zu spielen.
- Wenn du merkst, dass genug Ideen da sind, kannst du sie clustern lassen oder nach bestimmten Kriterien die besten zum Weiterbearbeiten auswählen.
4. Wissen vertiefen: Quizzen mit KI
Lernende können sich spielerisch selbst herausfordern und sich thematisch vertiefen. Mit einfachen Prompts können sie direkt im KI-Tool eigene kleine Quiz-Anwendungen erstellen und benötigen dafür keine Programmierkenntnisse.
So funktioniert’s: KI erstellt Fragen, Antwortoptionen und Feedback zu einem Themengebiet. Die Lernenden prüfen, verändern und erweitern sie. Kritisches Denken und Kollaboration werden dabei ebenfalls gefördert.
Prompt-Baustein: Quizzen mit KI
Erstelle eine einfache HTML-Quiz-App im Stil der Millionenshow zum Thema [Thema einsetzen].
- [Anzahl, z. B. 10] Fragen mit steigendem Schwierigkeitsgrad
- 4 Antwortmöglichkeiten, 1 richtig, glaubwürdige falsche Antworten
- Nach jeder Antwort: kurze Erklärung, warum sie richtig oder falsch ist
- Start-, Weiter- und Neustart-Button, Punktestand und Ergebnisanzeige
- Teilen- und Download-Button, der die fertige HTML-Datei direkt herunterlädt
- Sprache: Deutsch
Gib nur den vollständigen HTML-Code aus.
5. Selbstlernen und Reflexion: Lernbuddy KI
KI kann Denken anregen, wenn wir sie bewusst führen.
Viele Tools bieten inzwischen eigene Lernmodi, wie ChatGPT mit „Studieren & Lernen„, Gemini mit „Lernhilfe“ oder Claude mit „Lernen„. Sie führen durch gezielte Fragen und Rückmeldungen durch einen Lernprozess im Dialog statt schnelle Antworten zu liefern. Dabei entsteht Lernen im Dialog durch mehr „selbst herausfinden.“

Dieser Stil bringt Lernende dazu, genauer hinzusehen, zu argumentieren und begründen. Sie entscheiden selbst, wie tief sie gehen und wann sie nachhaken.
Die Tutoring-Rolle können wir allerdings auch in klassischen KI-Chats anstoßen. Außerhalb des vordefinierten Lernmodus lernen wir zusätzlich KI zielgerichtet zu steuern statt einen bereits von KI-Entwicklern planierten Weg einzuschlagen, wie etwa Nele Hirsch kritisch festhält. So wird Lernen mit KI zu einem doppelten Prozess – über den Inhalt und über das Lernen selbst.
Prompt-Baustein: Lernbuddy KI
Ich möchte mit dir lernen, nicht nur Antworten bekommen.
Bitte begleite mich als Lerncoach, indem du mir Fragen stellst, mein Verständnis prüfst, Erklärungen schrittweise aufbaust und mich selbst nachdenken lässt.
Starte mit: „Was weißt du schon über [Thema]?“. Passe Tempo, Tiefe und Frageart an meine Antworten an; bitte mich um Beispiele.
6. Gesprächssituationen üben: KI als Rollenspiel-Partnerin
Lernen heißt vor allem auch üben. KI kann dabei zur realistischen Trainingspartnerin werden. Ob schwierige Gespräche, Beratung oder Feedback: Im Rollenspiel mit KI üben Lernende Kommunikation, Perspektivenwechsel und Spontaneität in einem sicheren Rahmen.
Wichtig ist: Du gibst der KI eine Rolle, aus der sie nicht ausbrechen soll. Du darfst ruhig etwas gefordert werden.
Prompt-Baustein: Rollenspiele mit KI
Spiele eine Rolle als [Rollenbeschreibung] in einem Rollenspiel zum Thema [Thema oder Situation].
Ich übernehme die Rolle von [eigene Rolle einsetzen].
Ziel: Wir üben [z. B. schwierige Gesprächssituationen, Beratung, Feedback].
Bleib in deiner Rolle, antworte realistisch und kurz.
Am Ende gib mir eine kurze Rückmeldung, was gut funktioniert hat und was ich verbessern könnte.
Tipp:
Für die ultimative Herausforderung: Aktiviere den Audio-Modus und spiele das Gespräch als Live-Simulation mit deinem KI-Gegenüber durch.
Fazit
Entscheidend ist, KI bewusst, selbstbewusst und klug ins Seminargeschehen zu integrieren.
Denn sonst bleibt Potential ungenutzt: Lernende zu empowern, KI-Kompetenzen aufzubauen und Lernsettings lebendiger und vielfältiger zu gestalten.
KI wird bald selbstverständlich Teil von Lernprozessen sein. Gerade deshalb braucht es Menschen, die sie mit Haltung einsetzen. Trainer:innen und Lernende bleiben „human in the loop“ – sie entscheiden, wie KI Lernprozesse unterstützt, hinterfragt und erweitert.
Es geht nicht darum, alles zugleich auszuprobieren, sondern anzufangen: mit Mut, Ausprobieren, Verfeinern und Lernen über das Lernen.
Vertiefung & Quellen
EB Mooc 2025 – KI-Workflows: Didaktik trifft Recht (Online-Kurs) Lektion 3: Workflow: KI im Kurs einsetzen – tolle Ressource zu rechtlichen und didaktischen Grundlagen beim Einsatz von KI in Bildungskontexten.
Schröder, F. (2024). Künstliche Intelligenz im Seminarraum: 35 Übungen mit ChatGPT & Co. für lebendiges Lernen. – Praxisorientierte Perspektive auf den Einsatz von KI in Trainings und Seminaren, mit konkreten Übungen für Trainer:innen und Lernbegleiter:innen.
Mollick, E. R., & Mollick, L. (2023). Assigning AI: Seven Approaches for Students, with Prompts. SSRN.- vertiefende Perspektive auf didaktische Einsatzformen von KI in Lernprozessen.
💬 Wie hast du KI bereits mit deinen Lernenden gemeinsam eingesetzt? Was hat es in deinem Seminar verändert? Teile gerne deine Erfahrungen oder Ideen in den Kommentaren.
Autor: Stefan Fersterer
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