#grumo_05: Stürmend zur guten Performanz

Unterschiedliche Gruppenphasen

Eine Gruppe formt sich

In unserem heutigen Beitrag erörtern wir das Thema Gruppenphasen und schauen uns an, woran sich diese in der Praxis erkennen lassen.

Glücklicherweise hat sich unsere Fallgruppe erst kürzlich mit dem Thema beschäftigt. Wir nützen also wieder die Gelegenheit unseren Protagonist*innen – Maria, Yasemine, Rudi, Beate und Paul – über die Schultern zu schauen und zu hören, was sie zu dem Thema zu sagen haben. Dieses Mal war das gar nicht so einfach, traf sich unsere Fallgruppe doch nicht im Hinterzimmer des Beisls ihrer Wahl, sondern – Bingo – online…

„Hallo, hört ihr mich?“ versteht Beate, als sie versucht Rudis Lippen zu lesen. Anscheinend funktioniert sein Mikrofon nicht oder es ist nicht eingeschalten. Paul hat das ebenfalls schon bemerkt und Rudi via Chat darauf aufmerksam gemacht, dass er zwar gesehen, aber nicht gehört wird. „Schönen guten Abend, Beate! Pünktlich wie immer!“ meint Paul und verstummt gleich wieder. Beate, nach einigen Wochen Erfahrung in Videotelefonie (inklusive technischen Herausforderungen) geübt in „non-verbaler“ Kommunikation, bekommt mit, wie Paul seine Kinder auffordert, ihn in Ruhe zu lassen und sein Arbeitszimmer – formerly known as Durchgangs- oder Wäschezimmer – zu verlassen.

Beate grinst und freut sich, dass nun auch Yasemine und Maria den virtuellen Raum betreten haben. Weitere Begrüßungen folgen, Pauls Mikro ist wieder an und auch Rudi hat es geschafft, die Einstellungen an seinem Laptop zu ändern und sich Gehör zu verschaffen: „Guten Abend, wie geht es euch, könnt ihr mich gut hören?“ Ein mehrstimmiges Ja ertönt und Daumen hoch sind zu sehen. Nur ein paar Minuten brauchen unsere Fünf, um sich ein paar Regeln für ihr Online-Treffen auszumachen und dann starten sie schon los mit einer Befindlichkeitsrunde, wie immer zu Beginn ihrer zweiwöchentlich stattfindenden Treffen.

Die eigenen Erfahrungen als Startpunkt

Durch die anfänglichen Schwierigkeiten bei ihrem ersten virtuellen Treffen erinnert sich Paul an ihr überhaupt erstes Treffen face-to-face: „Wisst ihr noch? An dem Seminarwochenende, wo wir uns kennengelernt haben? Da hat es ja auch ganz schön gekracht!“. „Hä, da war ich dann wohl gerade auf der Toilette oder auf Rauchpause“ entgegnet Maria. Aber Paul ist anderer Meinung: „Nein, nein, ich weiß ganz genau, dass du da auch dabei warst. Yasemine, du hast irgendwas gesagt über die Art und Weise, wie ein anderer Teilnehmer Rückmeldungen gibt. Ganz genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls war die Stimmung schlagartig anders. Ich hab geglaubt, gleich wird gekämpft!

Maria erinnert sich: „Ach so, das meinst du. Ja, da war ich schon dabei. Aber ich finde das ganz normal und nicht außergewöhnlich. Wir, also die ganze Gruppe, wussten halt damals noch nicht so genau, wie wir miteinander tun sollen. Da gab es noch keine Gruppenkultur oder vereinbarte Regeln.“ Jetzt meldet sich Rudi dazu: „Also ich hab das auch arg empfunden und auch ganz schön mutig von Yasemine, dass sie sagt, dass sie etwas stört.“

Eine Situation, verschiedene Erfahrungen

Weitere Erinnerungen werden ausgetauscht, unterschiedliche Bilder entstehen von ein und derselben Situation. Aber dass Wahrnehmung nicht ein-deutig ist, ist nichts Neues für die fünf Kolleg*innen. Paul gibt zu, dass die Arbeit mit Gruppen ganz schön herausfordernd für ihn ist: „Ihr kennt mich ja schon ein wenig und wisst, dass ich es sehr gerne harmonisch mag. Das ist nicht immer einfach, wenn man viel mit und in Gruppen zusammenarbeitet. Als Lehrgangscoach bin ich auch immer mit dieser Gruppendynamik konfrontiert. Mir hilft es, wenn ich mir immer wieder mal vor Augen führe, dass es in Gruppen bestimmte Dynamiken und Phasen gibt und dass es sie auch braucht, damit sich eine Gruppe weiterentwickeln kann oder damit überhaupt erst einmal Arbeitsfähigkeit entsteht.“

Rudi entgegnet: „Ja, eh, natürlich. Aber ich merke, dass ich diese Tatsache auch immer wieder aus den Augen verliere und mich dann etwas ratlos frage, was den bitte los ist, wenn manche Dinge nicht funktionieren oder ich die Stimmung in der Gruppe nicht einordnen kann. Was haltet ihr davon, wenn wir die Zeit gleich nutzen und uns gemeinsam – wie hast du gesagt, Paul – vor Augen führen, was es mit den Gruppenphasen aus sich hat?“ Das freut Yasmine: „Ja, super Idee! Gruppendynamik ist ja ohnehin eines meiner Lieblingsthemen!“

Gruppenphasen nach Tuckman

storming…

Gemeinsam werden die Gruppenphasen zusammengesucht und, weil anschaulicher, im Chat der Online-Plattform aufgeschrieben. Die Gruppenphasen, die sie finden, sind:
– forming
– storming
– norming
– performing

Dabei beziehen sich unsere Protagonist*innen auf das Modell von Bruce Tuckman, einem US-amerikanischen Psychologen und Organisationsberater, der in den 1960er Jahren seine Beobachtungen als Team- bzw. Gruppenphasen beschrieb. Beate, die sich bisher nicht so viel mit dem Thema beschäftigt hat, hätte gerne ein wenig mehr Infos zu den Gruppenphasen, und so werden Ergänzungen hinzugefügt:

  • forming: Erste(s) Zusammentreffen & Kennenlernen
    Dynamik: Unsicherheit, Unklarheit, Was darf ich tun? Habe ich hier Platz?
  • storming: Rollen und Aufgaben werden abgesteckt
    Dynamik: Reibereien, Aufregung, Enttäuschung, Machtkämpfe, zum Teil starke Emotionen
  • norming: Rollen werden definiert, Regeln werden festgelegt
    Dynamik: Mitglieder werden zu einem Team, Wir-Gefühl
  • performing: Zusammenarbeit, Ziele werden erreicht
    Dynamik: Arbeitsfähigkeit, Erfolg
  • adjourning (später von Tuckmann dem Modell hinzugefügt): Gemeinsames reflektieren und evaluieren, Auseinandergehen
    Dynamik: Zusammenarbeit ist beendet, Team oder Gruppe löst sich auf
performing!
norming…

… nicht zwingend linear

Yasemin fügt hinzu: „Beate, es ist aber wichtig zu wissen, dass diese Phasen nicht zwingend linear ablaufen. Es kann sein, dass eine Gruppe schon gut arbeitsfähig ist, aber dann passiert etwas – eine Veränderung, jemand kommt in die Gruppe dazu oder geht weg oder eine besondere Herausforderung steht an – und die Gruppe beginnt wieder zu „stürmen“. Dann braucht es wieder eine norming-Phase und als Trainer*in wäre es sinnvoll, so eine Phase methodisch zu unterstützen, indem ich beispielsweise wieder Zeit gebe zum Kennenlernen oder eine Teambuilding-Übung mache und eine Reflexion zum Thema Zusammenarbeit anleite.“

Beate meint, dass das zwar logisch klingt, aber „dann muss ich erstmal erkennen, dass die Gruppe grade in so einer Phase ist.“ Paul entgegnet, dass es Erfahrung und Routine braucht und das für ihn auch Weiterbildungen zu Gruppendynamik (z.B.: die ÖAGG oder die ÖGGO) sehr hilfreich waren oder eben das Modell der Gruppenphasen präsent zu haben. Yasemin hat noch einen Tipp: „Am REFAK Blog von VÖGB & AK findet sich eine Gruppenphasentabelle mit Leitungsfunktionen, die find ich auch voll gut!“

Die Fünf entscheiden sich dafür, sich nächstes Mal in einem Park zu treffen. „Face to face ist die Kommunikation doch einfacher“ meint Rudi ein bisschen verschmitzt. Er hatte immer wieder Audioprobleme während des Treffens. Die anderen sind einverstanden und freuen sich drauf, sich wieder live zu begegnen. „Gehen wir doch da weiter, wo wir grade sind“, meint Rudi, „was ist, wenn die Leitung selber grad nicht leiten mag und sich eigentlich vor der Gruppe oder der Dynamik in der Gruppe fürchtet.“ Ein allgemeines Daumen hoch beendet das Onlinetreffen. Für langes Plaudern ist der virtuelle Raum nicht gemütlich genug. Rudi erklärt sich der Einfachheit halber bereit das nächste Treffen vorzubereiten.

Autorinnen: Gerda Kolb und Irene Zavarsky

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