Eine kurze Reise nach Nordmazedonien
Machen wir in der Zeit einen kurzen Sprung zurück: Im Jahr 2016 wird Donald Trump erstmals Präsident der Vereinigten Staaten. Das Wahlergebnis kommt für viele Menschen überraschend und ein Grund dafür wird von Kommentator:innen in Fake News, Verschwörungserzählungen und digitaler Propaganda gesehen, die in diesem Wahlkampf eine besonders große Rolle spielten.
Veles
Digital ploppen in dieser Zeit neue englischsprachige Webseiten auf, die sich – gerade kurz vor der Wahl – der US-Politik widmen. Auf diesen neuen Webseiten finden sich in der Regel reißerische Headlines, rechtsextreme Narrative gemischt mit digitalen Falschnachrichten. Und viele der Berichte auf diesen Seiten werden geklickt, gelesen und gehen über die Algorithmen von Facebook und anderen digitalen Plattformen „viral“, das heißt sie werden besonders oft angeklickt, kommentiert und geteilt.
Nach Ende der Wahl ergeben Recherchen unterschiedlichster Journalist:innen, dass eine Vielzahl dieser Internetseiten ihren Ursprung nicht in den USA, sondern in einer Kleinstadt namens Veles im heutigen Nordmazedonien haben. Viele junge Menschen in Nordmazedonien leiden unter einer hohen Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit. Eine der wenigen Möglichkeiten wirklich Geld zu machen, funktioniert über digitale Kanäle. Und genau das passiert im Jahr 2016: Einige junge Menschen erstellen Politik-Webseiten für den amerikanischen Markt, weil sie wissen, dass diese in der Vorwahlzeit besonders viel Aufmerksamkeit bekommen können und sie wissen auch, dass populäre Internetseiten die Möglichkeit bieten, über die Schaltung von Werbeanzeigen Geld zu verdienen. In Veles wird umgangssprachlich von einem kleinen „digitalen Goldrausch“ gesprochen.
Geld, Überzeugung, Unwissen: Warum Menschen Fake News verbreiten
An dem Beispiel erkennen wir zwei wichtige Dinge: Erstens, dass bei der Verbreitung von Fake News Geld bzw. wirtschaftliche Motive eine nicht unwesentliche Rolle spielen können. Oft ist es auch so, dass Fake News emotionalisieren, die Konsument:innen wütend oder traurig machen und verängstigen können. Emotionalisierende Nachrichten haben auf den großen Social-Media-Plattformen einen gewissen Vorteil, weil diese häufiger angeklickt werden und somit den großen Firmen, die hinter den Plattformen stecken, potenziell mehr Gewinn bzw. Geld einbringen können.
Ein anderes Motiv für die Verbreitung von Fake News ist in vielen Fällen auch der Inhalt. Das heißt, dass Menschen den falschen Inhalt wirklich verbreiten wollen, weil man politisches Kapital daraus schlagen will und es in die eigene politische Erzählung passt.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Verbreitung von Fake News ist aber auch einfach Unwissen. Wie oft sind Sie persönlich schon auf Fake News hereingefallen? Ich bin mir sicher viel öfter, als Sie sich selber bewusst sind. Und das ist eigentlich ganz normal.
Vorsicht, Hilfe, Überzeugung: Was wir im Umgang mit Fake News tun können
Vielen Menschen ist es im ersten Moment ausgesprochen peinlich, wenn sie bemerken, dass sie auf Fake News hereingefallen sind. Dass Menschen eigene Fehler oder Unzulänglichkeiten nicht einfach so zugeben, ist uns allen bekannt. Darum ist es in der Praxis manchmal hilfreich, eigene Fehler zuzugeben, wenn man als Pädagoge oder als Pädagogin über das Thema Fake News und Medienkompetenz spricht. Wenn wir bei Sapere Aude einen Workshop zum Thema Fake News halten, egal ob bei Erwachsenen oder Jugendlichen, dann erzählen wir eigentlich immer auch die Geschichte von einer Falschnachricht, an die wir selber geglaubt haben. Das sorgt bei diesem schwierigen Thema einerseits für Auflockerung und anderseits erleichtert es unserer Zielgruppe, auch über jene Fake News zu sprechen, an die man selber einmal geglaubt hat.
Ein weiterer Tipp im praktischen Umgang mit Fake News ist es, eigene politische oder gesellschaftliche Überzeugungen miteinzubeziehen bzw. zu thematisieren. Viele Menschen glauben an Fake News oder an Verschwörungserzählungen, weil sie daran glauben wollen, bzw. weil die Falschnachricht zur eigenen Weltsicht passt. In der Fachliteratur nennt sich dieses Phänomen „Bestätigungsfehler“. Eine wichtige Kontrollfrage beim Konsum von Nachrichten sollte also sein „Stimmt die Nachricht oder will ich, dass die Nachricht stimmt?“. Bei jenen Nachrichten, die ich inhaltlich besonders gut finde, ist es gut, in höherem Ausmaß sorgsam zu sein und inhaltlich noch einmal draufzuschauen und mehrmals zu kontrollieren, ob die Nachricht auch wirklich stimmt.
Ein dritter und letzter Tipp ist es, sich Hilfe zu holen. Ich kann dank guter und vielfältiger Faktencheckwebseiten im Internet bei wichtigen Nachrichten relativ schnell herausfinden, ob populäre Nachrichten zum Nahostkonflikt, zur österreichischen Regierung oder zu einem Erdbeben in Papua-Neuguinea wirklich stimmen oder nicht. Dort beschäftigt sich eine Vielzahl versierter Journalist:innen bzw. Fakten-Checkerinnen mit der Frage, ob eine Nachricht stimmt oder nicht. Für uns Normalbürger*innen ist es nämlich schlicht und ergreifend unmöglich, alle Nachrichten und Informationen, die im Internet herumgeistern auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Oder waren Sie schon einmal in Veles, Nordmazedonien, um selbiges zu tun?
Autor: Patrick Danter von Sapere Aude
Am nächsten demokratischen Montag…
schließen wir diese kleine Blog Reihe zu Demokratie und (gewerkschaftlicher) Bildung ab und bieten einen Ausblick auf die anstehenden Wahlen in Österreich und der USA im Herbst 2024.
Quellen:
- Mazedonien: Fake News sind doch besser als Drogen, oder? (Der Standard)
- I was a macedonian fake news writer (BBC)
- Ingrid Brodnig (2017): Lügen im Netz (Brandstätter)
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