Schwimmen in der Informationsflut

Vom Über-Wasser-halten zum lustvollen Surfen

Referent*innen können bei der Recherche in viel zu vielen Informationen untergehen. Teilnehmer*innen bei Vortrag und Seminar verlieren wir durch zu viele Infos. Wie wir das vermeiden und vielleicht sogar Freude an den vielen und leicht zugänglichen Informationen finden können, war Thema eines Seminars am 15. Oktober 2020. Die Leitung hatten Michael Ziereis und Ulli Lipp.

Das Themenfeld „Informationsflut“ weitet sich

Ursprünglich dachten wir bei der Ausschreibung und Konzeption des Tages an zwei Aspekte in der Arbeit als Referent*in: Die notwendige Selbstbeschränkung bei der inhaltlichen Recherche während der Vorbereitung und die allgegenwärtige Gefahr der Überfrachtung unserer Kurse und Vorträge mit Informationen. Während unserer Diskussionen im Vorfeld und durch die Auswertung der Antworten auf die Erwartungsabfrage vor dem Trainingstag kamen eine ganze Reihe von neuen Aspekten dazu, wie die Abbildung „Dimensionen von Infoflut“ zeigt. Einen Aspekt hatten wir am Anfang total übersehen: Mitunter ist es bereichernd und erfüllend, sich lustvoll in die Infoflut des Internets zu stürzen. Der Blick geht über den Tellerrand, der Horizont weitet sich und ganz neue Fenster tun sich auf.

Ein weites Feld, das noch nicht einmal ganz vollständig ist.

Strategien im Umgang mit der Infoflut

Lernziele vor der inhaltlichen Recherche!

Wie war das doch gleich mit den Arbeitsschritten bei der Vorbereitung eines Vortrags oder Seminars?

Schritte bei der Planung in der richtigen Reihenfolge

Die Planung der inhaltlichen Bausteine kann ich erst vernünftig nach der Analyse der Zielgruppe und der Formulierung der Lernziele machen. Jetzt erst weiß ich, was ich noch recherchieren und nachschauen muss. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: Wir bekommen ein Thema und fangen sofort damit an, uns „schlau zu machen“.

Im eigenen Kopf „nachschauen“: Was weiß ich schon zum Thema?

Wenn wir zu einem Thema referieren, liegt das meist daran, dass wir uns bei diesem Thema schon „auskennen“. Wir haben schon Wissen und Informationen. Wie aber stelle ich das an: „Im eigenen Kopf nachschauen“? Im Seminar haben wir dazu die gute alte Technik Mind-Mapping ausprobiert und zu einem Thema alles aufgeschrieben, was dazu im eigenen Kopf schon vorhanden ist. Das geht analog auf Papier, aber auch digital.

Reduzierung der Inhalte oder „Weniger ist mehr!“

Je intensiver wir uns mit Inhalten auseinandersetzen und je länger wir „im Geschäft“ sind, um so mehr Informationen sammeln wir in unserem Kopf. Das Bedürfnis, vieles davon auch weiterzugeben, wird nicht kleiner. Dabei überschätzen wir trotz langer Erfahrung den „Arbeitsspeicher“ unserer Teilnehmer*innen regelmäßig. Unser aller Aufnahmevermögen ist begrenzt. Das müssen wir uns vor jedem neuen Vortrag und Training immer wieder klar machen.

Die ganze Präsentation aus dem Seminar zu den Strategien findest du hier.

Suchen und Sammeln im Internet

Vier Punkte, die wir für den Schwimmkurs in der Infoflut des Internets herausgegriffen haben

SUCHEN & FINDEN: Mit bestimmten Operatoren kann man die Suche mit Suchmaschinen optimieren und die Ergebnisse gezielt einschränken. Die Operatoren in der Abbildung funktionieren in der Google-Suche. Ähnliche Operatoren gibt es für alle gängigen Suchmaschinen.

Alternativen zu Google, die sich den Schutz der Privatsphäre beim Suchen im Internet auf die Fahne geschrieben haben, sind zum Beispiel duckduckgo oder Qwant.

SAMMELN & STRUKTURIEREN: Oft geht das Problem los, wenn wir gute Inhalte gefunden haben. Wie speichern wir die Links so, dass wir sie später auch wiederfinden? Lesezeichen im Browser sind limitiert und werden bei vielen Links schnell unübersichtlich. Mit dem Tool Diigo lassen sich Links ganz einfach sammeln und sortieren. Durch das Labeln der Links mit Schlüsselbegriffen sind sie schnell wieder zu finden. Link-Sammlungen lassen sich auch mit anderen teilen.

Zwei Tools zum Sammeln und Verwalten von Links sind Evernote oder Diigo.

FAKE-NEWS PRÜFEN: Auf der Suche nach Infos stolpert man immer wieder über „verdächtige“ Informationen. Wie lassen sich Meldungen überprüfen? Welche verlässlichen Quellen gibt es für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit?

Folgende Webseiten widmen sich der Aufklärung von Fake-News:

Was Fake-News bewirken, kann man auf der Webseite Getbadnews spielerisch ausprobieren.
Die eigene Anfälligkeit für Falschmeldungen lässt sich mit Quiz-Formaten testen, z.B. in diesem Quiz vom SRF.

Ein Teilnehmer hat folgende Links für die gewerkschaftlichen Bildungsarbeit mit uns geteilt. Diese Seiten sind besonders im Kontext von wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen Themen, „Mythen“ oder Faktencheck interessant:

LIEFERSERVICE steht für Blogs und andere Seiten, die man abonniert und damit automatisch bekommt. Da steht natürlich ganz oben der hoffentlich von euch schon abonnierte Refak-Blog, in dem ihr gerade diesen Beitrag lest.

Mit Feedly kann man beispielsweise seine Lieblingswebseiten abonnieren.

Was zu kurz kam oder keinen Platz mehr fand

Expert*innenfallen

Corona-bedingt fand der Tag im Online-Modus statt, es gab also weniger Zeit für die vielen Teilaspekte. Nicht behandelt wurden zum Beispiel die „Expert*innenfallen„. Die gilt es zu umgehen, um unseren Zuhörer*innen das Lernen zu erleichtern. Eine dieser Fallen ist der „Vollständigkeitswahn“. Wir kennen uns in der Regel in unseren Themen gut aus, sind Expert*innen und wollen unser umfassendes Wissen auch weitergeben, am besten vollständig. Die Menschen, die vor uns sitzen, sind damit oft überfordert, denn so viele Informationen können sie gar nicht aufnehmen. Wir überschätzen den menschlichen „Arbeitsspeicher“ regelmäßig.

Eine von meheren Fallen. Hier der Link zu weiteren Expert*innenfallen.

Hinter Informationen stecken Interessen

Zum Faktencheck kommt der Interessens-Check: Wer hat welches Interesse an der Verbreitung von welchen Informationen?

Dazu schreibt ein Teilnehmer nach dem Seminar:
„Zwar kann Fake-News mit einem Faktencheck oft unmittelbar begegnet werden (insbesondere um sie schnell als solche kenntlich zu machen). Doch braucht es auch oft mehr, insbesondere bei gesellschaftlich sowie politisch polarisierenderen Themen (z.B. Ursachen für Arbeitslosigkeit, Steuergerechtigkeit usw.): Denn Fakten sind dann umso weniger „neutral“ und es wird darum gestritten, welche Fakten bei dem strittigen Thema überhaupt zählen und als „solche“ bzw. „relevant“ anerkannt werden, welche Probleme mehr oder weniger Priorität bzw. politische Aufmerksamkeit bekommen usw. Deswegen ist es wichtig, insbesondere auch bei vermeintlich „technisch-neutralen“ Fakten wie Zahlen oder Verweis auf „Expert*innen“, „Studien“, usw.: Wo kommen sie her? Welche Interessen sind damit verbunden? Wer hat diese Fakten wie „produziert“? (Ggf. woher kam die Finanzierung dafür?) Warum verwendet wer welche Fakten in dieser Auseinandersetzung? Woher kommt dieser neue Begriff? …….
…. von Terry Eagleton in einem Buch zu Ideologieforschung heißt es dazu sinngemäß: Ideologie ist wie Mundgeruch – den haben immer nur die anderen. 

Das ist interessant, am Beispiel des Begriffs „Schuldenbremse“.

Mein Eindruck: Derzeit wird das „modischer“ vor allem in aktuellen Diskussionen zu „Framing“ thematisiert: Im gewerkschaftlichen Zusammenhang z.B. nochmals „praktisch“: Die Sprache der Neoliberalen. „
Danke an Oliver Prausmüller für die Ergänzungen nach dem Seminar.

Eine kurze Erklärung von Framing findest du hier.

Eigentlich auch zu kurz gekommen: Der Spaß und die Freude am Schwimmen in der Flut

Wie man Information findet, das haben wir im Seminar („Suchen und Sammeln“) untergebracht, zu kurz kam der Austausch über die Freude und Befriedigung beim Blick über den Tellerrand. Oft ist es gerade gut, keine enge Fragestellung zu haben, sondern sich im Internet treiben zu lassen und sich über zufällige Fundstücke zu freuen. Das ist wie früher in analogen Zeiten, als man noch in Bibliotheken durch die Buchregale stöbern konnte und mal in dem Folianten, mal in der Biografie schmökerte.

Ein Fundstück aus dem Internet, „Schwimmen lernen in der Infoflut„, also fast wortgleich zu unserem Seminartitel, hört sich sehr kompliziert an. Da versucht jemand, seine persönliche Infoflut, die in Papierstapeln und Zeitungsstößen den Raum überschwemmt, mühsam zu ordnen und in Ordner und Klarsichtfolien zu sortieren. Einfach ungelesen entsorgen ist keine schlechte Lösung. Eine andere: Wir nehmen uns an einem verregneten Novemberabend einen uralten, ganz verstaubten Stapel vor und „schürfen“ nach Info-Nuggets.

Autoren: Michael Ziereis und Ulli Lipp

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