Umgang mit Vielfalt: Chance oder Herausforderung?

Gemeinsam Lernen & Arbeiten ermöglichen

23.-25. September 2024
Trainerinnen: Nicola Sekler & Margret Steixner

Ziele des Seminars: Die Teilnehmer:innen…

  • verstehen besser, welche Dynamiken in einer heterogenen Gruppe entstehen und wie eine offene Haltung zu einem produktiven Lernklima beitragen kann 
  • wissen, welche Herangehensweisen bei der Gestaltung von Lernsettings wichtig sind, um alle ins Boot zu holen 
  • können die erlernten Prinzipien und Methoden, die Lernen und Arbeiten in heterogenen Gruppen ermöglichen, auf ihre eigenen Seminare anpassen/anwenden 

Inhalte

  • Dimensionen von Vielfalt VERSTEHEN: an der eigenen Bildungsgeschichte + mit dem Diversitäts-Rad (Dimensionen von Diversität)
  • Wirken von Vielfalt in Gruppen ERLEBEN
  • Umgang mit Vielfalt als Trainer:in – Haltung & Grundprinzipien

Arbeitsweise

  1. Arbeit mit „Figuren“: Während des Seminars wurden gemeinsam Figuren mit entwickelt. Ziel war es, mithilfe der Figuren Eigenschaften und Ressourcen von möglichen Seminarteilnehmer:innen zu konkretisieren und im Verlauf des Seminars immer wieder mit ihnen zu arbeiten. Solche Figuren erleichtern den Praxisbezug, allerdings fließen automatisch auch viele Klischees mit ein – deshalb ist es wichtig, immer wieder diese Klischees zu hinterfragen und aufzulösen.
    Umsetzung: Leere Flaschen wurden mit einem bunten Papier bespannt.
  2. Arbeit mit „Modellen“: Für die Arbeit mit Vielfalt in Gruppen und die Gestaltung von Lernprozessen, haben wir mit unterschiedlichen Modellen gearbeitet (siehe unten). Modelle geben meist recht schnell einen Einblick in eine Thematik und eignen sich gut in heterogenen Gruppen: Teilnehmer:innen mit viel Vorwissen können die Modelle zur Reflexion und zum Sortieren des Wissens nutzen, Teilnehmer:innen mit wenig Vorwissen dienen die Modelle als (bildliche) Orientierung.

Zum Einstieg: Ein inklusiver Lernrahmen…
In einer kurzen Murmelrunde & dann im Plenum erarbeiten wir einen Rahmen, in dem wir gemeinsam gut arbeiten können, in dem sich alle gesehen & gehört fühlen. Eine gute und inklusive Zusammenarbeit entsteht nämlich selten automatisch, sondern ist ein gemeinsamer Prozess, der gestaltet werden muss. Im Laufe des Seminars schauen wir mehrmals gemeinsam auf den Rahmen und evaluieren.

Meine Bildungsgeschichte
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildungshintergrund dienten Geschichten aus der eigenen Bildungsbiographie: Erlebnisse aus der Kindheit, Rolle von Bildung im Familienalltag, Tischgespräche usw… Dazu nutzen wir folgendes Arbeitsblatt: MEIN BILDUNGSWEG

Modell: Dimensionen von Diversität
Das Diversitätsrad ist ein Modell, das verschiedene Dimensionen von Vielfalt, wie z. B. Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung und Behinderungen, darstellt und sichtbar macht. Es hilft, das Zusammenwirken dieser Aspekte (Stichwort: Intersektionalität) zu verdeutlichen und das Verständnis für ihr Wirken aufzuzeigen. 

Neben der Beschreibung von individuellen Eigenschaften und Merkmalen entlang der Dimensionen von Diversität, ist insbesondere die gesellschaftliche Wirkung wichtig: Was passiert, wenn unterschiedliche Fähigkeiten und Persönlichkeiten aufeinanderstoßen? Stehen diese wirklich neutral nebeneinander? Eigenschaften werden bewertet – bestimmte Erfahrungen, Ausbildungen und Merkmale zählen mehr, andere weniger. Zuschreibungen finden statt, gesellschaftliche Hierarchien wirken über Vorannahmen oder Vorurteile. Das alles beeinflusst unser (gesellschaftliches) Miteinander und damit auch die Dynamiken in Gruppen, mit denen wir arbeiten. Erlebte Diversität kann sehr unterschiedliche Bedürfnisse im Individuum wachrufen – manche Dimensionen von Diversität wollen explizit wahrgenommen und angesprochen werden, andere streben nach unaufgeregter Akzeptanz.

Im Seminar werden mithilfe der Dimensionen von Diversität 11 „Figuren“ als mögliche Seminarteilnehmer:innen mit ihren Ressourcen, Bedürfnissen, usw. „geschaffen“ (weitere Informationen zur Arbeit mit den Figuren siehe Artikel zum Seminar auf erwachsenenbildung.at).

Lernen in heterogenen Gruppen erleben
Was in Kleingruppen für Dynamiken entstehen, wer welche Fähigkeiten wie einbringen kann und will – das erleben die Teilnehmer:innen bei einer Gruppenübung, die ganz ohne Worte und nur mit einem Materialienpaket daherkommt – dabei entstanden ist das:

Wirken von Vielfalt in Gruppen erleben: Ein Schritt vor…

Ziel dieser Übung war es, sich nochmals eingehend mit den am Tag zuvor entwickelten „Figuren“ auseinanderzusetzen sowie deren Chancen und Möglichkeiten zu realisieren/erleben. Dazu werden Seminarsituationen vorgelesen und die Figuren, die die Fragen am Ende der Situation mit einem klaren „JA“ beantworten können, gehen einen Schritt weiter. Am Ende stehen die Figuren an ganz unterschiedlichen Stellen und in der Reflexion wird überlegt, warum ein „JA“, und damit ein Schritt vor, in der jeweiligen Situation möglich/unmöglich war bzw. was es gebraucht hätte, um diesen Schritt gehen zu können (weitere Informationen siehe Artikel zum Seminar auf erwachsenenbildung.at)

Gruppendynamische Modelle als Reflexionsfolie
Um das Verhältnis Person, Gruppe & Umwelt und deren Zusammenwirken besser zu verstehen, gibt es unterschiedliche Modelle. Im Rahmen des Seminars wurde das Modell der Themenzentrierten Interaktion & der inneren & äußeren Umwelt eingeführt. Diese Modelle können darüber hinaus auch den Blick schärfen, wo ich mich als Trainer:in oder Seminarleitung einer Gruppe bewege.

Ressourcenorientierter Blick
Weil das Thema Vielfalt häufig in einer Problemsicht bleibt, haben wir gemeinsam einen „Ressourcenschwenk“ gemacht. Was sind Ressourcen, die grundsätzlich in einer Gruppe hilfreich sein können? Und dann speziell: Was bringen die einzelnen „Figuren“ mit und in die Gruppe ein, das dem Thema oder der Gruppe zu einem arbeitsfähigen Ganzen verhelfen kann. Ziel war es, von einer häufig vorherrschenden problemorientierten zu einer ressourcenorientierten Sicht auf Vielfalt und Unterschiede zu wechseln. Anhand der eigenen Ressourcen sowie der Ressourcen der „fiktiven Seminarteilnehmer:innen“ (Figuren) wurde deutlich, dass gerade in heterogenen Gruppen die Ebene des ICH und WIR  (siehe TZI) neben dem Thema eine wichtige Rolle spielen – deshalb sollte diesen Ebenen immer wieder bewusst Raum gegeben werden.

Umgang mit Vielfalt in Gruppen – Haltung als Trainer:in
Im Umgang mit Vielfalt in Gruppen gilt es auch, sich der eigenen Haltung zu Diversität bewusst zu sein. Wichtig waren dabei: Welche Rolle habe ich genau in diesem Kontext? Wofür bin ich verantwortlich, wofür nicht? In welchem Umfeld bewege ich mich und was gibt mir dieses Umfeld auch an Haltung vor? Wie schaffe ich es, mit einer offenen Haltung gemeinsam mit der Gruppe den Rahmen zu gestalten, aber diskriminierendes Verhalten klar zu benennen?

Umgang mit Vielfalt in Gruppen – Grundprinzipien
Um das Lernen in heterogenen Gruppen gut zu gestalten und Lernen, trotz der oder gerade mit den Unterschieden, gut zu ermöglichen, kann schon einiges im Vorfeld durchdacht, beachtet und bei der Planung berücksichtigt werden. Besonders wichtig erscheinen uns dabei folgende Grundprinzipien:

  • Praxisbezug herstellen und mit unterschiedlichen Erfahrungen arbeiten: mit den Inhalten an Erfahrungen anknüpfen (erfahrungsnahes Lernen); Beispiele so wählen, dass für alle Anknüpfungspunkte dabei sind; immer wieder die Verwendbarkeit der (neuen) Inhalte aufzeigen; den Transfer in den Alltag begleiten, d.h. konkrete mögliche Umsetzungs- oder Veränderungsschritte schon im Seminar erarbeiten und besprechen.
  • Kooperation fördern: Konkurrenz ruft Erfahrungen mit Schule hervor und unterstützt die Bildung von Hierarchien, Abwertungen, Vergleichen. Kooperative Strategien sind: Austausch fördern und damit gegenseitiges Verstehen ermöglichen; gegenseitiges Beraten (kollegiale Fallberatung); „learning by teaching“ als Prinzip kann in vielfältigen Übungen verankert werden und bietet sich insbesondere bei großen Wissensunterschieden an.
  • Genug Zeit einplanen, um unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen; um Anleitungen, Zusammenfassungen, Zwischenstand usw. ausführlich machen zu können.
  • Einen Methodenmix umsetzen, um unterschiedliche Lerntypen zu berücksichtigen und damit die Motivation zur Beteiligung zu fördern; insbesondere das Arbeiten in unterschiedlichen „Sozialformen“ (paarweise, in Kleingruppen, Einzelarbeit, in der Gesamtgruppe, …) ist dafür hilfreich.
  • Wiederholen und Verankern der Inhalte vor Ort, damit die wichtigsten Punkte leicht ersichtlich sind und sich gut setzen können.
  • Explizit statt implizit: d.h. einerseits, Teilnehmer:innen gut im Lernprozess zu begleiten, Ziele sichtbar zu machen und Zusammenhänge immer wieder aufzuzeigen, den roten Faden aktiv zu legen und die Teilnehmer:innen nicht zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Im Sinne von Solidarität und Heterogenität heißt dies aber auch, explizit und kooperativ mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu arbeiten und dadurch Selbstverständlichkeit leben.
  • Arbeiten mit Modellen: Modelle sind gut einsetzbar, wenn unterschiedliches (Fach-)Wissen im Raum ist. Für Teilnehmer:innen mit Vorwissen sind sie ein guter Anhaltspunkt für eine strukturierte (Wieder-)Aufarbeitung eines Themas, für Anfänger:innen sind Modelle eine gute Orientierung.

Abrunden & Anwenden: Arbeit mit der fiktiven Teilnehmer:innengruppe
Aus 5 typischen Bildungsveranstaltungen und -situationen wählen die Teilnehmer:innen nach Interesse 3 aus (Binnendifferenzierung) und planen mithilfe der im Rahmen des Seminars diskutierten & erlernten Inhalte. Die Situationen sind:

  • Findet 5 Energizer, bei denen alle Teilnehmer:innen lustvoll mitmachen können 
  • Gestaltet ein Kick-off eines längeren Lehrgangs (z.B. Gewerkschaftsschule, BRAK, SOZAK) 
  • Einen Input zum Thema “KI & Gewerkschaftsarbeit”; Ziel der Veranstaltung ist es, dass die Teilnehmer:innen mit neuem Wissen & Erkenntnissen zum Thema sowie einem konkreten Bezug zu ihrer alltäglichen Arbeit hinausgehen 

Zum Abschluss…
… verabschieden sich die Teilnehmer:innen von ihren Figuren und reflektieren  was sie von ihnen und dem empathischen Blick auf sie lernen durften. Eindeutig ein spezieller Abschied…. Vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen mit den fiktiven Personen in einem eurer Seminare.

Literatur und weitere Materialien.

Lummerding, Susanne; Wiedmann, Sybille (2022): Mini-Handbuch Diversity. Impulse für die Beratungspraxis. 1. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz.

Love has no labels
Das Experiment
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