#thedi: Von schlauen Mädchen und schlechten Chancen

Abb: Wien, S.V.

„Die Frage der vollen Emanzipation der Frau erweist sich also in letzter und entscheidender Instanz als eine ökonomische Frage, die im innigsten Zusammenhang mit der Arbeiterfrage überhaupt steht.“
(Clara Zetkin 1884)

Irgendwie liest sich die Geschichte der Frauenbildung, oder besser des erkämpften Zugangs zu Bildungsinstitutionen durch Frauen, wie eine Erfolgsgeschichte… Was Ende des 19. Jahrhunderts noch unvorstellbar war, die grundlegende Offenheit des Bildungssystems für Frauen, der Zugang zu Schulen, Universitäten und gemeinsamer Unterricht (Koedukation) ist heute Realität. Bildung steht für Frauen offen und das nicht nur in Nischen von „wesensadäquater“ Frauenbildung, mit der die Frau auf ihr weiteres Leben als gute Mutter und Hausfrau vorbereitet werden soll. In fast allen Bildungsbereichen sind Frauen quantitativ in der Überzahl, sowohl als Lehrende in den Schulen, als BetreuerInnen in Kindergärten, als auch als TeilnehmerInnen und Lernende. In manchen Bereichen der Universitäten schließen sogar mehr Frauen als Männer ihre Studien ab.

Das ist gut, allerdings: je höher das Prestige einer Ausbildung, je mehr Geld zu verdienen ist, desto mehr Männer… Immer noch gibt es mehr Universitätsprofessoren und ebenso treiben sich immer dort mehr Männer herum, wo Prestige, Anerkennung und Geld winken!
Unsere Gesellschaft ist immer noch eine patriarchale, Männer schaffen es deutlich besser, ihre Bildung in Status und Geld umzusetzen. Die – kurz gefasste – sozialwissenschaftliche Einschätzung: Männer haben erkannt, dass die Schule nicht den Status im Leben bestimmt, sondern ihn nur rechtfertigt. Bildungsteilnahme und Bildungsabschluss entkoppelt von sozio-ökonomischen Fragen zu betrachten ist gefährlich. Frauen haben immer noch weniger Ressourcen, sich zu bilden, sie haben weniger Zeit, mehr familiäre Pflichten und vieles andere zu wenig oder zuviel. Und nach wie vor sind viele Bildungsbereiche – besonders die Universitäten – Horte der männlichen Lebenskultur und patriarchaler Alltäglichkeit.
Und gegenwärtig erleben wir noch dazu einen Backlash: Es geht nicht vorwärts, sondern zurück! Die Biologie, so heißt es immer öfter wieder, sorge für deutliche und weitreichende Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Wir wollen nicht den Erfolg der Frauenbewegung und die Wichtigkeit von Bildung und solidarischem Lernen (vgl. #thedi_05) kleinreden, sondern nur festhalten: Der Weg ist nicht zu Ende, denn: „Die Jubelmeldungen über das Ende des Patriarchats durch den Vormarsch der Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen sind als das zu verstehen, was sie sind: Propaganda der Patriarchen und Postfeministinnen.“
(Johanna Dohnal, 15 Jahre Feministisches Frauengesundheitszentrum Trotula, 16.10.2004)

Zum Weiterlesen

  • Juliane Jacobi-Dittrich: Geschichte er Mädchenbildung : Erfolgsgeschichte oder Wiederholung der Chancengleichheit?, in: Feminin – Maskulin : Konventionen, Kontroversen, Korrespondenzen. – Seelze : Friedrich, 1989. – (Friedrich-Jahresheft ; 7). – S. 59-63 (online hier)
  • Sieglinde Geisel: Die Angst vor der Gleichberechtigung, in: NZZ, 25.9.2008, (online hier)
  • Marina Fischer-Kowalski: Von den Tugenden der Weiblichkeit. Mädchen und Frauen im österreichsichen Bildungssystem, Wien 1986
  • Heike Kahlert: Von schlauen Mädchen und schlechten Chancen, in: Brigitte Brück (et. al.), Feministische Soziologie. Eine Einführung, Frankfurt-New York 1997, S. 181-208

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Autor: Stefan Vater

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