Tipps für ungeplante Diskussionen
Ich habe ein Seminar zeitlich straff geplant. Da meldet sich jemand während meiner Präsentation zu Wort, äußert Einwände und Bedenken. Sein Statement, das ich während meines Vortrags zulasse, löst gleich fünf weitere Wortmeldungen aus. Was mache ich in der Situation?
Freut euch, wenn eine Diskussion losbricht! Offensichtlich kommt ihr mit euren Inhalten und eurer Präsentation bei den Zuhörer:innen an. Ihr berührt, regt zum Nachdenken und vielleicht auch zum Widerspruch an. Also fühlt euch nicht angegriffen, auch wenn die Gegenrede nicht immer freundlich formuliert ist. Schiebt auch Gedanken weg wie „Das bringt mein ganzes Zeitmanagement durcheinander.“
Von der Präsentation zur Moderation wechseln. Spontane Diskussionen starten mit einer Wortmeldung. Wir rufen auf und entscheiden, ob das eine schnell zu beantwortende Verständnisfrage oder der Start in eine Diskussion ist. „Ich sehe, zu meiner Aussage …. gibt es ergänzende Argumente (Vorbehalte, Gegenthesen …) … Wir können das gerne diskutieren.“ Rührt sich jetzt niemand, mach ich weiter. Gibt es Wortmeldungen, verbalisiere ich die Reihenfolge: „Das war der Severin, die Gülcin und die Kollegin im grünen Pulli …)“ Ich fahre gut damit, die Teilnehmer:innen reden zu lassen und erst dann zusammenzufassen und zu kommentieren. Achtet, darauf, dass Beiträge ganz kurz sind. Dauert die Diskussion länger als ein paar Minuten: Abbrechen, zusammenfassen und Fortsetzung nach der Präsentation ankündigen.
Ihr entscheidet, wann und wie lange diskutiert wird. Das lässt sich schon zu Beginn klären. „Ich bitte darum, Fragen und Anmerkungen, die während meiner Präsentation aufkommen, zu notieren… Dafür nehmen wir uns anschließend Zeit.“ Damit wird der eigene Gedankengang nicht unterbrochen, der Lernprozess nicht gestört. Wenn ihr Zwischenfragen und Diskussionen während einer Präsentation zulasst, lenkt das möglicherweise ab.
Ein vorbereiteter Themenspeicher signalisiert: Auch wenn nicht sofort diskutiert wird, deine Frage, dein Beitrag geht nicht verloren. Aber Vorsicht vor nicht bearbeiteten Themenspeichern!
Plant Zeit für spontane Diskussionen ein! Von erfahrenen Referent:innen gibt es den Tipp: Verplant nur zwei Drittel der Zeit! So entsteht Raum für Diskussionen. Und wenn doch nicht diskutiert wird? Dann starten wir selbst eine Diskussion oder wir haben noch einen inhaltlichen Punkt auf Vorrat.
Vermeidet Diskussionen mit einzelnen Teilnehmer:innen! Eine Person sieht die Thematik ganz anders als du und greift dich an, aber eben nur eine Person. Nicht persönlich nehmen und schnell zurück zum eigenen Gedankengang. Du verlierst sonst möglicherweise die anderen Teilnehmer:innen, die dann nur noch darauf achten: Wer gewinnt das Duell?
Regeln gelten auch bei der Moderation spontaner Diskussionen. Darauf zu achten, ist unser Job. Persönliche Angriffe unter der Gürtellinie tolerieren wir nicht. Das schließt rassistische und sexistische Untertöne ein. Ich greife auch ein, wenn es chaotisch wird, mehrere gleichzeitig reden oder Leute sich ins Wort fallen.
Neutralität ist angesagt, wenn ich in Workshops die Moderationsfunktion übernehme. Da mische ich mich inhaltlich in die Diskussionen nicht ein. Wenn ich aber in unseren Seminaren spontane Diskussionen leite, beziehe ich sehr wohl inhaltlich und politisch Stellung. Ich mache das aber immer als meine eigene Position deutlich.
Weitere Beiträge zum Thema Diskussion
Zur Methode Diskussion gibt es eine Reihe von Blogbeiträgen, die in loser Folge (wieder-)veröffentlicht werden.
#mm: Schriftliche Diskussion | Schreibgespräch
#mm: Diskussion im Plenum
#mm: Pro/Contra-Diskussion
#mm: Fishbowl-Diskussion
#mm: Schriftlich argumentieren
#mm: Das Lehrgespräch
Autor: Ulli Lipp
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