Kaffeepause oder Lernbooster?
Das Image von Gruppenarbeiten ist wahrlich nicht das Beste.
Wer kennt‘ nicht Aussagen wie: „Na bitte nicht schon wieder a Gruppenarbeit“. Immer wieder kommt es vor, dass Gruppenarbeiten als unnötige Zeitfresser oder als Erholungspause für die Trainer*innen angesehen werden. All diesen Unkenrufen zum Trotz, halte ich Gruppenarbeiten für ein unverzichtbares Lernformat. Widerstände der Teilnehmer*innen können unterschiedlichste Gründe haben. Unter anderem führen unklare Aufgaben zu Frustrationen oder emotionalen Diskussionen über die richtige Interpretation des Arbeitsauftrags. Noch unangenehmer wird’s, wenn durch die Gruppenzuteilung zufällig zwei Personen zusammensitzen, die sich nicht ausstehen können.
An welche Stellschrauben du als Trainer*in drehen kannst, um möglichst gute Voraussetzungen für eine Gruppenarbeit zu schaffen, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Mal vorweg…
Planst du eine Gruppenarbeit ist es zunächst wichtig dir bewusst zu sein, dass der Erfolg von vielen Faktoren mitbeeinflusst wird. Diese reichen von grundlegenden Planungsfragen bis zu gruppendynamischen Aspekten. Wie produktiv die Gruppe zusammenarbeiten kann und wie schnell diese arbeitsfähig wird, hängt meist sehr stark vom Rahmen ab, den du als Trainer*in schaffst. Einige wichtige, und oft wenig bedachte, Faktoren werde ich hier auflisten.
Allgemein gesagt, ist eine Gruppenarbeit (neben der Einzelarbeit, Partnerarbeit oder der Arbeit in der Gesamtgruppe) zunächst mal nichts anderes als eine Sozialform, die eingesetzt wird, um das Lernen zu unterstützen. Gruppenarbeiten können an unterschiedlichen Stellen des Seminars genutzt werden. Sie können die Lernenden auf ein Thema einstimmen, ihr Vorwissen aktivieren oder den Praxistransfer sicherstellen.
Gruppenarbeiten bieten die Möglichkeiten durch Diskussion oder Bearbeitung von Aufgaben die Lerninhalte zu verarbeiten und auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Jede/r kennt das Wesentliche: Bei einer Gruppenarbeit teile ich die Gesamtgruppe in kleinere Gruppen von 4-6 Personen. Die Gruppen bekommen einen Arbeitsauftrag, den sie in einem gewissen Zeitrahmen bearbeiten sollen. Ziel dabei ist, dass sich die Teilnehmer*innen selbst aktiv mit den Lerninhalten auseinandersetzen – eine Grundvoraussetzung, dass Lernen überhaupt stattfinden kann. Mehr mit Fokus der Methodik Gruppenarbeit kannst du hier nachlesen.
„Free-rider“ und andere Phänomene…
Eine der größten Herausforderungen bei Gruppenarbeiten ist es, die gleichwertige Beteilung aller Gruppenmitglieder sicher zu stellen. Wir kennen alle die typischen Phänomene, die im Zuge von Gruppenarbeiten häufig beobachtet werden aus eigener Erfahrung. Da gibt es immer wieder eine Person, die die meiste Arbeit erledigt, während die anderen in eine lebhafte Diskussion über das Abendprogramm vertieft sind („Ja- bin ich denn der Depp-Phänomen“). Oder wer kennt nicht die Aussage: „Mach‘ du, du kannst das am besten!“. Dieses Phänomen kann als Beispiel für den berühmten Matthäus-Effekt genommen werden, bei dem die Person, die bereits über die Fähigkeiten verfügt, diese weiter ausbaut und vertieft, während andere (gewollt oder ungewollt) im Hintergrund bleiben. Werner Stangl beschreibt die typischen Phänomene der Gruppenarbeit sehr anschaulich und praxisnah. Mehr zu den 5 typischen Phänomenen kannst du auch hier nachlesen.
In der folgenden Auseinandersetzung möchte ich einige Anregungen geben, wie diese typischen Phänomene der Gruppenarbeit aufgeweicht und eine konstruktive Arbeits- und Lernumgebung geschaffen werden kann.
Stellschraube 1: Arbeitsauftrag
Der Arbeitsauftrag ist Dreh- und Angelpunkt jeder Gruppenarbeit. Es ist wichtig, die genaue Aufgabenstellung vorab detailliert zu überlegen und vorzubereiten. Der Arbeitsauftrag sollte schriftlich festgehalten und den Gruppen in der Einstiegsphase zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise durch Ausdrucke oder Flipchart, das abfotografiert und in die Gruppenarbeit mitgenommen wird.
Folgende Fragen helfen mir als Trainer*in bei der Formulierung des Arbeitsauftrags:
- Was ist die genaue Aufgabe? Wie kann ich diese kurz und schlüssig beschreiben?
- Ist mir als Trainer*in das Ziel klar? Kann ich es meinen Teilnehmer*innen vermitteln?
- Ist die Aufgabe zeitlich machbar? (Achtung: immer auch Zeit für den Einstieg ins Arbeiten mit bedenken!)
- Wie klar ist der Sinn bzw. die Praxisrelevanz der Aufgabe erkennbar?
- Haben die Teilnehmer*innen eine Wahlmöglichkeit?
- Was ist das gewünschte Ergebnis/ Endprodukt? (z.B. 10-Punkte-Programm, Fragenkatalog, Beschreibung der Prozessschritte,…)
- Wie werden die Ergebnisse präsentiert?
Oft ist es sinnvoll mehrere unterschiedliche Aufgaben für eine Gruppenarbeit vorzubereiten und den Lernenden eine Wahlmöglichkeit anzubieten. So können unterschiedliche Aspekte eines Themas parallel und tiefergehend bearbeitet werden. Unterschiedliche Aspekte oder Sichtweisen eines Themas machen auch die Präsentationen der einzelnen Gruppen am Ende der Gruppenarbeit spannender. Weiters können die Lernenden die Aufgabe auf Basis ihrer eigenen Interessen und Neigungen wählen. Dies erhöht die Motivation der einzelnen und festgefahrene Gruppen lösen sich mitunter automatisch auf.
Stellschraube 2: Gruppeneinteilung und Rollenklarheit
Wie es den einzelnen Lernenden in der Gruppe geht, hat einen wesentlichen Einfluss darauf, wie aktiv sie sich in einer Gruppe(narbeit) einbringen. Die Gruppendynamik in der gesamten Lerngruppe, aber auch in der Kleingruppe, hat somit immer einen wesentlichen Einfluss darauf, ob das Lernen unterstützt oder gehemmt wird.
Die Einteilung der Gruppen ist dabei eine wichtige Stellschraube. Hier habe ich als Trainer*in folgende Optionen:
- Teilnehmer*innen selbst wählen lassen (vor allem sinnvoll, wenn es um persönliche Themen geht)
- zufällige Einteilung durch Durchzählen oder andere Verfahren
- gezielte Einteilung der Gruppe nach Praxisfeldern, Erfahrung etc.
Gerade in bestehenden Lehrgangsgruppen sind wir sehr oft mit fixen Gruppen und Rollen konfrontiert. Hier ist es wichtig, genau zu überlegen, ob eine Auflösung der bestehenden Kleingruppen die Lernenden in ihrem Lernprozess weiterbringen können. Halte ich es für sinnvoll bestehende Gruppen aufzubrechen, sollte mir als Trainer*in klar sein, warum ich diesen Schritt wähle. Nachvollziehbare Argumente zur Gruppenzusammensetzung können auftretende Widerstände abfedern und die Zuwendung zur Aufgabenstellung erleichtern.
- Welche Gruppenkonstellation ermöglicht die beste Bearbeitung der Aufgabe? (z.B. unterschiedliche Vorerfahrungen, Praxisfelder, ähnliche oder andere Berufsgruppen)
- Welche Rollen (Timekeeper, Präsentator*in, Moderator*in) kann ich definieren und vergeben, um den Einstieg in die Gruppenarbeit zu erleichtern bzw. auch ruhigere Teilnehmer*innen zur aktiven Teilnahme zu ermuntern?
Hier findest du eine Checkliste zur möglichen Rollenverteilung.
Stellschraube 3: Rahmen für Bearbeitung der Inhalte schaffen
Eine weitere oft vergessene Stellschraube der Gruppenarbeit dreht sich um das Schaffen eines sinnvollen Rahmens für die Bearbeitung der Inhalte. Beispielsweise habe ich sehr gute Erfahrungen mit dem „Vorschalten von Einzelarbeiten“ zu einer Gruppenarbeit gemacht. Konkret bekommen die Lernenden die Möglichkeit einen Teil der Aufgabe zunächst alleine zu bearbeiten und so bereits mit einem Einzelergebnis in die Gruppenarbeit zu starten. Gerade introvertierte Menschen können von diesem Ablauf profitieren, weil sie ihren Beitrag ungestört durchdenken und ihre Sichtweise in der Folge meist klarer und vehementer in die Gruppenarbeit einbringen. Erfahrungsgemäß kann dieser Ablauf (auch im Online-Setting) die Qualität der Endergebnisse positiv beeinflussen.
Stellschraube 4: Gruppengröße
Die Arbeitsfähigkeit einer Kleingruppe hängt auch von der Größe ab. Es ist sinnvoller mehrere kleinere Gruppen parallel arbeiten zu lassen, als die Gruppe in wenige, aber dafür größere Gruppen einzuteilen. Um möglichst schnell ins Arbeiten zu kommen und auch ohne klare Moderation arbeitsfähig zu sein, eignet sich eine Gruppengröße von 4-5 Personen. Diese Größe unterstützt die aktive Teilnahme aller Gruppenmitglieder. Im Handbuch für Selbstorganisation findet du viele tolle Tipps und Infos zum Thema Gruppe und Zusammenarbeit.
Stellschraube 5: Arbeitsplatz
Die Frage des Arbeitsplatzes wird selten als Stellschraube genutzt. Häufig gilt das Prinzip: „Sucht’s euch einen Platz, an dem ihr arbeiten wollt‘s.“ (bekannte Favoriten: Kaffeemaschine oder Raucher*innenecke). Aus meiner Erfahrung ergeben sich aus der Wahl des Ortes jedoch unterschiedliche Konsequenzen, die den Ablauf der Gruppenarbeiten beeinflussen.
- freie Platzwahl: ich möchte, dass die Gruppe völlig unabhängig und ungestört arbeitet und ich die Gruppe auch nicht aufsuchen will/ muss: Grundvoraussetzung dafür ist, dass der Arbeitsauftrag sonnenklar beschrieben ist (am besten schriftlich) und der zeitliche Rahmen nicht verändert wird.
- offene Wahl von definierten Plätzen: ich weiß, wo ich die Gruppen finden kann, der Arbeitsauftrag ist klar, ein ungestörtes Arbeiten der Gruppen sowie Besuch der Gruppe für zusätzliche Klärungen oder Anpassung des Zeitrahmens sind möglich.
- Arbeiten der Gruppen im Seminarraum: sinnvoll bei komplexen Arbeitsaufträgen. Arbeitsaufträge können in mehreren Schritten mitgeteilt werden, jedoch gibt’s eine höhere Arbeitsintensität durch ein strukturiertes Setting, aber auch mehr zeitliche Flexibilität durch unkomplizierte Information aller Gruppen.
Stellschraube 6: Ergebnisse teilen und nutzen
Grundsätzlich sollen Ergebnisse, die die Gruppen erarbeitet haben, auch geteilt werden. Das ist eine Form der Wertschätzung und des Respektes für ihre Arbeit. Die Form der Ergebnispräsentation sollte im Arbeitsauftrag klar definiert und beschrieben sein. Das Teilen der Ergebnisse gibt auch die Möglichkeit, unklare Fragen oder Irrtümer aufzuklären und in der Gesamtgruppe zur Diskussion zu stellen. Trotzdem sollte ich mir als Trainer*in bei jeder Gruppenarbeit die Frage stellen, ob es Sinn macht, alle Ergebnisse zu präsentieren. Gerade wenn es viele Gruppen mit gleichen Arbeitsaufträgen gibt, werden die Präsentation oft langwierig und wiederholend.
- Auswahl: 2-3 Gruppen ziehen eine Zahl oder ein Symbol und diese präsentieren, andere Gruppen gehen in die Beobachter*innenrolle und geben Feedback oder ergänzen.
- Verschnittgruppen: Schaffen von neuen (Präsentations-)Gruppen, je eine Person der Arbeitsgruppe. Diese Form ermöglicht eine dynamische Präsentation durch alle Gruppenmitglieder.
- Ausstellung: Gruppen präsentieren ihre Ergebnis-Flipcharts in Form einer Ausstellung
- kreative Ergebnispräsentationen: Video, Sketch, Slogan…
- keine Präsentation: z.B. bei Reflexionsaufgaben
Weitere Tipps zur Ergebnispräsentation findest du hier.
Dies sind einige wichtige Faktoren, die wir als Trainer*innen bei der Gestaltung von Gruppenarbeiten beachten können. Darüber hinaus könnten wir noch weitergehen und uns tiefgehender mit der Gruppendynamik in Kleingruppen oder mit unserer Rolle als Trainer*innen in der Begleitung von Gruppenarbeiten befassen. Vielleicht gibt’s dazu ja noch einen weiteren #dimi im neuen Jahr.
Lust zum Weiterstöbern und Vertiefen?
- Baumann, Martin; Gordalla, Christoph (2020): Gruppenarbeit. Methoden – Techniken – Anwendungen. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. München, Stuttgart: UVK Verlag; UTB GmbH
- Hanzl, Elisabeth; Maier, Andreas (2021): Handbuch Selbstorganisation. Wie die Zusammenarbeit in Gruppen gelingt. Hier online verfügbar.
- Huber, Anne A. (Hg.) (2004): Kooperatives lernen – kein Problem. Effektive Methoden der Partner- und Gruppenarbeit (für Schule und Erwachsenenbildung). Unter Mitarbeit von Ludwig Haag. 1. Aufl. Leipzig, Stuttgart, Düsseldorf: Klett-Schulbuchverl. Leipzig (Schulpädagogik).
- Renkl, Alexander; Gruber, Hans; Mandl, Heinz (1995): Kooperatives problemorientiertes Lernen in der Hochschule.(Forschungsbericht Nr. 46). LMU München: Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie, ISSN 1614-6336
Genannte (und auch andere) Bücher können HIER im Webshop des ÖGB-Verlags versandkostenfrei bestellt werden.
Autorin: Margret Steixner
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