Seminardokumentation: Herausforderung Bildungshintergründe

Lernen in heterogenen Gruppen ermöglichen und gestalten

14.11. – 16.11.2018
TrainerInnen: Nicola Sekler & Margret Steixner

Ziele des Seminars: Die TeilnehmerInnen…

  • …wissen, dass Wissensvermittlung stets heißt, sich mit den (Vor-)Erfahrungen der TeilnehmerInnen auseinanderzusetzen und an ihnen anzuknüpfen
  • …verstehen besser, welche Dynamiken in einer heterogenen Gruppe entstehen können und wie sie damit umgehen
  • …kennen Methoden und Werkzeuge, die Lernen in Gruppen mit sehr unterschiedlichen (Vor-)Erfahrungen ermöglichen
  • …können erlernte Methoden auf ihre eigenen Seminare anpassen und anwenden

Programm

Inhalte

  • Einstieg: Meine Bildungsgeschichte + was verstehen wir unter Bildungshintergrund
  • Dimensionen von Bildungshintergrund und Diversität
  • Lernen in heterogenen Gruppen – Modelle und Erleben
  • Umgang mit heterogenen Gruppen – Grundprinzipien und Methoden

Arbeitsweise

  1. Arbeit mit „Figuren“: Während des Seminars wurden gemeinsam Figuren mit speziellen Charakteren entwickelt. Ziel war es, mithilfe der Figuren Eigenschaften und Ressourcen von möglichen SeminarteilnehmerInnen zu konkretisieren und im Verlauf des Seminars immer wieder mit ihnen zu arbeiten. Solche Figuren erleichtern den Praxisbezug, allerdings fließen automatisch auch viele Klischees mit ein – deshalb ist es wichtig, immer wieder diese Klischees zu hinterfragen und aufzulösen.
    Umsetzung: Leere Flaschen wurden mit einem bunten Papier bespannt.
  2. Arbeit mit „Modellen“: Für die Arbeit mit Bildungshintergründen und Lernprozessen in Gruppen, in denen diese sehr unterschiedlich sein können, haben wir mit vielfältigen Modellen gearbeitet (siehe unten). Modelle geben meist recht schnell einen Einblick in eine Thematik und eignen sich gut in heterogenen Gruppen: TeilnehmerInnen mit viel Vorwissen können die Modelle zur Reflexion und zum Sortieren des Wissens nutzen, TeilnehmerInnen mit wenig Vorwissen dienen die Modelle als (bildliche) Orientierung.

Meine Bildungsgeschichte
Als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildungshintergrund dienten Geschichten aus der eigenen Bildungsbiographie: Erlebnisse aus der Kindheit, Rolle von Bildung im Familienalltag, Tischgespräche usw…

Modell 1: Dimensionen von Diversität
Die Dimensionen von Diversität verbildlichen, das und wie Persönlichkeiten sich mithilfe unterschiedlicher Kategorien beschreiben lassen. Diese „Kategorien“ sind dabei nur ein Hilfskonstrukt, sie können nicht als einzelne Erscheinungsform gesehen werden, sondern beeinflussen sich gegenseitig und überschneiden sich. Der Bildungshintergrund – wie von uns entwickelt/eingeführt – spielt in mehreren von diesen Dimensionen eine Rolle.

Neben der Beschreibung von individuellen Eigenschaften und Merkmalen entlang der Dimensionen von Diversität ist insbesondere die gesellschaftliche Wirkung wichtig: Was passiert, wenn unterschiedliche Fähigkeiten und Persönlichkeiten aufeinanderstoßen? Stehen diese wirklich neutral nebeneinander? Eigenschaften werden bewertet – bestimmte Erfahrungen und Merkmale zählen mehr, andere weniger. Zuschreibungen finden statt, gesellschaftliche Hierarchien wirken über Vorannahmen oder Vorurteile. Das alles beeinflusst unser (gesellschaftliches) Miteinander und damit auch die Dynamiken in Gruppen, mit denen wir arbeiten. Erlebte Diversität kann sehr unterschiedliche Bedürfnisse im Individuum wachrufen – manche Dimensionen von Diversität wollen explizit wahrgenommen und angesprochen werden, andere streben nach unaufgeregter Akzeptanz.

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Im Seminar werden mithilfe der Dimensionen von Diversität und den Überlegungen zu Bildungshintergründen 12 „Figuren“ als mögliche SeminarteilnehmerInnen mit ihren Ressourcen, Bedürfnissen, usw. „geschaffen“ (weitere Informationen zur Arbeit mit den Figuren siehe Artikel zum Seminar auf erwachsenenbildung.at).

Lernen in heterogenen Gruppen erleben
Was in Kleingruppen für Dynamiken entstehen, wer welche Fähigkeiten wie einbringen kann und will – das Erleben die TeilnehmerInnen bei einer Gruppenübung, die ganz ohne Worte und nur mit einem Materialienpaket daherkommt – dabei entstanden ist das:

Modell 2: Das Flow-Modell von Mihaly Csikszentmihalyi

Zum Einstieg in den zweiten Tag nutzten wir das „Flow-Modell“, um das Erlebte des ersten Seminartages zu reflektieren. Die TeilnehmerInnen wurden gebeten, ihr Befinden zwischen den Achsen „Fähigkeiten“ und „Herausforderungen“ einzuordnen.
Im „Flow-Modell“ soll dargestellt werden, dass positives Involviertsein vor allem dann passieren kann, wenn die TeilnehmerInnen einerseits bewusst auf ihre bestehenden Fähigkeiten aufbauen, andererseits aber auch ein ausreichendes Maß an neuen Herausforderungen erleben, die einen Anreiz zu Weiterentwicklung bieten. Diese Einsicht kann auch für das Lernen in heterogenen Gruppen sinnvoll sein. Die Frage, wie wir TeilnehmerInnen in Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und einem Bedürfnis nach gesteuerter Herausforderung abholen können, kann uns in der Planung und Umsetzung leiten.

Wirken von Bildungshintergründen in Gruppen erleben: Ein Schritt vor…

Ziel dieser Übung war es, sich nochmals eingehend mit den am Tag zuvor entwickelten „Figuren“ auseinanderzusetzen sowie deren Chancen und Möglichkeiten zu realisieren/erleben. Dazu werden Seminarsituationen vorgelesen und die Figuren, die die Fragen am Ende der Situation mit einem klaren „JA“ beantworten können, gehen einen Schritt weiter. Am Ende stehen die Figuren an ganz unterschiedlichen Stellen und in der Reflexion wird überlegt, warum ein „JA“, und damit ein Schritt vor, in der jeweiligen Situation möglich/unmöglich war bzw. was es gebraucht hätte, um diesen Schritt gehen zu können (weitere Informationen siehe Artikel zum Seminar auf erwachsenenbildung.at)

Modell 3: Themenzentrierte Interaktion und die Frage nach den Ressourcen
Das Zusammenwirken der einzelnen TeilnehmerInnen in der Gruppe wurde anhand des Modells der Themenzentrierten Interaktion erklärt. Besonderer Fokus wurde hier auf „Ressourcen“ gelegt: also was bringen die einzelnen Personen in die Gruppe ein, das dem Thema oder der Gruppe zu einem arbeitsfähigen Ganzen verhelfen kann. Ziel war es, von einer häufig vorherrschenden problemorientierten zu einer ressourcenorientierten Sicht auf Vielfalt und Unterschiede zu wechseln. Anhand der eigenen Ressourcen sowie der Ressourcen der „fiktiven SeminarteilnehmerInnen“ (Figuren) wurde deutlich, dass gerade in heterogenen Gruppen die Ebene des ICH und WIR neben dem Thema eine wichtige Rolle spielen – deshalb sollte diesen Ebenen immer wieder bewusst Raum gegeben werden.

Haltung als TrainerIn
Im Umgang mit heterogenen Gruppen gilt es auch, sich der eigenen Haltung zu Diversität bewusst zu sein. Wir befassten uns dabei beispielhaft mit drei Bereichen.

  • Die vier Qualitäten von Empathie
  • Stigmatisierung im Training vermeiden
  • Perspektiven von Minderheiten stärken

Empathie kann als eine Grundhaltung beschrieben werden, die es uns ermöglicht, uns in andere Personen und ihr Erleben hineinzudenken. Empathie stellt deshalb eine wesentliche Fähigkeit im Umgang mit Verschiedenheit dar – mehr zu diesem Thema findet sich hier.

Umgang mit heterogenen Gruppen – Grundprinzipien und Methoden

Lernen in heterogenen Gruppen

Um das Lernen in heterogenen Gruppen gut zu gestalten und Lernen, trotz der oder gerade mit den Unterschieden, gut zu ermöglichen, kann schon einiges im Vorfeld durchdacht, beachtet und bei der Planung berücksichtigt werden. Besonders wichtig erscheinen uns dabei folgende Grundprinzipien:

  • Praxisbezug herstellen und mit unterschiedlichen Erfahrungen arbeiten: mit den Inhalten an Erfahrungen anknüpfen (erfahrungsnahes Lernen); Beispiele so wählen, dass für alle Anknüpfungspunkte dabei sind; immer wieder die Verwendbarkeit der (neuen) Inhalte aufzeigen; den Transfer in den Alltag begleiten, d.h. konkrete mögliche Umsetzungs- oder Veränderungsschritte schon im Seminar erarbeiten und besprechen.
  • Kooperation fördern: Konkurrenz ruft Erfahrungen mit Schule hervor und unterstützt die Bildung von Hierarchien, Abwertungen, Vergleichen. Kooperative Strategien sind: Austausch fördern und damit gegenseitiges Verstehen ermöglichen; gegenseitiges Beraten (kollegiale Fallberatung); „learning by teaching“ als Prinzip kann in vielfältigen Übungen verankert werden und bietet sich insbesondere bei großen Wissensunterschieden an.
  • Genug Zeit einplanen, um unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten zu ermöglichen; um Anleitungen, Zusammenfassungen, Zwischenstand usw. ausführlich machen zu können.
  • Einen Methodenmix umsetzen, um unterschiedliche Lerntypen zu berücksichtigen und damit die Motivation zur Beteiligung zu fördern; insbesondere das Arbeiten in unterschiedlichen „Sozialformen“ (paarweise, in Kleingruppen, Einzelarbeit, in der Gesamtgruppe, …) ist dafür hilfreich.
  • Wiederholen und Verankern der Inhalte vor Ort, damit die wichtigsten Punkte leicht ersichtlich sind und sich gut setzen können.
  • Explizit statt implizit: d.h. einerseits, TeilnehmerInnen gut im Lernprozess zu begleiten, Ziele sichtbar zu machen und Zusammenhänge immer wieder aufzuzeigen, den roten Faden aktiv zu legen und die TeilnehmerInnen nicht zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Im Sinne von Solidarität und Heterogenität heißt dies aber auch, explizit und kooperativ mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu arbeiten und dadurch Selbstverständlichkeit leben.
  • Arbeiten mit Modellen: Modelle sind gut einsetzbar, wenn unterschiedliches (Fach-)Wissen im Raum ist. Für TeilnehmerInnen mit Vorwissen sind sie ein guter Anhaltspunkt für eine strukturierte (Wieder-)Aufarbeitung eines Themas, für AnfängerInnen sind Modelle eine gute Orientierung.

Unsere Überlegungen zu den Methoden und wie man diese in heterogenen Gruppen einsetzen kann

  • Was hat die Methode mit Bildungshintergrund zu tun? Wie spielt er hinein?
  • Wann, wie, mit welchem Ziel ist die Methode einsetzbar? Wie kann ich sie vielleicht gut adaptieren?
  • Was brauchen unsere „Figuren“, um mit der Methode gut arbeiten zu können bzw. sich gut in die Gruppe/dem Thema einbringen zu können?

Zum Abschluss…
… versuchen wir in aller Kürze, den TeilnehmerInnen den Schritt in die Umsetzung zu erleichtern, mit einer kurzen Transferübung – Arbeitsblatt_Reflexionstransfer

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