#thedi: Frauen in der Erwachsenenbildung (und der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung)

Zwischen „Schade, dass so wenige Frauen da sind!“ und „Da können Frauen häkeln lernen!“

Foto: Wien, S.V.

Die Frage der Repräsentation und Beteiligung von Frauen in der Erwachsenenbildung ist eine lange und viel diskutierte. Lange Zeit lautete die paternalistische, also männlich bevormundende, Frage: Was dürfen Frauen und was schadet ihrem „natürlichen“ Wesen nicht.  Ich erwähne die Traditionslinie der „Gefährdung“ der Familie, Ehe und Normalität durch allzu emanzipatorische Bildung und Methoden.

„Es wäre zu fragen, ob der Preis, der für die Erhöhung des Lebensstandards und für die ökonomische Selbständigkeit der Frau gezahlt wird, nicht ein allzu hoher ist. Das „Recht auf den Beruf“ ist gegenüber Rechten und Pflichten, die aus Ehe und Familie erwachsen, abzuwägen“ meinte die Erwachsenenbildnerin Hannelore Blaschek ernsthaft noch im Jahre 1976.

Frauenbildung? Männerbildung?

Eine aktuelle Frage ist: Gibt es Methoden oder Bildungsformen, die grundsätzlich Männer oder Frauen bevorzugen?

Bedeutet ein hoher Anteil von Frauen in einem Kurs oder Lehrgang grundsätzlich emanzipatorische Bildung für Frauen oder kann er auch nur stereotype „frauenadäquate“ Bildung bedeuten? „Stereotyp“ bedeutet hier, Vorstellungen, die Benachteiligungen von Frauen verstärken oder sie unhinterfragt hinnehmen. Grundsätzlich ist nicht davon auszugehen, dass im Bereich der Erwachsenenbildung nicht auch stereotype Vorstellungen von Frauenbildung verfochten und in Kursen umgesetzt werden und wurden. Direkt umgesetzt wohl immer weniger, aber unbeabsichtigt, implizit sehr wohl.

Frauenort Volkshochschule

Der Frauenanteil an Volkshochschulen ist hoch, er liegt insgesamt um die 75%. Die Volkshochschulen sind seit dem Neubeginn nach dem Naziregime ein Bildungsraum für Frauen. Was oft zum Vorurteil führt, da können Frauen stricken und häkeln lernen. Die Volkshochschulen sind aber, wie auch die gewerkschaftliche Bildungsarbeit, vielmehr ein Raum für Entwicklung und Erprobung von Methoden einer (feministischen) Bildungsarbeit, die nicht Männer aufgrund ihrer Lebenssituation bevorzugt und ins Zentrum stellt. In der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit liegt der Anteil von Frauen insgesamt deutlich niedriger, Arbeit und gebildete Arbeit ist und war lange Zeit eine Domäne der Männlichkeit. Dies kann nicht nur mit der Phrase „Schade, dass so wenige Frauen da sind!“ kommentiert werden (vgl. den Lesetipp von Gertrude Hovestadt zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit).

Bildung für Gleichstellung

Bildung beeinflusst die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, sie löst sie aber nicht. Soll Bildung mehr Geschlechterdemokratie bewirken, braucht es Genderkompetenz und gendersensible Methoden, die Geschlechterklischees in Frage stellen und Übungsraum für deren Aufweichung bieten. Auch gewerkschaftliche Bildung wird von Frauen und Männern mit unterschiedlichen Lebensbedingungen in unterschiedlichen Lebensphasen in Anspruch genommen. Referenten und Referentinnen sind daher gefordert, die Lernprozesse so zu gestalten, dass die vielfältigen Bedürfnisse und Lebensrealitäten von Frauen und Männern berücksichtigt werden. Dafür ist es notwendig, soziale und strukturelle Aspekte zu beachten. 

Menschen erfahren Benachteiligungen aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie werden aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Identitätsmerkmale wie Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Religion, Sprache, politischer Anschauung, sozialer Schicht oder Alter abgewertet. Diese Merkmale sind häufig miteinander verwoben. Deswegen setzen wir auf eine intersektionale (diese Benachteiligungen und ihre Wechselwirkungen berücksichtigende) Bildungsarbeit, in der die verschiedenen Kategorien, aufgrund derer Menschen ausgeschlossen oder bevorzugt werden, sichtbar und bewusst macht.

Zum Weiterlesen

  • Gertrude Hovestadt: Schade, daß so wenig Frauen da sind. Normalitätskonstruktionen der Geschlechter in männerdominierter Bildungsarbeit, Münster 2002
  • Hannelore Blaschek: Ist Frauenbildung noch aktuell? Neue Erwachsenenbildung. Heft 4, Graz 1976
  • Karin Derichs-Kunstmann: Frauenbildung in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. In: Wiltrud Gieseke (Hg.), Handbuch zur Frauenbildung, Wiesbaden 2001, S. 579-589.
  • Toolbox gendersensible Bildungsarbeit
  • Surur Abdul-Hussain: Genderkompetenz in Supervision und Coaching, Wiesbaden 2012

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Autor: Stefan Vater

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