
alias Gruppenpuzzle alias STEX alias Jigsaw-Methode
Wir lernen neue Inhalte besonders gut, wenn wir sie weitergeben müssen. Das Prinzip heißt „Lernen durch Lehren“. Darauf bauen einige Methoden der Wissensvermittlung auf. Gelernt und geübt werden neben neuen Inhalten auch Tools zur Vermittlung.
Eine einfache Version
Wir geben den Teilnehmenden kurze Texte zum Thema und bitten die Inhalte so aufzubereiten, dass sie in einer 5-Minuten-Präsentation im Plenum weitergegeben werden können. Bewährt hat sich bei der Vorbereitung die Arbeit in Kleingruppen, auch wenn dann nur eine Person präsentiert. Nützlich ist, wenn eine Visualisierung (z.B. ein Flipchart-Plakat) bei der Präsentation obligatorisch ist.
Gruppenpuzzle: Alle kommen in die Vermittlungsrolle
Das sind zwei Kleingruppenarbeiten nacheinander. In der ersten Gruppenarbeit machen sich alle Gruppenmitglieder zu Expert:innen, die sich auf die Vermittlung der Textinhalte vorbereiten. Jede Gruppe bearbeitet einen anderen Text.
In einer zweiten Gruppenarbeit geben die frischgebackenen Expert:innen das Wissen aus den Texten (bzw. ausgewählte Teile daraus) weiter. In dieser zweiten Phase sollen in allen Gruppen alle Texte vertreten sein. (Siehe Organisation auf dem Plakat unten)
Ein Beispiel aus einem Refak-Seminar
Im Seminar „Lebendig referieren“ 2025 vermitteln wir einen Teil des Themas „Lernen in Gruppen“ mit der Methode „Gruppenpuzzle“. Zur Orientierung wurden Methode und Ablauf mit Räumen und Zeiten visualisiert.

So sehen die Texte für die Gruppenarbeit 1 aus:
– Gruppenbildung und Fraktionierung
– Was heißt es, eine Gruppe zu leiten?
– Wie werden müde Gruppen munter?
– Herzlich willkommen. Wie sich der Raum auf die Gruppendynamik auswirkt.
Die Zeit für die Bearbeitung der Texte und die Vorbereitung der Präsentation betrug 45 Minuten. Aus dem Text über „müde Gruppen“ wählten die Gruppe nur den Aspekt „Powernap“ aus, weil das 5 Minuten gut füllte. Alle drei aus der Gruppe gestalteten jeweils ein eigenes Plakat zur Vermittlung.

Tipps für die Methode „Lernen durch Lehren“
- Das Verfahren mit den zwei aufeinanderfolgenden Gruppenarbeiten in unterschiedlicher Konstellation muss gleich am Anfang genau erklärt werden.
- Die Laufkarte ist zur Orientierung nötig. Wenn die vorgegebenen Zeiten nicht eingehalten werden, vor allem beim Wechsel von der Experten- in die Vermittlungsgruppe, entsteht Chaos.
- In den Vermittlungsgruppen ist es hilfreich, eine Zeitwächter:in einzusetzen, damit für jeden Teilinhalt etwa dieselbe Zeit zur Verfügung steht.
- Ideale Teilnehmer:innenzahlen sind 9, 12, 16, 20. Da geht das System glatt auf. Wenn die Zahl nicht so günstig ist, vermitteln zwei Teilnehmer:innen gemeinsam einen Text. (aus: U. Lipp: 100 Tipps für Training und Seminar)
Probleme und wie wir sie umgehen
- Lernen durch Lehren braucht Zeit. Gebt gerade in der ersten Gruppenphase ausreichend Zeit zur Arbeit an den Texten und zur Vorbereitung der Präsentation!
- Sehr aufwändig ist die Vorbereitung der Texte. Sie sollten ungefähr gleich lang sein und von der Komplexität nicht zu unterschiedlich. Wir setzen deshalb die Methode dann ein, wenn wir die Texte öfter verwenden können. Bei den Wiederholungen lassen sich die Texte dann anpassen.
- Was durchaus passiert: Bei der Vermittlung schleichen sich Fehler ein. Vielleicht weil der Text zu kompliziert ist und falsch verstanden wurde. Als Referent:in bei der Vermittlung zuzuhören, geht allenfalls bei einer Gruppe und stört eventuell. Eine kurze Plenumsphase nach der zweiten Gruppenphase für offene Fragen kann hilfreich sein.
Lernen durch Lehren als didaktisches Prinzip
Die Idee, dass Lernende zu Lehrenden werden, hat sich inzwischen zu einem eigenständigen didaktischen Prinzip entwickelt, das in fast allen Lernfeldern und Bildungsbereichen von Schule über Studium und Ausbildung bis zur Erwachsenenbildung theoretisch weitergedacht und praktisch erprobt wird. Die Idee, dass Lernende sich gegenseitig etwas beibringen, passt auch wunderbar zu unserer gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und solidarischem Lernen.
Einen guten und aktuellen (2024) Überblick gibt das Praxishandbuch Lernen durch Lehren. Simon W. Kolbe zitiert in seinem Eingangsbeitrag aus dem Kinderbuch „Eine Woche voller Samstage“ von Paul Maar. Das „Sams“ ist in einer Schulklasse, eine Schülerin unterrichtet, der Lehrer hört wie die anderen zu:
„‚So ein fauler Kerl‘, sagte das Sams. ‚Das nimmst du sofort zurück!‘ drohte sein
Banknachbar und hielt ihm die geballte Faust unter den Rüssel. ‚Warum tut er denn
nichts?‘ wollte das Sams wissen. ‚Weil wir alles selber können. Jeder, der will, darf
Lehrer spielen. Und nur, wenn einer nicht mehr weiter weiß, erklärt es der echte
Lehrer. Barbara ist besonders gut in Erdkunde. Deswegen ist sie immer die Lehrer*in,
wenn es um Erdteile, Städte oder Länder geht. Bernd kann gut rechnen. Er hat uns
allen das Einmaleins beigebracht. Und so geht es weiter. Jeden Tag haben wir andere
Lehrer. Alle passen auf, weil es nie langweilig wird, und die Schule macht Spaß!‘“
(Maar 1981, S. 88 f.)
Autor:innen: Nicola Sekler und Ulli Lipp
Zum Weiterlesen:
- Kolbe, S.W. und Martin, J.-P. (2024): Praxishandbuch Lernen durch Lehren. Kompendium eines didaktischen Prinzips. Weinheim, Beltz-Verlag
- Lipp, U. (2008): 100 Tipps für Training und Seminar. Weinheim, Beltz-Verlag
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