#thedi: Lernen unter Konkurrenzbedingungen!

Du schaffst es!

Bild: Wien, S.V.

„(…), wer heute krank wird, dem wird unterstellt, er habe sich nicht konsequent an die Regeln gesunden Lebens gehalten; wer arbeitslos ist, von dem nimmt man an, er habe es versäumt, sich richtig auf das Vorstellungsgespräch vorzubereiten, habe sich nicht ausreichend um Arbeit bemüht oder sei einfach arbeitsscheu: wer Zweifel an der eigenen beruflichen Karriere hat oder Zukunftsängste äußert, von dem sagt man, es mangle ihm an sozialer Kompetenz, er könne weder Freunde gewinnen noch andere beeinflussen, sei eine Niete im Hinblick auf die Kunst des Selbstmanagements“
(Zygmut Baumann, Flüchtige Moderne, S. 45f.)

Du gegen den Rest der Welt

Für Viele – und wir legen den Fokus dieser beschreibenden Einleitung auf Europa – sind die Arbeitsbedingungen heutzutage schlecht wie lange nicht, die Arbeit wird länger, dichter, anstrengender und verantwortungsvoller. Hinzu kommt, dass die Löhne seit Mitte der 1990er nicht mehr wirklich steigen. Es ist eine Situation, die in aller angreifbaren Kürze als Zeit eines neoliberalen und tatkräftigen Abgesangs von Seiten der Sozialdemokratie und der Konservativen auf den Wohlfahrtsstaat und seine (nie-realisierte) Idee der bedingungslosen Rechte für Alle auf eine menschenwürdige Existenz benannt werden könnte.

Geradezu rastlos und besessen werden heute Organisationsstrukturen qualitätsgesichert und abgeschlankt und Arbeitskosten gedrückt. Diskurse über Chancen, Herausforderungen, Lernaufgaben Potenziale und Kompetenzen, die es zu entwickeln gälte, fordern auf, konkurrenzfähig zu bleiben, immer zu lernen und nicht zurückzubleiben und das eigene Portfolio up to date, den eigenen Körper arbeitsfähig und fit und schlank zu erhalten. Jeder und jede ist für sich alleine verantwortlich und ihr Glück!

Laufend werden Entscheidungen verlangt und alles muss gemanagt werden. Nicht nur Firmen werden heutzutage gemanagt, auch Beziehungen, Kinderbetreuung, die eigenen Termine und der eigenen Körper, die eigenen Fitness-Werte – unterstützt durch diverse Fitness-Apps, die den konkurrenzorientierten Vergleich fördern und für körperliche Transparenz sorgen. Prekarität, Unsicherheit, Ortlosigkeit und Ausbeutung werden in aktuellen Diskursen zur Herausforderung für die Flexibilität und die professionellen Kompetenzen der Menschen.

You can do it!

Das moderne Wort dafür wäre wohl „Challenge“. Es gibt nichts, was nicht zu schaffen wäre, wenn jeder oder jede sich nur richtig anstrengt, auf den eigenen Körper und seine Gesundheit achtet und die richtige Einstellung, Kompetenz und Disposition oder Willigkeit (Volatilität heißt der Fachausdruck) mitbringt. Das Leben ist sozusagen ein nicht enden wollender Wettlauf gegen alle anderen. Und wenn etwas schief läuft, ist immer der fehlende Markt oder die fehlende Initiative und Einstellung schuld. Frei, frisch und gesund, wo auch immer man in der Warenwelt sich bewegt, muss jugendlich gelächelt und in voller Reinheit „natürlich“ genossen und konsumiert werden! Und Bildung hilft bei diesen Aufgaben und diesen Anforderungen, ebenso wie sie das richtige Konsumverhalten fördern und gegen Krankheit und Ungleichheit helfen soll.

Aber welche Bildung ist das? Und was bleibt von solchen Bildungsaufforderungen letztendlich übrig: Die Menschen zu fitten Arbeitskräften oder zu eigenverantwortlichen, unsolidarischen KonsumentInnen zu machen und ihnen ihre Verantwortung dafür und ihre Autonomie dabei klar zu machen? Und sie in Konkurrenz mit anderen zu stellen? Das ist nicht die Vorstellung von Bildung in der gewerkschaftlichen und emanzipatorischen Bildungsarbeit! Wir stehen nicht alleine und gemeinsam sind wir stark! Darüber mehr in zwei Wochen.

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Autor: Stefan Vater

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