Seminardokumentation: Herausforderung Bildungshintergründe

20161010_154724Lernen in heterogenen Gruppen ermöglichen und gestalten

10.10.2016 – 12.10.2016
TrainerInnen: Nicola Sekler & Margret Steixner

Ziele des Seminars: Die TeilnehmerInnen…

  • …wissen, dass Wissensvermittlung immer auch heißt, sich mit den (Vor)Erfahrungen der TeilnehmerInnen auseinanderzusetzen und an ihnen anzuknüpfen
  • …verstehen besser, welche Dynamiken in einer heterogenen Gruppe entstehen können und wie sie damit umgehen
  • …kennen Methoden und Werkzeuge, die Lernen in Gruppen mit sehr unterschiedlichen (Vor)Erfahrungen ermöglichen
  • …können erlernte Methoden auf ihre eigenen Seminare anpassen/anwenden

Inhalte20161010_075853

  • Einstieg: Meine Bildungsgeschichte + Was verstehen wir unter Bildungshintergrund
  • Dimensionen von Bildungshintergrund & Diversität
  • Lernen in heterogenen Gruppen – Modelle und erleben
  • Umgang mit heterogenen Gruppen – Grundprinzipien und Methoden

Arbeitsweise:

  1. Arbeit mit „Figuren“: Während des Seminars wurden gemeinsam Figuren mit speziellen Charakteren entwickelt. Ziel war es, mithilfe der Figuren Eigenschaften und Ressourcen von möglichen SeminarteilnehmerInnen zu konkretisieren und im Verlauf des Seminars immer wieder mit ihnen zu arbeiten. Solche Figuren erleichtern den Praxisbezug, allerdings fließen automatisch auch viele Klischees ein, deshalb ist es wichtig, immer wieder diese Klischees zu hinterfragen und aufzulösen.
    Umsetzung: Genutzt wurden dafür leere Flaschen mit einem bunten Papier bespannt
  2. Arbeit mit „Modellen“: Für die Arbeit mit Bildungshintergründen und Lernprozesse in Gruppen, in denen diese sehr unterschiedlich sind, haben wir mit unterschiedlichen Modellen gearbeitet (siehe unten). Modelle geben meist recht schnell einen Einblick in eine Thematik und eignen sich gut in heterogenen Gruppen: TeilnehmerInnen mit viel Vorwissen können die Modelle zur Reflexion und zum Sortieren des Wissens nutzen, TeilnehmerInnen mit wenig Vorwissen dienen sie als (bildliche) Orientierung.

20161010_162300Meine Bildungsgeschichte
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildungshintergrund dienten Geschichten aus der eigenen Bildungsbiographie: Erlebnisse aus der Kindheit, Rolle von Bildung im Familienalltag, Tischgespräche usw… – blatt_storytelling

Modell 1: Dimensionen von Diversität
Die Dimensionen von Diversität verbildlichen, dass und wie Persönlichkeiten sich mithilfe unterschiedlicher Kategorien beschreiben lassen. Diese „Kategorien“ sind dabei nur ein Hilfskonstrukt, sie können nicht als einzelne Erscheinungsform gesehen werden, sondern beeinflussen sich gegenseitig und überschneiden sich. Der Bildungshintergrund – wie von uns entwickelt/eingeführt – spielt in mehreren von diesen Dimensionen eine Rolle. Neben der 20161010_162333Beschreibung von individuellen Eigenschaften und Merkmalen entlang der Dimensionen von Diversität ist insbesondere die gesellschaftliche Wirkung wichtig: Was passiert, wenn unterschiedliche Fähigkeiten und Persönlichkeiten aufeinanderstoßen? Stehen diese wirklich neutral nebeneinander? Eigenschaften werden bewertet – bestimmte Erfahrungen und Merkmale zählen mehr, andere weniger; Zuschreibungen finden statt, gesellschaftliche Hierarchien wirken über Vorannahmen oder Vorurteile. Das alles beeinflusst unser (gesellschaftliches) Miteinander und damit auch die Dynamiken in Gruppen, mit denen wir arbeiten. Erlebte Diversität kann sehr unterschiedliche Bedürfnisse im Individuum wachrufen –  manche Dimension von Diversität wollen explizit wahrgenommen und angesprochen werden, andere streben nach unaufgeregter Akzeptanz.

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Im Seminar werden mithilfe der Dimensionen von Diversität und den Überlegungen zu Bildungshintergründen 9 „Figuren“ als mögliche SeminarteilnehmerInnen mit ihren Ressourcen, Bedürfnissen, usw. „geschaffen“.

Lernen in heterogenen Gruppen erleben
Was in Kleingruppen so für Dynamiken entstehen, wer welche Fähigkeiten wie einbringen kann und will – das erleben die TeilnehmerInnen bei einer Gruppenübung, die ganz ohne Worte und nur mit einem Materialienpaket daherkommt – dabei entstanden ist das:

 

Modell 2: Das Flow-Modell von Mihaly Csikszentmihalyi
20161011_104052Zum Einstieg in den zweiten Tag nutzten wir das „Flow Modell“, um das Erleben des ersten Seminartages zu reflektieren. Die TeilnehmerInnen wurden gebeten, ihr Befinden zwischen der Achse Fähigkeiten und Herausforderung einzuordnen.
Im „Flow-Modell“ soll dargestellt werden, dass positives Involviertsein vor allem dann passieren kann, wenn die TeilnehmerInnen einerseits bewusst auf ihre bestehenden Fähigkeiten aufbauen, andererseits aber auch ein 20161011_104117ausreichendes Maß an neuen Herausforderungen erleben, die einen Anreiz zu Weiterentwicklung bieten. Diese Einsicht kann auch für das Lernen in heterogenen Gruppen sinnvoll sein. Die Frage, wie wir TeilnehmerInnen in Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und einem Bedürfnis nach gesteuerter Herausforderung abholen können, kann uns in der Planung und Umsetzung leiten.  Die folgenden Prinzipien zeichnen das Erleben von „Flow“ aus:

 

Wirken von Bildungshintergründen in Gruppen erleben: Ein Schritt vor…
Ziel dieser Übung war es, sich nochmals eingehend mit den am Tag zuvor entwickelten „Figuren“ auseinanderzusetzen und deren Chancen und Möglichkeiten zu realisieren/erleben. Dazu werden Seminarsituationen vorgelesen und die Figuren, die die Fragen am Ende der Situation mit einem klaren „JA“ beantworten können, gehen einen Schritt weiter. Z.B.

„Nach einem Vortrag zu „Arbeitszeit und deren Regelung in Betriebsvereinbarungen“ gibt es die Möglichkeit, dem Referenten Fragen zu stellen. Während dem langen und ausführlichen Vortrag sind dir einige Dinge unklar geblieben, v.a. in Bezug auf eure jüngst abgeschlossene BV. Traust du dich, eine Frage zu stellen?“
„Du startest in diesem Jahr die Gewerkschaftsschule. Beim Kennenlern-Seminar erarbeitet ihr jeweils in 3er Gruppen eure Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Aufgabe ist, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf einem Flipchart zu notieren; ein Gruppenmitglied soll die Gemeinsamkeiten und Unterscheide danach in der Gesamtgruppe vorstellen – meldest du dich freiwillig?“

Am Ende stehen die Figuren an ganz unterschiedlichen Stellen und in der Reflexion wird überlegt, warum ein „JA“ und damit ein Schritt vor in der jeweiligen Situation möglich/unmöglich war bzw. was es gebraucht hätte, um diesen Schritt gehen zu können.

Modell 3: Themenzentrierte Interaktion und die Frage nach den Ressourcen20161011_152750
Das Zusammenwirken der einzelnen TeilnehmerInnen in der Gruppe wurde anhand des Modells der Themenzentrierten Interaktion erklärt. Besonderer Fokus wurde hier auf „Ressourcen“ gelegt: also was bringen die einzelnen Personen in die Gruppe ein, das dem Thema oder der Gruppe zu einem arbeitsfähigen Ganzen verhelfen kann. Ziel war es, von einer häufig vorherrschenden problemorientierten zu einer ressourcenorentierten Sicht auf Vielfalt und Unterschiede zu wechseln. Anhand der eigenen Ressourcen sowie der Ressourcen der „fiktiven SeminarteilnehmerInnen“ (Figuren) wurde deutlich, dass gerade in heterogenen Gruppen die Ebene des ICH und WIR neben dem Thema eine wichtige Rolle spielen – deshalb sollte diesen Ebenen immer wieder bewusst Raum gegeben werden.

Umgang mit heterogenen Gruppen – Grundprinzipien und Methoden
Um das Lernen in heterogenen Gruppen gut zu gestalten und lernen trotz der oder gerade mit den Unterschieden gut zu ermöglichen, kann schon einiges im Vorfeld durchdacht, beachtet und bei der Planung berücksichtigt werden. Besonders wichtig erscheinen uns dabei folgende Grundprinzipien:

  • Zeit, um unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen; um Anleitungen, Zusammenfassungen, Zwischenstand usw… ausführlich machen zu können
  • Methodenmix, um unterschiedliche Lerntypen zu berücksichtigen und die Motivation zur Beteiligung zu fördern; insbesondere das Arbeiten in unterschiedlichen „Sozialformen“ (paarweise, in Kleingruppen, Einzelarbeit, in der Gesamtgruppe, …)
  • Wiederholen + Verankern der Inhalte, damit alle nochmals das Wichtigste mitbekommen
  • Explizit statt implizit: die TN nicht zwischen den Zeilen lesen lassen; Zusammenhänge gut aufzeigen; Ziele immer klarmachen: Warum wird was gemacht
  • Kooperationen fördern: Konkurrenz ruft Erfahrungen mit Schule hervor; learning by teaching als Prinzip kann in unterschiedlichen Übungen verankert werden
  • Arbeiten mit Modellen: für TN mit Vorwissen ist es ein guter Anhaltspunkt für eine strukturierte Aufarbeitung eines Themas; für AnfängerInnen sind Modelle eine gute Orientierung
  • Praxisbezug: Beispiele, die für alle einen Anknüpfungspunkt bieten; mit Erfahrungen der TN arbeiten; Austausch fördern (gegenseitiges beraten); erfahrungsnahes lernen
  • Transfer begleiten: Verwendbarkeit aufzeigen – d.h. schon konkret den Praxisbezug im Seminar herstellen

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Und hier unsere Methodensammlung, die wir überprüft haben auf:

  • Was hat die Methode mit Bildungshintergrund zu tun? Wie spielt er rein?
  • Wann, wie, mit welchem Ziel ist sie einsetzbar?
  • Was brauchen „Figuren“, um mit der Methode gut arbeiten zu können bzw. sich gut einbringen zu können?

 

 

Empathie | Haltung als Trainerin
Empathie kann als eine Grundhaltung beschrieben werden, die es uns ermöglicht, uns in andere Personen und ihr Erleben hineinzudenken. Empathie stellt deshalb eine wesentliche Fähigkeit im Umgang mit Verschiedenheit dar. Im Englischen wird dabei auch zwischen „empathy“ und „sympathy“ unterschieden, wobei „empathy“ als die Fähigkeit beschrieben wird, sich in die Welt des/der anderen zu versetzen, während „sympathy“ immer auf dem Teilen von Erfahrungen beruht und sich deshalb auf das Prinzip der Ähnlichkeit beschränkt. Wir haben uns zum Abschluss noch kurz mit 3 Fragen zu diesem großen Thema beschäftigt (siehe Flips) – mehr findet sich hier.

 

Zum Abschluss…
… versuchen wir in aller Kürze, den TeilnehmerInnen den Schritt in die Umsetzung zu erleichtern, mit einer kurzen Transferübung – arbeitsblatt_reflexiontransfer

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