Resilienz in der Krise

Wie gehen wir mit dem verstärkten Weiterbildungs- und Entwicklungsdruck um?

Auch wenn das Schlimmste vorbei zu sein scheint – die Corona-Krise fordert auch von vielen TrainerInnen einen Veränderungsprozess. Es braucht neue Fähigkeiten, einen Lernprozess und Geduld. Für manche gab es existentielle Sorgen oder soziale/familiäre Grenzerfahrungen, und gerade in der jetzigen Übergangszeit können wir mit dem Konzept der „Resilienz“ bewusst an unserer Widerstandsfähigkeit und unserer Flexibilität arbeiten.

Karen Reivich und Andrew Shatte veröffentlichten 2002 „The Resilience Factor: Seven Essential Skills for Overcoming Life’s Inevitable Obstacles”. Sie benannten sieben Fähigkeiten, die in weiterer Folge oft variiert wurden und die sich gegenseitig beeinflussen:

  • Emotionssteuerung
  • Impulskontrolle
  • Kausalanalyse
  • Realistischer Optimismus
  • Selbstwirksamkeitsüberzeugung
  • Zielorientierung
  • Empathie

Emotionssteuerung

Das bedeutet nicht, dass wir unsere Gefühle verdrängen sollen. Es geht darum, die eigenen Überzeugungen und Gedanken zu verändern, die auftauchen, wenn wir mit einer schwierigen Situation konfrontiert sind. Als TrainerIn heißt das, verschiedene Aspekte neu zu bewerten, z.B.:

  • Ja, ich hab viel Arbeit mit der Umstellung – und das Gute daran ist, ich habe die Ressourcen, die Kontakte und die Fähigkeiten dazu.
  • Ja, ich muss in die Rolle des Lernenden schlüpfen und begebe mich auf unsicheres Terrain – und so kann ich mich in Zukunft viel besser in meine eigenen SeminarteilnehmerInnen hineinversetzen.

Impulskontrolle

Sie ist wichtig, wenn es um die Erledigung von eher unangenehmen Aufgaben geht oder wenn wir mit gewissen Situationen nicht einverstanden sind. In Stress- und Ausnahmesituationen kann es zu Überreaktionen oder reflexhaften Mustern kommen, die uns dann nachher leidtun oder Nachteile bringen. Manchen TrainerInnen waren in den letzten Monaten folgende Gedanken vielleicht nicht fremd:

  • „Ich muss sofort ein völlig neues Geschäftsmodell aus dem Boden stampfen.“
  • „Ich verlasse die Bildungsabteilung/den Betriebsrat und schmeiße alles hin.“
  • „Ich beende meine Selbständigkeit und melde mich arbeitslos.“

Im Sinne der Impulskontrolle empfiehlt es sich, darüber zu schlafen, strukturierte Gespräche zu führen (z.B. Kollegiale Beratung) und keine Schnellschüsse zu machen. Es geht nicht nur um das Tempo, sondern auch um die Qualität unserer Handlungen.

Kausalanalyse

Hoch resiliente Menschen verfügen über die Fähigkeit, Zusammenhänge inhaltlich und treffend zu analysieren. Sie können emotional negative Zustände richtig einschätzen und sind in der Lage, sinnvolle Lösungsstrategien zu entwickeln, die ihr Wohlbefinden wiederherstellen. 

Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und die Gründe für den emotional negativen Zustand zu identifizieren. Das gilt auch für uns TrainerInnen!
Viel ist schon geholfen, wenn wir destruktive Denkfallen vermeiden:

  • Falsche Wahrnehmung: Schwierigkeiten, Fehler und Schwächen werden überbewertet, positive Ereignisse abgewertet.
  • Aus den Handlungen anderer werden Schlussfolgerung über deren Denken getroffen, ohne etwas darüber zu wissen.
  • Die eigenen Gefühle werden als Beweis für die Richtigkeit der eigenen Befürchtungen herangezogen.
  • Zufällige oder allgemeine Ereignisse werden so interpretiert, als seien sie ganz direkt auf sich als Person gerichtet gewesen.
  • Aus einem singulären Ereignis wird eine allgemeingültiges „Gesetz“ abgeleitet. Weil es einmal so war, wird es immer so sein.

Realistischer Optimismus

Eine optimistische Grundhaltung ist ein wichtiger Faktor für ein gelingendes Leben. Häufig schätzen Menschen ihre Zukunftsaussichten jedoch viel optimistischer ein, als sie tatsächlich sind.

So wird beispielsweise die eigene Lebenserwartung zu hoch eingeschätzt, während das Risiko des Scheiterns einer Ehe oder eines beruflichen Scheiterns zu gering eingeschätzt werden. Diese Einstellung wird als „Optmism Bias“ oder als optimistische Verzerrung bezeichnet. Wenn wir als TrainerInnen davon ausgehen, dass bei unseren ersten Webinaren sowohl die Technik als auch die Methodik perfekt gelingen wird, dann ist das einfach nicht realistisch. Solche Erfahrungen haben mittlerweile schon viele von uns gemacht, und die erste Verzweiflung ist bei vielen sicherlich in realistischen Optimismus übergegangen…😊

Der Marktführer Zoom stand ja von Beginn an sehr in der Kritik, doch der Spot ist gut gelungen und regt zum Schmunzeln an:

Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Damit ist das Vertrauen gemeint, auch unter Belastungen, in schwierigen Situationen oder angesichts großer Barrieren, handlungsfähig zu sein. Glaubt eine Person, dass sie durch ihr Verhalten und Handeln Einfluss auf die Dinge nehmen und sie zum Besseren wenden kann, ist sie von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt.

Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist ein entscheidender Faktor für Erfolg oder Misserfolg und einer der am besten untersuchten Eigenschaften in der Psychologie. Federführend war hier Albert Bandura („Selbstwirksamkeitserwartung“, 1977).
Im Leistungssport sind Techniken in diesem Bereich sehr oft im Einsatz, auch wir TrainerInnen können daran arbeiten, gerade bei neuen Techniken, neuen Formaten. Die eigene Einstellung ist auch über Video spürbar und hat definitiv Einfluss auf alle TeilnehmerInnen – und damit auf das Gelingen des Webinars!

Zielorientierung

Resiliente Menschen haben klare Ziele, die sie mit Disziplin verfolgen. Da sind Rückschläge eingeplant und oft bewährt sich die Strategie der kleinen Schritte. Warum nicht auch in der jetzigen Situation das Konzept der SMARTEN ZIELE anwenden?

S (spezifisch/konkret): Was will ich konkret erarbeiten/ausprobieren?
M (messbar): Wie oft, wie lang, für wie viele TN – Kennzahlen finden!
A (aktivierend): Selber ins Tun kommen, konkrete erste Schritte setzen
R (realistisch): Kleine Schritte, nicht alles auf einmal, Teilerfolge schätzen
T (Termin): Wann geht’s los? Wie viel Vorlaufzeit brauche ich? Bis wann will ich das Ziel erreicht haben?

Empathie

Sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen hineinversetzen und deren Verhalten verstehen zu können, ist gerade in Krisenzeiten enorm hilfreich.
Wir dürfen ja nicht vergessen, dass nicht nur wir TrainerInnen von der Krise betroffen sind, sondern auch viele unsere KollegInnen, AnsprechpartnerInnen und TeilnehmerInnen. Gerade, wenn der persönliche Kontakt eingeschränkt ist, die Körpersprache wegfällt oder reduziert ist, sollten wir besonderen Fokus auf gute Kommunikation legen – also bitte genügend Zeit für die Beziehungsebene einplanen!


Autor: Helmut Buzzi

Alle Fotos stammen von Pixabay.

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